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DURNER & RIEFL

Kunstgewerbliche Werk-
stätten, München

Tauschierte
Petschaften in
Fischmotiv

Mittelstand unseres deutschen Volkes. Es wird
einer gewaltigen Anstrengung aller kunstgewerb-
lichen Kräfte bedürfen, um die zahlreich ver-
streuten und vielen Widerständen ausgesetzten
echten Keime zur Entwicklung und Reife zu
bringen, die in dem Wollen der künstlerischen
Jugend Deutschlands stecken. Und gerade das
laufende Jahr stellt das bayerische Kunst-

gewerbe in den Mittelpunkt riesiger Pflichten
und Aufgaben, wie schwerer Verantwortung. Es
ist nur zu wünschen, daß alles, was irgendwie
dazu beitragen kann, dem bayerischen Kunst-
gewerbe einen Ehrenplatz in der Deutschen Ge-
werbeschau zu sichern, keine Mühe scheut,
sondern alles an die Lösung dieses Problems
setzt. F.

BERATUNG IN KUNST HANDWERKLICHEN FRAUENBERUFEN

Über Beratung in kunsthandwerklichen Frauenberufen
referierte Luise Pollitzer in der Sozial-Caritativen Schule
des Katholischen Frauenbundes in München: Als das Wort
„Kunstgewerbe" geprägt wurde, bedeutete es eine Er-
höhung des Gewerbes zur Kunst, Veredelung des rein
Zweckmäßigen in Form und Farbe, jedoch mit Beibehal-
tung all seiner ursprünglichen technischen Qualitäten —
zu mindest haben die damals Führenden dies damit gemeint.
Wie das so geht, hat sich dann unter dem Namen weg die
Sache allmählich verschoben; die handwerkliche Solidität
wurde von der Massenindustrie verschlungen, die künst-
lerische Steigerung in rein äußerliches Farben- und Formen-
spiel verwandelt, die alte Bezeichnung jedoch zu Unrecht
beibehalten; denn keinesfalls deckt sie sich mehr mit
ihrem ursprünglichen Begriff: der Handwerkskunst, wobei
der Ton mindestens ebensostark auf Handwerk zu legen
ist wie auf Kunst.

Erst auf der Grundlage solidester handwerklicher Aus-
führung ist künstlerische Steigerung berechtigt, die oft gar
nicht in dem besteht, was man gemeinhin „Verzierung"
nennt, sondern bei gründlicher Kenntnis von Material,
Herstellungsvorgang und Zweck des Gegenstandes sinn-
reiche, feinempfundene Formen schafft, die nie ohne diese
Kenntnis hätten entstehen können.

Daraus folgt, daß es unmöglich ist, „Kunstgewerbe" als
Sonderberuf zu treiben, ohne es im Handwerk zu ver-

ankern, und daraus folgt weiter die Zwecklosigkeit eines
jeden Dilettantismus auf Gebieten, auf denen nur sach-
liche Schulung zum Ziel führen kann.

Es ist nötig, dies vorauszuschicken, weil wir im Kunst-
handwerk noch stark unter den Nachwirkungen der ver-
flossenen Kriegsjahre stehen; damals haben die besonderen
Verhältnisse: Abwesenheit der handwerklich Geschulten,
Absperrung der Grenzen, Warenmangel dazu geführt, daß
jede scheinkünstlerische Dilettantenarbeit rasch Absatz
fand; daher wandte sich eine große Zahl von Frauen, oft
wirklich Begabte, diesen Berufen zu und wurden trotz des
scheinbar großen Erfolges meist recht ausgenützt.

Die Zwischenhändler, die in der Hauptsache Abnehmer
oder Auftraggeber dieser Massenprodukte waren, hatten
nur Interesse an immer billigeren Preisen und drückten
damit das schon bescheidene Anfangsniveau rapid herab;
solide Techniken waren für dieses Arbeitstempo nicht zu
brauchen, die paar, die sich dafür eigneten, wurden rasch
tot gehetzt, und als es soweit war, schlug die Hochkon-
junktur in ihr Gegenteil um. Diejenigen, deren Ausbildungs-
und Entwicklungszeit in diese Periode fiel, sehen sich nun
vor die schwere Wahl gestellt, ob sie jetzt, spät, aufs neue
anfangen sollen, von Grund aus zu lernen, wozu sich sicher
nur die Charaktervollsten bringen werden — oder einen
anderen Beruf zu ergreifen und in dem ganz von vorne zu
beginnen. Vor so verderblichen Irrwegen müssen wir die

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