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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 4
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Ruhemann, Alfred: Ein neuer Schwarzkünstler: Cesare Biseo
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Stahl, Fritz; Thoma, Hans [Honoree]: Hans Thoma
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0071

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Nr.

Die Kunst-Palle. 8>-<--

in Italien betrieben wirb, glaubt man kaum. Nur drei
Bewerber traten auf, unter ihnen Biseo mit allen Fehlern
des Anfängers. Keiner der drei Konkurrenten erhielt den
Preis. Da machte unser Freund sich an das Studium,
ohne Vorkenntnisfe, nur mit der Sehnsucht im perzen, das
hohe Ziel zu erreichen. Auf seinem ersten Entwürfe wallt
der Nebel um dasselbe Gemäuer und verdeckt den Boden
mit dein fußhohen Grase und dem Gewirr gestürzter and
geborstener Marinorreste. Der Eindruck aber war zu kalt,
zu nordisch. Mit dem Nebel des ersten Bildes aber schwand
auch immer mehr die Unsicherheit des Künstlers. Er be-
gann sich zu erkennen, und bald wird man ihn kennen und
in einer Reihe mit unseren ersten Größen der Schwarz-
kunst nennen. Selbst seine Gegner, die Derren der König-
lichen Kupferstichanstalt, haben bereits die Segel gestrichen
und ehrlich Biseo's große Kunst bezeugt. Ich sah seine
nächsten Stiche — ebenfalls Vorwürfe vom Palatin, den
übrigens Piranesi nie dargestellt hat, weil zu seiner Zeit
die Schätze des Vügels noch unter einer bergenden Lrd-
krusie ruhten — in Gestalt von Tusch- und Federzeichnungen
und bezeuge gern, daß auch sie in der Auffassung charakte-
ristisch und poetisch emxfindungsvolle, abgetönte Gemälde
eines wahren Künstlers sind. Nun Biseo die Technik be-
herrscht, wird der zweite Stich nicht mehr lange auf sich
warten lassen.
Ich wünschte, ich könnte der „Kunst-Nalle" oft von
„Premieren" berichten, die eine so reine, innige Freude im
Schreiber erwecken, wie der erste Kupferstich Lesare
Biseo's. Aber leider sind wirklich schöne Meeresperlen
hier ungleich seltener als jene römischen Knnstperlen, die
alle so schön glatt und kugelrund ausschauen.


Vans Thoma.
Von Fritz Stahl.
ein paar beginnt schon zu ergrauen, aber aus
Antlitz des alternden Mannes schauen
uns groß und ernst die Augen eines ver-
träumten Knaben entgegen.
Pans Thoma's Kunst wurzelt in den: inneren
Erleben seiner Jugend. Was der stille Knabe em-
pfunden und ersonnen bat, das bat der reife Mann
gestaltet. Alles, was er später gesehen und erfahren
hat, im Leben und in der Kunst, ist spurlos an ihm
vorübergegangen, so weit es sich nicht in den Dienst
dieses Zweckes stellen ließ. Betrachtet man von
diesen: Standpunkt aus sein künstlerisches Schaffen, so
sieht man nicht mehr nur die Theile, man faßt das
geistige Band, das sie in: Innersten zusammenhält,
das diesem Schaffen seine Einheit und seine Einzig-
keit giebt.
Vielleicht haben zufällige Verhältnisse dazu bei-
getragen, daß sein Wesen diese Richtung nahm: er

hat bis zu seinem zwanzigsten Jahre in einem ent-
legenen Dörfchen des Schwarzwalds gelebt. An den
Zerstreuungen der Altersgenossen wird der begabte
Knabe kaum Vergnügen gefunden haben. So war
er auf sich selbst angewiesen. Einsam genoß er die
Reize der friedlichen Landschaft. Aber er fand nicht
lange Genügen an der Wirklichkeit, und die lebhafte
Phantasie begann ihre Arbeit. Dieses Schicksal ist
wohl nicht selten bei Künstlern, es könnte so manche
Biographie mit denselben Worten beginnen. Was
ihn unterscheidet von andern, ist eben, daß dieses
Leben bei ihm über die ganze Zeit der entscheidenden
Entwicklung fortdauerte, über dieselbe Zeit, in der
sonst tausend Eindrücke und tausend Einflüsse auf den
Jüngling zu wirken, um ihn zu kämpfen beginnen.
Er war eine Persönlichkeit, als er in die Welt trat,
und was seiner Eigenart nicht paßte, das fand keinen
Eingang in sein Inneres. Er brauchte nicht erst in
schweren Kämpfen um das höchste Gut der Erden-
kinder zu ringen, er hatte es unbewußt erworben.
Man geht wohl nicht fehl, wenn man in manchen
Bilderi: Thoma's Erinnerungen aus seiner Jugend
sieht. In den: Bübchen finde ich ihn, das voll
staunenden Entzückens an den Lippen der Ahne hängt,
die so wunderbare Geschichten zu sagen weiß, Abends
in: duftenden Gärtchen an: krause, wein: der Mond
über den Zaun guckt. Und in den: Knaben, der die
Ziegen hütet in: Waldesschattei: und die Schalmei
bläst. Und in den: anderen, der in Heller Mondnacht
draußen auf der Geige spielt und aus ihre:: Klängen
so ganz anderes heraushört, als was in den Note::
steht.
So war die Wirklichkeit. Aber gleich hinter den:
Zaun an: pofe hört sie auf. Das Feld dahinter,
durch welches das Bächlein fließt, und den Wald in
der Ferne, aus dem es herkommt, und von dessen
stillen Geheimnissen es mit seinen: Murmeln gar
lockend zu erzählen weiß, das Feld und den Wald
bewohnen die Feen und die Elfen, von denen die
Ahne erzählt. Die Menschen freilich sehen sie nicht,
die da arbeiten, aber er, er würde sie sehen,
wenn — —
Und nun beginnt die Phantasie tausend Mög-
lichkeiten zu ersinnen. Er sieht sich in tausend
Situationen in dieser Welt der Wunder. Alle Fesseln
des Alltagslebens fallen ab, er ist ein freies Natur-
geschöpf wie die da draußen. Er stählt den Körper
in: Spiel mit den: Bogen. Er reitet ein muthiges
Noß. Er stillt den Durst an der (puelle, an der ein
schönes Mädchen sitzt, Blumen in den pänden, die er
ihr gepflückt. Er heischt Eingang in den Liebes-
garten, den ein gewappneter Ritter bewacht. Er
zieht selbst als Ritter, als pelfer der Schwachen, durch
die Welt, und während er im Walde schläft, schmückt
ihn eine holde Prinzessin mit Erika.
» §
 
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