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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 2
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Ruhemann, Alfred: Römischer Kunstbrief: die Staatspensionäre
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Aus dem Salon Gurlitt
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26

Die K u n st - H a l l e.

Nr. 2

Augenblick verloren, dein Staate sozusagen keinen Soldo ge-
stohlen zu haben scheinen.
Ich kann nicht anders — und das Gutachten des
Ministeriums selbst hat mir Recht gegeben — aber ich
muß, bei den beiden Malern der intimen Ausstellung im
„Hufeisen", den frischen, impressionistischen Porträtstudien
und Akten des jungen Römers Arturo Toro mal di, der
zudem erst ein Jahr Pensionär ist, durchaus den Vorzug
geben. Ich bitte sehr, sich diesen Namen in das Gedächtniß
zu schreiben! Wohl mischt sich in dein außerordentlichen
Fleiß dieses Künstlers noch die Flüchtigkeit in der Zeich-
nung, aber im Kolorit und in den Linien, welche Kraft,
welcher Reichthum, welche Plastik! viligiardi, der zweite
der Stipendiaten des Malfaches, ist ihm trotzdem kein un-
ebenbürtiger Genosse, nur hat er seinen Weg noch nicht
erkannt. Er hat während der vier Jahre seines Pensionär-
thums in Genre, Allegorie, Architektur und auch in jeder
Maltechnik gearbeitet. Das ausgestellte fertige Gemälde
„Das Leben" zeugt von poetischer Auffassung und einem
gewissen, kecken Realismus in den Farben und der Kom-
position, die in den: Künstler schon jetzt einen starken
Genremaler erkennen lassen, wenn er sich nicht schließlich
doch noch zur Architekturmalerei bekennt, wobei er gleich-
zeitig seiner väterlichen Provinz Siena alle Schönheiten ab-
lauscht. von den beiden Bildhauern hat Fontana seine
vier Jahre vollendet und geht trotz einiger ihm noch an-
haftender Schwächen der Ueberlieferung als fertiger Meister
der realistischen, malerischen Auffassung in der Plastik aus
dem Institut hervor. Seine Statue des Christus, der die
Schächer aus den: Tempel jagt, besitzt Züge, namentlich in
den Handpartien, in der Haltung, in der Auffassung, die
sofort den denkenden Künstler verrathen. Iollo, ein ein-
jähriger Stipendiat, hat reizende kleine Köpschen ansgestellt,
die aber den späteren Werth oder Unwerth des Künstlers
noch nicht erkennen lassen. Der Entwurf eines Denkmals
für die Gebrüder Bandiera, die im Kampfe gegen Rom
fielen, ist geradezu mißglückt, von den Architekten schließ-
lich hat Sabatini, ebenfalls Stipendiat im ersten Jahre,
nur Studien von Dcckenornamenten aus der Kirche San
Paolo und anderen Kirchen in Rom und Subiaco ausge-
stellt. Pier Glinto Armanini aber, der soeben das
Institut verläßt, ist geradezu eine Errungenschaft in dieser
kunstdürren Zeit. Die Regierung hatte ihn: die Unter-
suchung der organischen Unterbauten des Pantheons anver-
traut, ferner die Entwürfe zur Restaurirung der pracht-
vollen Kathedrale von Nardo, im Gebiete von Mtranto,
jenes Wunderbaues aus nornmnnisch-schwäbischen Zeiten,
der durch spätere thörichte An- und Umbauten so verkleidet
worden ist, daß man soeben das ganze Bauwerk vernichten
wollte, ohne zu ahnen, welch ein unvergleichlicher, archi-
tektonischer Schatz sich hinter den jetzigen Manern und in
den jetzigen Pfeilern barg. Das Werk der Vernichtung ist
eingestellt worden und der Neubau wird nach den Plänen
des jungen Staatspensionärs Armanini vollzogen werden,
der fast einen Saal voller Studien für diesen Neubau aus-
gestellt hat; sie zeugen von der großen Begabung desselben
für geschichtliche und archäologische Architektur. Auch seine
Ermittlung der sogenannten Unterbauten des Pantheon hat
zu Feststellungen geführt, welchen die archäologische Wissen-
schaft bisher nur tastend und unsicher nachgegangen ist.
Das Ministerium wird diese beiden großen Arbeiten des
Armanini noch besonders veröffentlichen. Die Leistungen
dieses vielversprechenden Architekten beweisen schlagend,

welch' hohen und praktischen Werth die Stiftung dieses
Stipendiatenthums für die Kunst in Italien hat. Möge
nach weiteren zwei Jahren von ihnen ebenso Erfreuliches
zu berichten sein.
Ronn Alfred Ruhemann.


Aus dem Salon Gurlitt.

ie Herbstausstellung im Salou Gurlitt bat einen
ganz eigenartigen Charakter. Sie macht, wenn
man von wenigen Stücken absieht, den Eindruck
einer Sammlung, die ein Mann von erlesenstem Ge-
schmack für sich zusanunengebracht hat. Es überkommt
einen in diesen Räumen eine wohlige Behaglichkeit,
eine Stimmung, die sonst moderne Ausstellungen am
wenigsten in uns wecken: da ist nichts, was zu auf-
geregter Bewunderung hinreißt, aber alles lockt zu
vertieftem Gemeßen.
Die ersten Meister Deutschlands haben sich hier
ein Stelldichein gegeben. Und wenn sie auch nicht
mit ersten Werken vertreten sind, so sind doch die
meisten bezeichnend und alle reizvoll.
In Böcklin's „altrömischer Bacchusfest-Orgie"
überschlägt sich sein grotesker Humor wie eiust in
seiner badenden Susanne. Es wirkt fast wie eine
Travestie, und ich halte es nicht für unmöglich, daß
ein absichtlicher Gegensatz zu den gebildeten und
glatten Schilderungen berühmter Modemaler den
Meister getrieben hat, diese tolle Orgie von karrikirt
häßlichen Menschen feiern zu lassen. Das würde auch
erklären, daß er den: Bilde nicht mehr Arbeit gewidmet
hat, als nöthig war, den Witz herauszubringen. In
der Lebensfülle der Gestalten und in mancher Einzel-
heit erkennt man aber doch die Klaue des Löwen.
Hans Thoma hat das Thema von: „Liebesgarten",
von dessen geharnischten: Wächter ein nackter Jüng-
ling Eintritt fordert, neu variirt. Größeres Interesse
als diese Wiederholung heischt ein Selbstporträt in
Lithographie. Der Meister und seine Frankfurter
Freunde haben diese fast aufgegebene Technik, die von
allen wiedergebenden am meisten die Eigenart der
Handzeichnung wahrt, mit Glück wieder ausgenommen.
Thoma entwickelt hier eine Größe und Kraft, die
zeigt, daß er, auch wenn er sich nicht in den Formen
an sie anlehnt, von dem Geist der alten deutschen
Meister erfüllt ist.
von Franz Lenbach finden wir neben dem
Pastellporträt der Frau Sanderson ein Kinderbildniß
in Gel. Es ist eines jener seltene:: Werke, die der
Meister völlig durchgeführt hat. Er verschmäht soust
diese malerischen Finessen in: Einzelnen zu Gunsten
der Gesammtwirkung und besonders zu Guusten der
charakteristischen Köpfe, die er giebt. Bei diesen:
 
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