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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 8
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Ernst von der Isar: Der historische Graf Schack
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Zimmern, Helen: Leonardo Bistolfi
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Nr. 8

-—ö Die Runst-Halle. g—-

U7

brauchte, sehr-sparsam. Und dagegen gab es
kein Mittel. Selbst da noch, als er schon in dem
Nus als Mäzen einen Ersatz für den versagten Nuhn:
als Dichter sah, war er nicht zu bewegen, auch nur
mittelmäßige Preise zu zahlen, Lenbach, der für ihn
in Italien kopirte, bekam für das ganze Jahr tausend
Gulden. Aber auch Böcklin, Schwind und die anderen
haben geradezu gefrohndet, mir nur zu leben. Und
dabei mußten sie die Stunden und Stunden langen
Diskussionen in der Galerie noch auf sich nehmen,
denn natürlich hielt sich der zahlungsfähige Sammler
sehr schnell für einen urtheilsfähigen Renner. Die
trauernde Frau am Meer mußte Böcklin in anderer
Stimmung noch einmal malen: das war auch die
Folge einer solchen Debatte.
So war Graf Schack. Seine Sammlung übrigens
zeigt ja deutlich genug, daß nichts in dieser Charakte-
ristik übertrieben ist. Hängt doch neben den unsterb-
lichen Meisterwerken unserer Größten gleichberechtigt
in ihr der erbärmlichste Schund.
Aber war auch das Mäzenatenthum des Grafen
nur eine Farce, so schuf es doch mittelbar manch
herrlichen Erfolg: es hat einigen großen Rünstlern
die Möglichkeit des Schaffens, der Nachwelt eine
Sammlung ihrer Merke, die einzige seiner Zeit, ge-
geben. So kommt man zu keinem reinen Empfinden:
in die Freude über das, was geschaffen ist, mischt sich
brennende Scham, durch welche Mittel es geschaffen
werden mußte. Im Volke der Dichter und Denker
fand sich Niemand als ein eitler Nichtversteher, um
seine besten Meister vor den: Verhungern zu schützen.
„Er bezahlte elende Preise", sagt Lienbach, „aber er
war der Einzige, der überhaupt etwas bezahlte". —
Märe es nun aus Dankbarkeit nicht geboten,
die Liegende ruhig fortbestehen zu lassen? Ich glaube
keineswegs. Die Wahrheit muß in solchen Dingen
bekannt werden, denn die Wahrheit giebt Lehren.
Es ist ja wohl unmöglich zu glauben, daß ein
glückliches Spiel des Zufalls alle großen Talente der
Zeit dem Grafen Schack zuführte. Es wird wohl
noch mehr gegeben haben, deren Gaben auch ein
kärglicher Sonnenblick gereift hätte. Sie sind unter-
gegangen. Von einem Ebenbürtigen wissen wir's,
von Victor Müller. Fritz Stahl hat jüngst in
dieser Zeitschrift darauf hingewiesen, wie wichtig
materielle Fragen für die Entwicklung der Runst sind.
Hier ist ein neuer Beweis dafür. Auch ein Genie
wie Böcklin wäre zu Grunde gegangen, hätte er den
Dienst verachtet, der oft genug demüthigend war.
Er wäre einfach verhungert. Und andererseits hat
der Dienst seiner Runst nichts geschadet: er war ge-
bunden, seine Werke waren frei.
Der Lehre für die Rünstler steht die Lehre für
die Kunstfreunde zur Seite. Die Zahl der Talente
ist fast in jeder Epoche gleich. Es hängt nur von
den Anderen ab, ob man sie sich entwickeln oder ob
nian sie verkümmern läßt.

Ist's denn heute damit viel besser als damals?
Ist's nicht schon wieder so weit, daß man der deutschen
jungen Runst trotz allem wieder einen Grafen Schack
wünschen möchte? Oder lieber gleich mehrere.


Leonardo Vistolfr.
Von Helen Zimmern - Florenz.

war E gastlichen Tisch des Professors Lesare
Lombroso, wo ich vor einigen Monaten den
Turiner Bildhauer Leonardo Bistolfi
kennen lernte, dessen Name jenseits der Alpen noch
wenig bekannt sein dürfte. Bei der Unterhaltung
ging nur aus seinen geistvollen und poetischen Aeuße-
rungen hervor, daß in dem zarten Rörper dieses
jungen Mannes mit den: feinen Antlitz und den
sinnenden dunklen Augen die Seele eines Denkers
wohnt. Der Wunsch regte sich in mir, mich mit dem
Schaffen dieses Rünstlers bekannt zu machen, und ich
war daher sehr erfreut, als Lombroso sich erbot, mich
in Bistolfi's Atelier zu führen. Auf interessante Ein-
drücke war ich vorbereitet, aber nicht auf eine künst-
lerische Begabung von so erlesener (Qualität und
Eigenart, wie ich sie dort offenbart fand. Von
einen: durchaus nicht vielversprechenden Hause einer
erst in: Werden begriffenen Turiner Vorstadt aus be-
träte,: wir einen kleinen ungepflegten Garten, vor
dessen Mauer ich eine überlebensgroße sitzende Figur
aufgerichtet sah, die in dieser räumlich beschränkten
Umgebung den Eindruck machte, als ob sie direkt in
den Himmel hineinrage.
„Und dies?" fragte ich staunend.
„Dies ist Bistolfi's , Sphinx^, sein Hauptwerk,
warten Sie, bis er es Ihnen selbst erklären wird."
Jetzt kam er auch schon . . . Und hier seine Er-
klärung :
„Den: Werke lag ursprünglich die Idee zu
Grunde, den Tod — Uu Norts — symbolisch darzu-
stellen, und zwar für uns moderne Menschen, die wir,
ohne uns vor den Höllenqualen der ewigen Ver-
dammniß zu ängstigen, doch der großen unlösbaren
Frage des Unendlichen gegenüber eine gewisse Bangig-
keit empfinden. Unter dem Einfluß dieser Auffassung
wurde die Statue des Todes zur Sphinx, als welche
sie zuerst Andere bezeichneten. Und so nenne ich selbst
sie nun auch. Das Monument soll die Sehnsucht
nach der makellosen Reinheit, der Ruhe und Har-
monie des Weltalls verkörpern. Allerdings mahnen
die leicht gekrampften Hände noch an menschliche
Leiden und Sorgen; der Ropf dahingegen, der schon
vom Azur umleuchtet erscheint, zeigt nicht mehr den
 
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