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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 68.1917-1918

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Lill, Georg: Nymphenburger Porzellan
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https://doi.org/10.11588/diglit.10300#0031
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Npmphenburger Porzellan

von vr. Georg Lill

„Land des Porzellans" — diesen Ruhmestitel
kann sich in Europa nur Deutschland beilegen.
Denn keine andere Nation hat soviel nicht nur für
die Erfindung, sondern auch für die Ausbildung
eines eigenen europäischen Porzellanstils und für
die quantitative Verbreitung getan, als dies in
den zahlreichen deutschen Staaten und Stäätchen
geschah, die im Z6. Jahrhundert das alte römisch-
deutsche Reich bildeten. Es mag auf den ersten
Blick paradox erscheinen, und doch ist es so: Die
Armut Deutschlands seit dem Dreißigjährigen Krieg
ist mit ein wichtiger Grund dafür. Die andern
Völker konnten für ihre Prunkgeschirre die kost-
baren Edelmetalle beibehalten, die im zs. Jahr-
hundert auch noch in Deutschland fast allein als
edles Tafelgeschirr Geltung hatten. Deutschland
konnte sich dies nicht mehr leisten. Diese Lage ver-
schlimmerte sich im s8. Jahrhundert noch. Ich
brauche nur an ein Vorkommnis zu erinnern,
an jene bekannte Tat Friedrichs des Großen, der
in den schlimmsten Tagen des Siebenjährigen
Krieges sein kostbares Tafelsilber dem vaterlande
opferte. Unter den schweren Folgen der ständigen
Kabinettskriege des Z8. Jahrhunderts litten aber
alle pöfe der deutschen Territorien. In vielen
Dingen war die wirtschaftliche Lage ganz ähnlich,
wie sie sich jetzt bei uns im Weltkrieg herausgestellt
hat. Mit den gewöhnlichen Einkünften ließen sich
die Staatsbedürfnisse nicht mehr bestreiten. So
schaute man sich nach Monopolen und Industrien
um. Die Alchemie gaukelte den ewig geldbedürftigen
Fürsten goldene Berge vor und gebar doch eine
so praktische Wissenschaft wie die Lhemie. Der
praktische Sinn der Deutschen ließ mit Pilse hol-
ländischer Einflüsse zahllose Fayence- und Porzellan-
fabriken über ganz Deutschland, an den pöfen der
Fürsten und Grafen sowie in den freien Städten
entstehen. Aber die unermüdliche deutsche Aus-
dauer wußte schon damals diese Ersatzmittel durch
technische wie künstlerische Vervollkommnung selbst
wieder zu Luxusartikeln ganz besonderer Art zu
heben, was heutzutage durch die großen geplanten
Staatsmonopole aus den gesteigerten Lebensan-
sprüchen des Volkes in allen seinen Schichten an
finanziellen pilfsmitteln für den Staat herausgeholt
werden soll, das konnte damals nur von den Luxus-
bedürfnissen der oberen Schichten erhofft werden.
Dieser allgemeinen Situation verdanken die deut-
schen Porzellanmanufakturen ihr Entstehen.

Auch Nymphenburg, die Porzellanmanufaktur des
kurbayerischen pauses, macht hier keine Aus-
nafyme1). Schon im Jahre J729, nach dem un-
glücklichen Spanischen Erbfolgekrieg, der das Land
des ehrgeizigen Kurfürsten Max Lmanuels bis
an den Abgrund führte, hatte der Dresdener
Spiegel- und Glasmacher Elias Vater in München
vergebliche versuche zur Perstellung von Por-
zellan gemacht, die bald wieder aufgegeben wurden.
Als man dann im Jahre *7^7 diese versuche von
neuem aufnahm, dürfte dies erst in zweiter Linie
mit der im selben Jahre vollzogenen Vermäh-
lung des Kurfürsten Max III. Joseph mit einer
sächsischen Prinzessin, eher mit der abermals nieder-
drückenden finanziellen Lage Bayerns Zusammen-
hängen, in die es durch die weit ausgreifenden,
aber realpolitisch schwach fundierten Pläne und
Ansprüche auf die deutsche Kaiserkrone und das
österreichische Erbe geraten war, die der eben ver-
storbene Vater des Kurfürsten, Kaiser Karl VII.,
erhoben hatte.

Doch sei dem, wie es wolle, der Töpfermeister
Johann Bapt. Niedermqyer stellte seit jenem
Jahr mit Unterstützung des Kurfürsten versuche
zur Perstellung von Porzellan an, und zwar in
kleinen Raumverhältnissen in der Vorstadt Neu-
deck ob der Au, neben dem Paulanerkloster und
damit in der Nähe des heute weltberühmten
Salvatorkellers. In der ersten Zeit mühte man
sich, wie bei allen Konkurrenzunternehmen Meißens,
um das Arkanum, der geheimgehaltenen Lehre
der technischen Masse- und Farbbereitung sowie
um den schwierigen Brand ab. Unter unzähligen
Intrigen und Gehässigkeiten gelang es schließlich
im Jahre ^75$ dem von Wien berufenen, damals
weitberühmten Arkanisten Joseph Jakob Ringler
und dem Münchner „Lhymikus" Ioh. P. Rupert
pärtl von Partenstein die technischen Schwierig-

Ich benütze in meinen Darlegungen, die nur die künstle-
rische Bedeutung N. umreißen sollen, die bisher allgemein zu-
gängliche Literatur, vgl. vor allem bei Kr. H. Hofmann, Kata-
log d. Europ. Porzellans im Ba^er. Nationalmuseum, München
tym, und L. Schnorr v. Larolsfeld, Porzellan der euro-
päischen Fabriken d. t8. Iahrh., Berlin 1,9:2. Das erschöpfende
Werk über N., das Fr. ß. Hofmann vorbereitet und bei Kriegs-
ausbruch schon in Druck hatte, wird ganz neue Forschungen
über die wirtschaftlichen, technischen und künstlerischen Ver-
hältnisse bringen. Obwohl ich in dies Werk teilweise Einblick
hatte, werde ich seine Ergebnisse bis auf wenige, ausdrücklich
gekennzeichnete Stellen nicht benützen.

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