Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 68.1917-1918

DOI Artikel:
Lill, Georg: Nymphenburger Porzellan
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10300#0032
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
feiten zu lösen, während die finanziellen erst durch
die Übernahme in die kurfürstliche Verwaltung
im Jahre \757 beseitigt wurden. Die Verantwor-
tung trug der kenntnisreiche Sigmund Graf von
Haimhausen als Präsident des „kurf. Münz- und
Bergwerkskollegiums."

Die Gründung der Porzellanfabrik Nymphenburg
fiel in künstlerischer Beziehung in eine günstige
Zeit. Der europäische Porzellanstil hat sich durch-
gesetzt und stand auf dem Gipfel seiner Vollen-
dung. Die ostasiatische Periode, die hauptsächlich
bisher Meißen und Wien vertreten hatten, war
überwunden. An Stelle der chinesischen Motive
und indianischen Blümchen traten „deutsche" Blu-
men naturalistischer Art, Insekten, Schmetterlinge
usw. Die früher manchmal schweren formen nach
chinesischen Gefäßen und europäischen Silberarbei-
ten wurden durch freie Bildungen mit reichem
Relief- und Flechtzierat sowie Rokaillen ersetzt.
Der Rokoko, und zwar in seiner deutschen, lockeren,
phantasievollen Eigenart,! hat den Porzellanstil
zur Vollendung gebracht. Davon hat nun Nymphen-
burg den reichsten Nutzen gezogen und in der Ge-
schirrformung und Bemalung sich ohne weiteres
an die gut eingeführten Formen angeschlossen,
überhaupt ist die bayerische Porzellanfabrik nie-
mals tonangebend in. Geschirren gewesen. Für
ganz frühe Arbeiten haben wir einen gewissen
Anhaltspunkt durch die Hexagramm-Marke mit den
beigefügten chemischen Buchstaben, da sie nach den
bisherigen Feststellungen fast ausschließlich in der
Neudecker Periode von ^7$7—1760 verwendet
wurde. Ganz geklärt ist diese Frühzeit ja noch nicht,
und wir dürfen auch hier von Hofmanns Forschungen
noch neue Aufschlüsse erwarten.

Db man schon ganz große Service in der Frühzeit
gemacht, ist fraglich. Dagegen fertigte man die
leichter herzustellenden, weil im Brand sich kaum
verziehenden, kleineren Frühstücksservice, Solitäre
usw. Rannen mit Schlangenkopfausguß und Vo-
lutenhenkeln, Tassen in Becherform und Rokaillen-
henkeln sowie ein flaches Reliefornament sind
besondere plastische Gestaltungen, Häufig vor-
kommende Türkenkoppchen lassen auf einen stär-
keren Export nach dem Osten schließen, während
Pfeifenköpfe wie der in der Gestalt eines Heiducken
nach Meißener Vorbild auf einheimischen Massen-
verbrauch hindeuten. Besonders beliebt war der
Rechaud, der in immer neuer Gestaltung mit zahl-
reichen Nasen und Vorsprüngen gearbeitet wurde.
Der schönste von ihnen ist wohl der schön bewegte
mit den reichen Rokaillenreliefs. Malerisch schloß
man sich enge an Wien an. Man bevorzugte die

„deutschen", d. h. naturalistischen Blumensträuße
von Tulpen, Rosen, Päonien und Nelken in
lockerer, stark silhouettierter Anordnung, die in
ihrem kräftigen Ziegelrot und ihrem zweierlei
Blattgrün, einmal ins Blaue, das anderemal
ins Gelbe spielend, bei einiger Aufmerksamkeit
leicht zu unterscheiden sind. Auch das später
immer mehr beliebte grüne Schuppenmosaik kommt
jetzt schon vor. Farbig reizvoll ist auch ein ziegel-
rotes Blumenmotiv mit goldenen Blättern und
Ranken; eigenartig ein naturalistisches Blattzweig-
muster.

Unsicherer war man in der Frühzeit in der Figuren-
plastik. Offenbar hatte man keinen richtigen Mo-
delleur. Man hat eine Rategorie aus den Nym-
phenburger Figuren abgesondert, die man in die
Zeit um setzt und als deren Modelleur man
Ioh. Theoph. Schreiber oder Johann Georg Härtl
betrachtet. Die innere Zusammengehörigkeit steht
um so mehr außer Zweifel, als sie nur ein Motiv
immer variieren, nämlich den Kavalier und seine
Dame, bald einzeln, bald vereint in Gesellschafts-
pose oder zurückhaltendem Menuettschritt. Trotz
der übertriebenen Schlankheit haben die mäßig
handlangen Figürchen etwas Unbeholfenes an
sich, weil sie wie Drahtpuppen in den Gelenken
nicht beweglich sind und unsicher auf den Füßen
stehen. Die Kleider, fast zu groß für die Gestalten,
gehen mit dem Körper nicht recht zusammen
und haben harte Linien, die manchmal unschöne
Überschneidungen bilden. Sie sind zierlich, aber
ohne Temperament, ohne Phantasie, sie sind Mario-
netten, aber keine plastischen Geschöpfe. Sie
haben Rokokostil, aber keinen Porzellanstil. Den
Reiz des primitiven wird man ihnen zuerkennen
und sie deshalb auch schätzen, aber die höchste Voll-
endung eignet ihnen sicher nicht. Sie kommen aus-
schließlich in der sonst in der Manufaktur üblichen
lichten Farbenbemalung vor. Auch einzelne Tier-
figuren scheint man damals schon modelliert zu
haben, wie eine ebenfalls ängstlich wie steife ge-
haltene Ente mit ziemlich schematischer Behand-
lung beweist, die vor kurzem im Kunsthandel auf-
getaucht ist.

Erst der geniale Franz Anton Bustelli steigerte
die Bedeutung der kurbayerischen Porzellanplastik
zu ihrer unübertrefflichen Höhe. Bis vor kurzem
wußte man nicht einmal den richtigen Namen
dieses Künstlers, da man ihn immer Bastelli schrieb,
wie schon gelegentlich einer kleineren Veröffent-
lichung Fried, Hofmann konstatierte und wie
er dies in seinem großen Werk dokumentarisch
feststellen wird, hieß er aber tatsächlich Bustelli.

28
 
Annotationen