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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 21
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Seidl, Arthur: Von der Dresdner Gewerbe-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0376

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328

Die K u n st - H a l l e.

Nr. 2 s

einen Zweck, den einen Punkt gerichtet. Die Figur
ist in Lebensgröße. Hoffentlich giebt uns Levi nun
auch die geistig bedeutenden Werke, auf die seine
Entwürfe hoffen ließen. Levin schildert zwei „strei-
tende Knaben", in denen namentlich das jugendlich
Herbe und Spröde der Formen mit feiner Empfindung
gegeben ist.
Lilli Finzelberg hat für das schwerste Problem
der modernen religiösen Kunst eine sehr annehmbare
Lösung gefunden: sie giebt einen Ehristuskopf, in dem
sich mit der größten Einfachheit der Züge und tiefem
Ausdruck große Vornehmheit verbindet. Hugo Le-
derer hat ein wenig umfangreiches Bronzerelief für
das Grab des Bildhauers Otto geschaffen, das sehr
eigenartig und wirkungsvoll ist: in der Mitte ist das
Bildniß des Meisters, auf den: Nahmen steht rechts
die Muse, die dem links herantretenden Genius des
Todes mit einer Geberde der Trauer die Werkzeuge
des Verblichenen überreicht.
Bemerkenswerth sind dann noch die Arbeiten
Nikolaus Geiger's. Die „Versuchung" verkörpert
er in einem Weibe, der die Schlange lockende Worte
zufiüstert und die bebend mit der fremden Lockung
und dem eigenen Verlangen nun kämpft. Die Figur
ist fast skizzenhaft breit gemacht. Zn der Gruppe
„Nach dem Sündenfall" giebt er wie Breuer in der
Vertreibung eine moderne Lösung des alten Motivs:
wie aus Scham und Neue in Mann und Weib nach
dem Falle eine Trennung, fast ein Gegensatz entsteht.
Adam sitzt auf einem Felsen, den Kopf in die Hände
vergraben, Eva liegt vor ihm am Boden: namentlich
der Körper der Frau ist von großer Schönheit. Die
Nationalgallerie läßt die Gruppe für sich ausführen,
hoffentlich in Lebensgröße, wie es das Werk ver-
langt. Zwei Sachen von Nechtritz, die „Zeit", ein
Weib auf einem Sphinxkopf, und ein Brunnen sind
hübsch in der Idee, leiden aber unter kleinlicher und
trockner Formengebung. Neber kleinere Arbeiten muß
ich leider hier hinweggehen, trotzdem noch manche
interessiren, wie die trefflichen Büsten von H. Mag-
nussen und M. Schauß.
Ein Werk, das wesentlich wegen der Neuheit
der Arbeit uud der dekorativen Verwendbarkeit inter-
essirt, ist Max Kruse-Lietzenburg's „Schweißtuch
der hl. Veronika". Die Aufstellung giebt keinen rechten
Begriff von dein, was hier gewollt und erreicht ist.
Das Stück ist nach außen hin ein vollständiges Relief,
das sich in nichts von dem üblichen unterscheidet,
nach innen dagegen wirkt es durch die eigenthümliche
Bearbeitung der Rückseite, die den Marmor für Licht
durchlässig macht, wie ein Bild, mit etwas visionärem
Charakter. Der Natur der Sache nach wird ein
solches Relief in Architekturen oft gute Anwendung
finden können, namentlich für Friese, Kuppeln, für
Grabdenkmäler u. s. w., wo es nach außen und innen
zugleich schmückt. Zn Znnenräumen kann es wie hier
durch elektrisches Licht an der Neliefseite zur Wirkung

gebracht werden. Da auch, wie dieses Werk zeigt,
die Polychromie des Reliefs im Bilde mitwirkt, so
können Dekorationen in den verschiedensten Stimmungen
hergestellt werden, z. B. auch für Festsäle. Man darf
begierig sein, wie sich die Architekten dieser Erfindung
gegenüber verhalten.
Unter den übrigen Deutschen steht obenan der
Breslauer Christian Behrens. Er hat zwei
große Neliefplatten gesandt, die für ein Grabmal be-
stimmt sind. Auf den ersten Blick fällt die Anlehnung
an die englischen Präraphaeliten in's Auge: so setzt
Walter Crane seine Frauengestalten in einen gegebenen
Naum. Aber in diesem Erlernten besteht nicht das
Wesentliche des Werks: das ist vielmehr die fabel-
hafte Wucht der Formen, die geradezu an Michel-
angelo geinahnt. Namentlich überraschend und er-
greifend ist die Gestalt der linken Seite, in der der
Künstler die grause Nothwendigkeit des Todes ver-
sinnlicht. Dieser unaufhaltsame, eherne, zernichtende
Schritt ist wunderbar geschildert. Man darf sich von
Diesem großer Dinge versehn.
Karlsruhe, Düsseldorf und Weinrar fallen hier
ganz aus. Dresden giebt in Erich Hösel ein
frisches und kräftiges Talent: nr seinem „hunnischen
Neiter" ist ein zuckendes Leben, ein blitzschnelles und
scharfes Erfassen einer charakteristischen Bewegung,
Eigenschaften, die ihn über die faden Arbeiten nach
dem Modell nur ein Bedeutendes emporheben. Von
den Münchenern, die noch weniger ein Bild der
Plastik geben, wie die Maler ein Bild der Malerei,
erwähne ich Balth. Schmidt's naive und fromme
„Madonna" in Holz, Hudler's brillantes, vielfarbig
behandeltes Herrenbildniß und eine Doppelbüste von
H. Hahn. H. Gbrist, der als Sticker kürzlich auch
hier Triumphe feierte, sandte einen interessanten
Brunnen „Llfenschreck". An der hochaufsteigcnden
Rückwand wachsen phantastische Bronzeblumen her-
auf: zwischen ihnen in einer Grotte liegt die gekrönte
Schlange des Märchens. Auf der niederen Brüstung
vorn ist ein Bär dargestellt, der brummend aus seiner
Höhle kriecht und durch sein Erscheinen eine Schaar
von Elfen und Elfenkindern in jähe Flucht scheucht.
Die reizend erfundenen und trotz einiger verfehlter
Proportionen auch reizend gezeichneten kleinen Figür-
chen sind bis in's Kleinste und ganz auf die Wirkung
von nahe durchgeführt, sie lösen sich stellenweise fast
ganz von: Grunde. Die Art erinnert an spätantike
Sarkophage.
Von der Dresdener Gewerbe-
Nusstellung.
Von Vr. Arthur Seidl.
d^ei der zusehends wachsenden Ausstellungs-Industrie,
'-E' die schon in diesem Zahre allerhand Krach nach sich
gezogen hat, und im nächsten Zahre vollends zu einer
 
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