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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 4
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Stahl, Fritz; Thoma, Hans [Gefeierte Pers.]: Hans Thoma
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Berliner Kunstchronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0072

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58

Die Kunst-Palle.

Nr.

So sah der Knabe die Welt. Das wollte der
Jüngling malen. Er zog aus von der pennath, um
die Mittel zu erwerben, das zu köunen, nicht weniger,
aber auch nicht mehr. Im Winter lernte er auf
den Akademien die Elemente der Technik, sobald aber
der Sommer kam, litt es ihn nicht in den Städten.
Dann ging's wieder auf sein Dorf, wo er unermüd
lieh nach der Natur arbeitete.
Das war ihm zuuächst die Pauptsache, diese
Landschaft zu beherrschen, den Schauplatz seiner Ge-
sichte. Er hat damals und später nie daran gedacht,
eine andere etwa zu erfinden, die besser für Fabel-
wesen und Märchenhelden paßte. Er unterscheidet
heute so wenig wie als Knabe zwischen Welt und
Märchen: die Welt ist ihm so schön wie ein Märchen,
das Märchen so wahr wie die Welt. Er braucht
nur eine Art. Die bunte Wiese da im Walde mit
den ragenden Bäumen: eine Frau und ein Kind
pflücken Blumen darauf, hindert das, daß im
nächsten Augenblick die Blumenfee mit ihrem Gefolge
von Kutten darüber herschreitet, um neue empor-
sprießen zu lassen? Alles, was darauf hinausgiug,
durch raffinirte Technik dem Kunstwerk Sinnenreiz zu
gebeu, stieß ihn ab. Das keusche Gefühl, das er
sich bewahrt hatte, bäumte sich dagegen auf, ebenso
wie es in den Formen des Nackten eine gewisse
Sprödigkeit verlangte.
Man sieht, daß nicht nur der Inhalt seiner
Werke, sondern daß auch seine ganze Anschauungs-
weise, ja in gewissem Sinne seine Technik dadurch be,
stimmt wurde, daß er seiner Jugend treu blieb. Da-
her kam es auch, daß ihn von allen Meistern ver-
gangener Zeiten nur die alten deutschen Maler mit
ihrer herben Sachlichkeit anzogen. Das ist sein Stil,
und, man mag ihn lieben oder nicht, man muß zu-
geben, daß dein Inhalt seiner Bilder kein anderer
besser entsprechen könnte. —
Es giebt keinen unter den deutschen Traum-
künstlern, mit dem Pans Thoma verwandt ist. Man
nennt ihn gewöhnlich neben Böcklin. Aber er hat
nichts gemein mit diesen: Maler der tiefblauen
Melancholien und der blutrothen Leidenschaften. Und
man darf ihn noch weniger an dem genialen Niesen
messen wollen, wie ja auch sonst keinen, der lebt.
Wein: verglichen sein muß, so mag inan ihn den:
liebenswürdigen Moritz von Schwind zur Seite stellen.
Aber Schwind lachte gern, und Thoma nimmt die
Märchen ernst-wie ein Knabe.
Es braucht nach dem, was gesagt ist, kaum aus-
gesprochen zu werden, daß er auch als Wirklichkeits-
maler gauz einsam dasteht. Er ist ziemlich weit
herumgekommen und hat Alles gemalt, was ihn
reizte. Aber er ist einseitig: die Berge von Tarrara
sehen bei ihm ebenso aus wie die Zugspitze oder die
Berge seiner peimath. Am schönsten hat er die pei-
math geinalt, in dieser Natur empfindet er tief und
reu: jede Stimmung.

Don den Menschen haben nur die den Künstler
gereizt, unter denen er als Knabe gelebt hat. Ihr
Leben umkleidet er mit dein Zauber der Poesie, den
es damals für ihn hatte: der Säemann schreitet über
das sonnenbeschienene Feld wie ein Priester, der
heilige Mysterien vollzieht, und auf dem schweren
Gaul des Fuhrmanns, der in Lenzesträumei: und
schwüler Lenzessehnsucht befangen seine Straße zieht,
sitzt der schalkige Liebesgott.
Thoma hat ii: seinem spätere:: Leben, besonders
seitdem er nach fünfzehn Wanderjahrei: und fünfzehn
Jahre:: stiller Arbeit endlich als Fünfzigjähriger zu
Anerkeuuung gelangt ist, hier und da versucht, über
die selbstgesteckten Grenzen seiner Kunst hinauszugehen.
Niemals mit Glück. Er ist nur stark, wo er sich
inuerhalb dieser Greuzeu bewegt: das darstellt, was
so kraftvoll in ihm lebte, worauf er seiue ganze Aus-
bildung angelegt hat. Seine Jugend giebt ihn: Kraft,
wie die Erde den: Antaeus: verlieren sie die Be-
rührung mit diesen: Boden, aus den: ihre Größe er-
wächst, so werden sie kindlich schwach.
So allein ist aus einen: Punkte seine Stärke und
seine Schwäche zu erklären.
Pans Thoma ist keiner von den ganz Großen,
die das Tiefste in uns erregen, unser ganzes Wesen
erschüttern. Aber er ist Einer für sich. Er hat nicht
die Macht, die Widerstrebenden zu zwingen. Aber,
wer ihn: willig in seine Welt folgt, den erfrischt und
erquickt er. Er weckt keine glühende Begeisterung.
Aber er erwirbt stille Neigung.
Freuen wir uns an den:, was er ist und was er
kann! Er gehört zu denen, auf die das deutsche
Volk stolz sei:: darf.
G
Berliner Kunstchronik.
* Bei Schulte, was uns eine Giupxe von Berliner
Künstlern und Künstlerinnen in ihrer Kollektiv-Ausstellung
zu zeigen hat, ist nicht sehr erfreulich. Der Grundzug
der Veranstaltung, die man wohl nur traf, weil man
im vorigen Jahre angefangen hatte, ist eine gewisse Müdig-
keit. Wilhelm Trübner hat Bildnisse geschickt, die noch
den siebziger Jahren entstammen, Benny Geiger-Spiegel
auch nur bekannte Arbeiten, Dora Bitz ein einziges, frei-
lich wieder sehr feines Damenbildniß, Josef Sattler
zwei Sächelchen, ein Todtentanzmotiv in altdeutscher, einen
Frauenkoxf in modern-symbolistischer Manier. Da haben
denn Philipp Franck und Lurt Permann mit Massen
ihrer Arbeiten aushelfen müssen. Beide haben damit eine
Art Opfer gebracht, denn weder die bizarre Skizzen-
kunst permann's, noch die eintönige Landschafterei Franck's
vertragen eine Zusanunenstellung so vieler Stücke. Franck
sagt überhaupt nicht sehr viel, er schildert trocken und sach-
lich und bleibt in Farbe und Stimmung matt. Permann
 
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