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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 4
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Berliner Kunstchronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0073
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Nr.

Kunst-Palle.

aber ist doch oft sehr interessant in kleinen kapriziösen
Studien, wenn man auch immer wieder bedauern muß, daß
der ohne Zweifel begabte Kolorist über einen gewissen
Punkt nicht hinauskommt, sondern sich in spielerischen Ex-
perimenten verzettelt. Gut die pälfte der Stücke hätte
diejes Mal wegbleiben müssen, ganz rund wirken nur seine
Stillleben. Das künstlerisch Reifste und feinste giebt hier
einmal Max Uth in anspruchslosen Aquarellen aus Belgien.
Ls geht ihm wie Lesser Ury in Pamburg. Lr hat die
Landschaft entdeckt, in der seine sonst manierirt wirkenden
Lieblingsfarben wirklich vorkommen. Da zeigt er nun eine
Natürlichkeit, eine Freiheit und Frische, die wir nie sonst
bei ihm fanden. Die Technik ist übrigens auch brillaut,
nicht so breit, um bei den: kleinen Format derb zu wirken,
und doch breit genug, um die „Lust" recht wirken zu
lassen.
Uebrigens haben diese Künstler einen recht gefähr-
lichen Nachbarn bekommen: pubert perkomer's „All
deautikul in ns,koä xurcky". Lin Bach im Waldinnern.
Lin Baun: streckt seine blüthenschweren Zweige darüber
hin. Unter dein Baume steht ein nacktes Weib, das Fleisch
schimmert in: Tone des Elfenbeins, das paar in goldigen:
Roth. Das Bild zeigt das ganze Raffinement der englischen
Schule in der Malerei, das ganze Rönnen pcrkomer's in
der Zeichnung. Es braucht einem als Runstwerk deshalb
nicht sympathisch zu sein: eine gewisse Geziertheit in der
Packung des Weibes raubt ihm jene Keuschheit, welche die
größten Meister dein Nackten zu geben wußten, die Poesie
des Unbewußten. Aber wie der Künstler seinen Zweck
erreicht, wie er alle Mittel erworben hat, um ihn so zu
erreichen, das heischt doch Bewunderung. Die jüngeren
Künstler, deren Werke herumhängen, müssen doch recht
nachdenklich werden vor diesem Bilde.
Ueber Eduard Kaempffer' s Bilder aus der Taun-
Häuser-Sage, die zur Dekoration sür das Rathhaus in Erfurt
bestimmt siud, ist unmöglich zu urtheilen: man müßte den
ganzen Zyklus sehen.
Unter den übrigen Werken fällt Kais er's farben-
frohe perbstlandschaft „Würmkanal" auf. Sie gehörte zu
den befielt deutschen Bildern der diesjährigen Münchener
Sezession, welche Freude an der Schönheit der Welt spricht
aus diesen: Bilde, und wie schlicht und einfach giebt sie
sich! — Kroyers, des dänischen Meisters, „Meeresküste"
bei Abenddämmerung mit den beiden Frauengestalten ist an
sich ein seines Bild, aber es hält mit der Behandlung des-
selben Motivs in dem Bildniß seiner Frau, das in der
großen Berliner Ausstellung so großes Entzücken erregte,
keinen Vergleich aus.
In den: jungen wiener Porträtisten Otto von
Krumhaar lernen wir einen Maler von tüchtiger
Technik und feinem Geschmack kennen. Am Besten ist
das Lildniß eines reizenden, heiteren jungen Fräuleins ge-
lungen.
Zu erwähnen sind dann noch die kleinen Bilder aus
Feld und Wald, die Kapp stein mit immer wachsenden:
Können und immer gleicher Frische uralt. Ick 8t.
* Im Salon Schulte sind neben den oben erwähnten
ausgestellt: Werke von Bodenmüller, Berony, Fehry
pendrich, Kämpffer, Kozics, Schnee u. A. Jin
Salon Gurlitt befindet sich eine sehr reiche Sammlung
von Bildern und Lithographieen von Pans Thoma (vgl-
den Artikel S. 5?).

* Die Münchener Künstler-Genossenschaft
hat beschlossen, im nächsten Jahre zu Gunsten der Ber-
liner Jubiläums-Ausstellung aus eine eigene Aus-
stellung zu verzichten. Dieser Beschluß ist von weittragender
Wichtigkeit, er räumt der Berliner Veranstaltung plötzlich eine
großartige Bedeutung ein. Die Künstlerschaft Münchens wird
mit dem Besten, was sie vermag, in Berlin vertreten sein
können, die Ausländer brauchen gleichfalls nicht zu theilen.
Rud das wird natürlich unsere Berliner Künstler zu deu
größten Anstrengungen anspornen. Bei den: riesigen An-
drang von Fremden, welche die Gewerbe-Ausstellung her-
führen wird, ist der Erfolg wohl in jeder pinsicht gesichert.
* Die Bildsäule der Sprea im Berliner
Rath Hause. Die Kommission für die innere Aus-
schmückung des Rathhauses hat am 2. d. M. ihre Auswahl
getrosten. Der vorbereitende Ausschuß hat sich für die
Entwürfe der Bildhauer Gomansky und Jeremias
L h r i st en sen - LH a r lo tt en b u r g ausgesprochen, und
unter diesen hat in der Kommission der zweite Entwurf
Lhristensen's die Mehrheit der Stimmen erhalten. Das
kleine Modell stellt die Spree-Nymphe auf einen: Felsen ge-
lagert vor, unbekleidet, in der linken pand eine gelbe See-
rose (Mummelchen) hackend, in der rechten pand eine Muschel-
schale, aus der Wasser in ein unten vorliegendes Becken
fließt, das mit Stromgewächsen, einem Frosch u. dgl. aus-
gestattet ist. Der Berliner Bär schmiegt sich an die Figur
der Sprea und trinkt aus der Muschel. Au den: Felsen ist
ein Netz mit Netzsenkern und Netzschwimmcrn, aus den:
Fische hervorsehen, ein Ruder und ein Pfahl mit Ring
zum Anlegen von Kähnen angebracht. Lin Merkurstab
deutet auf die Bedeutung des Flusses als Pandelsstraße.
Die Behandlung der Bildsäule ist eine naturalistische,
die Packung der Figur etwas degagirt lässig, der Ausdruck
nicht ohne einen Anflug von Gefallsucht. Das Ganze
macht mehr einen genrehaften Lindruck und wird sich
dennoch recht gut präsentiren, namentlich in gärtnerischer
Umgebung.
Lrnster, würdevoller ist die Packung und der Ausdruck
Ver Gomansky'schen Figur, die mehr den Lharakter der
palbgöttin wahrt und insofern, nach diesseitiger Auf-
fassung, sich eigentlich mehr in den kurulischen Rahmen
eitles Stadthauses schicken würde.
Indessei: der Naturalismus hat hier über den Klassi-
zismus den Sieg davongetragen und jedenfalls, wie schon
angedeutet, wird auch die Wirkung der Lhrifiensen'jchen
Sprea eitle angenehme sein.
Die Ausführung erfolgt in harten: Tiroler Marmor.
Die Aufwendung dafür muß sich innerhalb der Summe von
höcbstells 20 ooo Mark halten.
Ick Vr.
* Nans Baluschek, der Urheber unseres Kunstblattes
„Nach der Arbeit", steht unter den heranblühenden Berliner
Talenten in der vorderen Reihe. Wenn wir dieses Mal
unserm Grundsatz untreu sein und nicht erst die Lrfolgc
dieses jungen Künstlerlebens abwarten wollen, so thun wir
es in der Ueberzeugung, daß B. mit seinem schroffen un-
erschrockenen Naturalismus, der ihn bisher von allen offi-
ziellen Ausstellungen der Reichsmetropole ausschloß, künst-
lerisch noch lange nicht sein letztes Wort gesprochen. Bei
Gurlitt haben in: vorige:: Jahre seine von düsterer pessi-
mistischer Stimmung erfüllten Berliner Sitten! ch i ld e-
rungen bei allen unbefangenen Kennern eine aufrichtige
 
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