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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 16
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Feld, Otto: Der Salon der Champs-Elysées
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Imhof, Franz: Die Berliner Gewerbeausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0286

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2F8

H Die K u n st - H a l l e. --

Nr. s6

er ist sogar ein malerisches Talent, sein „Ritter unter
Blumen" im Luxembourg beweist es. Was erzählt er uns
nun hier auf dieser mächtigen Fläche: daß die Menschen
Unrecht daran thun in hastigem, rücksichtslosem Streben der
Illusion und dem Traum nachzujagen. Ach du lieber Gott!
Wie neu, wie wahr, wie — billig! Und dazu so viel Gel-
farbe! — Ueber die Dächer der Stadt, über die rauchenden
Schornsteine erhebt sich ein mächtiger Fels gegen den
dunkeln Nachthimmel, an dem zwei leuchtende Frauen-
gestalten schweben. Tine rücksichtslos sich drängende Menge
strebt den Hügel hinan. Mit ausgestrecktem Arm scheinen
sie alle jene beiden Gestalten (Illusion und Traum?) er-
reichen zu wollen: die Männer und Frauen, Herren in
schwarzem Frack und weißer Binde oder im Lylinderhut und
Winterüberzieher, Männer in blauer Bloufe, Frauen im
eleganten Ballkleid, alle Altersklassen, alle Stände, alle Be-
rufsarten. Lin paar (Liebespaar?), im Fallen noch sich
umschlungen haltend, ist hinabgestürzt. Alles hastet und
drängt und schiebt sich und Alles ist lebensgroß und im
Ton schwarz und schwer. — weniger geistreich, aber auf
noch größerer Leinwand, erzählt M. Tattegrain eine Epi-
sode aus der Belagerung von Lhateau-Gaillard durch
Philippe Auguste. Die schwer bedrängte Stadt, Seren
Mauern in das Bild noch hineinragen, hat sich der
„dmmüos iuutil68^ entledigt. Von Krankheiten, Entbehr-
ungen, Hunger zur Verzweiflung getrieben, stürzen sich die
unglücklichen Ausgetriebenen auf die Leichen, die am Wege
liegen und reißen mit den Händen das blutige Fleisch von
den Körpern. Ringsum Krüppel, Elende, Leichen, mächtige
Blutlachen auf dem weißen Schnee! Im Hintergrund eine
trefflich gemalte Winterlandschaft. — Trigoulet bringt
einen „Olmmin äs la mort." Luyten seinen von verschie-
denen großen Ausstellungen her bekannten Putte pour la
vw." An dem üblichen Arenabild, an den üblichen Hamil-
karn und Germanikuffen fehlt's natürlich auch nicht. Die
Beschreibung derselben kann ich mir dreist ersparen. Sie
haben dergleichen schon gesehen, auch wenn sie gerade diese
Bilder nicht gesehen haben. Dagegen müssen wir uns noch
einen Augenblick über das Bild des Geistreichsten unter den
Geistreichen in dem Salon unterhalten, über p'lnununitk^
von M. Pelez. An dem sauber gehackten Kiesweg einer
öffentlichen Promenade sitzen und stehen vor einer grünen
Rasenfläche, die von Gebüsch begrenzt ist, zahlreiche Men»
schcn. Ganz links ein paar alte bleiche vergrämte Weiber,
ein Arbeiter, der einen Arm in der Binde trägt, ein paar
verhungerte Frauen, die ihren Kindern die magere Brust
reichen und nach zwei fetten, geputzten Aminen hinschielen,
die derselben Pflicht obliegen. Einige reiche Bürgersfrauen
die verächtlich einer vorüberwandelnden Kokotte nachblicken,
vorn einige Kinder, eine Puppe, dazwischen ein gefährlich
ausfeheudes Individuum und ganz rechts gemächlich
schnarchend auf dem eisernen Gartenstuhl ein behäbig dicker
Herr. In der Mitte des Bildes, zwischen den beiden Beeten,
erhebt sich ein Kruzifix daran halb wie eine Vision, halb
Wirklichkeit — Lhristus. Hinten entfernt sich eine Figur,
von der man nur die Hälfte sieht, und außerdem fliegt noch
ein rother Kinderluftballon umher. Das Ganze ist mit
einer gesuchten Einfachheit eigentlich nur in Lokaltönen
hart gemalt, die Farben sind schreiend bunt. Man soll sich
wahrscheinlich dabei etwas denken. Ich bedauere unend-
lich! — Außerdem giebt's natürlich noch einige gemalte
Hospitalszenen, Bildhauer-Ateliers u. s. w. trefflich gemacht

und — die Schilderung einer Entbindung. — — Akte
natürlich in Masse!
Die Landschaft ist auffallend schwach hier vertreten, im
Gegensatz zum Lhamp de Mars. Normann-Berlin mit
den bekannten Eigenschaften in einer „Sommernacht in den
Lofoten" und einem „Hafen in den Lofoten", Flahaut mit
zwei feinen stimmungsvollen Bildern, Langlois mit einem
„Augustnachmittag" sonnig und kräftig und schön, Dubois'
schöne Winterstimmung u. s. w. sind wohl die er-
wähnenswerthesten. weder von den Landschaften noch von
den Skulpturen empfangen wir einen besonderen Eindruck,
so zahlreich letztere sind — fast 800 Nummern. Aufgefallen
sind mir nur hier die beiden sehr gut komponirten nach
oben strebenden Figuren von Roger-Bloche „Daus los
mraZ-esI eine kräftige Frauengestalt in starker Bewegung,
tempete" von Lärche, ein sehr schöner Akt von Bastet,
„V6UU8 au myrts" und natürlich auch Falgnisre's ,,Vg.n-
86U8o", von der Paris seit Wochen spricht, weil eine jener
bekannten „Künstlerinnen" Mlle. de Morode (die Erfinderin
jener die Ghren verbergenden Haartracht) zu dem wer?
Modell gestanden hat. Das ist aber auch das Einzige, was
man der Arbeit Gutes nachsagen kann. Uebrigens hätte
ich aus der eleganten Equipage und den eleganten Kleidern
Mlle. Merode's geschloffen, daß sie einen besseren Akt habe.
Nichts Nennenswerthes unter den Zeichnungen, Litho-
graphien, Radirungen u. s. w. In der kunstgewerblichen
Abtheilung eine herrliche Vase von Bussisre. Köstliche
Goldschmiedearbeiten von Reno Laligue, und eine wunder-
volle Spitzendecke, deren Autor ich nicht ermitteln konnte.
Ach, wie wohl thut es nach so viel handwerklicher Kunst
hier vor so echt künstlerischem Handwerk sich zu erfrischen.

Die Berliner Gewerbenusstellung.
von Franz Imhof.

iegt da in der östlichen Umgebung Berlins eine
von stolzer Wasserfläche begrenzte Gartenland-
schäft, von der Ausdehnung einer ansehnlichen
deutschen Mittelstadt, und Niemand auswärts hat
davon auch nur eine Ahnung gehabt. Wir Nicht-
Spreeathener sahen nämlich bisher in unserem Geiste
dort schwarze Fabrikschlote rauchen, eine dürre, dürftige
Erde, eine halb verwahrloste Bevölkerung, die sich
nur zwischen Nixdorf und Nummelsburg wohlsühlt
und ihre Erholung im „Schlesischen Busch" findet,
den der Volksmund „Berliner Abruzzen" getauft hat.
So dachten wir bis vor Kurzem. Und nun hat hier
die Zaubermacht der reichshauptstädtischen Kultur
ein Stelldichein geschaffen von Allem, was da gut,
nützlich und schön ist. Noch dazu hat der park von
Treptow, dieses Werk des seligen Gartendirektors
Gustav Meyer, eines Schülers Lennes, die Gewerbe-
ausstellung so unvergleichlich reizvoll gemacht. Die
Ausstellung wiederum hat die Ehre dieses verketzerten
Ostens vor aller Welt glänzend rehabilitirt.
 
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