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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 71.1921

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Fischer, J. L.: Deutsche Gewerbeschau München 1922
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https://doi.org/10.11588/diglit.8622#0036
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von bayerischen Trennungsabsichten die Spitze ab,
sondern hat seinen Grund vor allem darin, daß
München in den Ausstellungen 1908 und 1912
schon eine festgefügte Grundlage für alles ge-
schaffen hat, was mit Kunstgewerbe und Gewerbe
zusammenhängt. Es ist also nur der Versuch, den
großen Ausstellungsgedanken, dem unter dem Zu-
strom der gesamten Welt unsere größten Künstler
ihre ganze Kraft gewidmet haben und der durch
den unseligen Weltkrieg jahrelang unterbrochen
war, fortzusetzen und neu zu beleben. So weit
die deutsche Zunge reicht, hat nicht bloß die Ab-
sicht der Deutschen Gewerbeschau 1922, sondern
auch die Wahl des Ortes freudigen Wiederhall ge-
funden. Was an behördlicher Unterstützung und
an künstlerischer Mitarbeit notwendig ist, wurde
überall bereitwilligst zugesagt.

Was die Organisation betrifft, so ist zunächst
ein Künstlerausschuß von 57 Münchner und 23 aus-
wärtigen Künstlern geschaffen worden. Die Leitung
der Gewerbeschau hat Herr Oberregierungsrat Dr.
Goetz. In Zusammenarbeit mit den Reichsmini-
sterien, demWerkbund sind in den einzelnen Länder
Vertrauensmänner bestellt. Reich wie Staat und
Stadt arbeiten übrigens in der Finanzierung des
großzügigen Unternehmens zusammen.

In einer Denkschrift wird ausgeführt: Die
Gewerbeschau 1922 kann nicht wie frühere Aus-
stellungen eine Gebärde des Reichtums, des Über-
flusses sein und werden. Es wird eine Bestands-
aufnahme, eine Rechenschaft, nicht nur über Vor-
räte, sondern auch über Leistungen, Ziele, Gesin-
nungen sein. Deutschland ist arm geworden an
Rohstoffen; die Gewerbeschau soll dazu anregen,
daß wir uns selbst im Gestalten und Erfinden
einen unentreißbaren Reichtum schaffen. Wir müs-
sen sparsam werden, wir wollen uns deshalb nicht
die Freude und den Sinn für schöne Formengebung,
für die Qualität schlechthin nehmen lassen. Sonst
führte die Krisis dieser Jahre zum Verderben des
Besten, was uns von feindlichem Diktat nicht ge-
raubt werden konnte, unserer geistigen und mora-
lischen Werte.

Das wirtschaftliche Ziel der Deutschen
Gewerbeschau ist damit klar gegeben. Wir
wollen unsere Leistungsfähigkeit in ihrer höchsten
Qualität zeigen, den inneren Reichtum. Das wird
unser eigener Nutzen sein, das wird unser Können
auch im Auslande wieder in das rechte Licht
rücken. Wir können nicht mit dicken Klumpen
von Gold aufwarten, dafür aber mit Erzeugnissen,
deren hoher Wert in der Arbeit, in der Qualität
ruht. Die Ausstellung wird in dieser Richtung

aufmunternd wirken. Und das ist, wenn wir uns
nicht selbst über den wirklichen Stand der Dinge
hinwegtäuschen wollen, notwendig, sehr notwendig
sogar. Nicht für die deutsche Industrie, wohl aber
für das Handwerk. Das technische Können des
Handwerks war unverkennbar schon vor dem
Kriege in einer Periode des Rückgangs; es wurde
mit und nach der Katastrophe noch erheblich mehr
geschwächt. Die Anzeichen für ein Besserwerden
sind gut, ein ernster und zuversichtlicher Geist
keimt auf. Kann die Gewerbeschau hier be-
fruchtend und fördernd wirken, so hat sie ihrer
Aufgabe besten Teil erfüllt. Es gilt den schlimmen
Gefahren zu begegnen, die aus der Not der Zeit
und aus der Armut unseres Volkes für den Geist
solider deutscher Arbeit erstehen. Arm sein soll
und darf nicht gleichbedeutend sein mit armselig
sein. Armut schließt Anmut und Würde nicht aus.
Die Entscheidung darüber, ob das verschüttete Gut
der Vergangenheit gehoben und belebt oder ver-
gessen wird, entscheidet zugleich mit über die Ent-
wicklung der deutschen Kultur.

Von größter Wichtigkeit ist, daß die Grund-
einteilung der Ausstellung auf Rohstoff gruppen
beruht. Alle Gegenstände und Erzeugnisse, die
künstlerischer Geist und formgewandte Hände aus
einem Rohstoff schufen, werden in einer Gruppe
vereinigt sein. Erst wo die Rohstoffgruppe zu
eng wird, wo sich also verschiedene Stoffe zu-
sammenfinden, wird, wie bei Spielwaren, Fein-
mechanik, der Fachgedanke die Zusammenstellung
leiten. Als erläuternde Beispiele seien angeführt:
eine Halle wird den Stein umfassen, in allen
seinen Arten — als Brunnen, als Bank, als Säule.
Daneben finden der Kunststein Raum und alle
Zweige der Keramik, Terrakotta und Porzellan.
Über der Grenze kommen die Gestaltungen eines
anderen Produktes des Ofens, des Glases, und
dann eine dritte Gruppe, das Metall — von der
Stahlfeder und dem eisernen Schlüssel bis zum
Messingleuchter und dem Zinnkrug, ja bis zum
goldenen Armband und dem Platinkettchen. Die
zweite große Gruppe gehört dem Holz. Fein-
mechanik, graphische Gewerbe, Sport und Spiel-
waren erhalten besondere Räume. Es wäre ver-
fehlt, heute schon über diese allgemeinen Gesichts-
punkte hinaus Grenzen und Gruppen zeichnen zu
wollen. Nebeneinander wird in aller Deutlichkeit
die industrielle Massenware und das handwerkliche
Einzelstück gezeigt werden. Im Südpark soll die
Filmindustrie ihren Platz finden, und zwar in
größeren architektonisch reizvollen Gebäuden. Eine
Ausstellung für religiöse Kunst soll angegliedert

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