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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 13
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Berger, Rud.: Die Ausstellung der Münchener "Sezession"
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Herr Richard Muther als Goethe-Forscher
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0232

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200

->-H Die Nun st-Halle.

Nr. f3

punkt liegt unseres Erachtens in den Jahren
l888—s89O. Eines der ausgestellten Bilder, „pflügen"
betitelt, kennzeichnet dies. Von diesem Zeitpunkt an
drängte sich sein Manierismus in Technik und Farben-
stimmung stärker hervor, wie seine „Alpenweiden"
I893) und „Frühlingsweide" (opsru ultima) bezeugen,
die eine allzu einförmige Führung des Pinsels er-
kennen lassen. Dagegen ist seine Winterlandschaft
„Rückkehr vom Walde" (f8s)0) ein Meisterstück.
3^ Zeichnungen vervollständigen das Bild, welches
die Gelbilder Giovanni Eegantini's bereits geben.
Auch hier drücken sich des Künstlers seltsame Theorien
in der Führung des Bleies, der Kohle aus. Daß der
Künstler auch Humorist ist, hat uns erst seine Zeich-
nung „Winter im Engadin" belehrt. Des Künstlers
Selbstporträt zeigt eine interessante Individualität, die
in München zum ersten Male erschöpfend durch die
vorstehende Kollektivsammlung zum Verständniß des
Publikums gebracht worden ist.
Eine ebenso eigenartige Künstlererscheinung ist
die des Liverpooler Zeichners Walter Trane. Sein
Verdienst liegt zunächst bekanntlich in der dekorativen
Kunst, der er Gleichberechtigung mit der Gelmalerei und
den Marmorwerken zu erstreben versucht hat. Die
hiesige Kollektivsammlung konnte gerade in dieser
Richtung nicht erschöpfend sein, da ja dekorative
Werke von ihrem Besitzer noch weit schwerer zu er-
langen sind, als Kunstwerke höherer Gattung. Allein
wenn auch jene Glasfenster, jene Stickereien u. a.,
die nach feinen Entwürfen gefertigt wurden, hier-
orts fehlen, so lassen doch schon die vorhandenen
Stücke, insbesondere seine Zeichnungen für Tapeten,
den epochemachenden Einfluß w. Trane's erkennen.
Auch als Maler hat er sich Stellung und Einfluß zu
erobern verstanden, doch nicht die großen Erfolge des
Dekorateurs. Walter Trane ist zu sehr Stilist, um
auf rein malerischem Gebiete allgemein Gültiges
zu schaffen. Sein künstlerisches Uebergewicht, zumal
in Deutschland, wird stets seine zeichnerische Kunst
bleiben, mit der er sich auch hier so schnell ein-
geführt hat.
Eine völlig einsame Erscheinung ist — wie bei
seinem ersten Erscheinen im Glaspalaste — noch immer
der holländische Symbolist Ian Toorop sowohl mit
seinen Zeichnungen als mit seinen geistig gleichartigen
Gelgemälden.
Noch wäre eine Reihe hervorragender Künstler
wie Bössenroth, Hölzel, Keller, Wiesinger-Florian,
Zügel, ein nachträglich eingelaufenes Kinderportrait
von Uhde, graphische Werke von Burger, Fritz u. a.
zu nennen, um die Aufzeichnung statistisch zu er-
gänzen. . . Endlich ist auch des einzigen Bildhauer-
werkes, das deshalb die Harmonie der Ausstellung
einigermaßen stört, zu gedenken: es ist eine weibliche
Figur zu einem Grabdenkmal in Marmor von Dittler.
Trotz eleganter Technik und poetischen Reizes, trotz

edler Auffassung und Linienführung vermag es für
den Ausfall weiterer Bildhauerwerke doch nicht völlig
Zu entschädigen.

Herr Richard Muther als Goethe-
Forscher.
g6Kerr Richard Muther, ordentlicher Professor der
Kunstgeschichte an der Breslauer Universität, ist nicht
nur Verfasser einer dreibändigen Malereigeschichte, er ist seit
Kurzem auch Goethe-Forscher. Es macht sich das bei
seiner eigenartigen Arbeitsmethode, von welcher unten noch
weiter die Rede sein wird, gewissermaßen über Nacht. Wir
hatten schon früher einmal auszusprechen gewagt, daß sein
schnell verblühender Ruhm von einer presse gemacht wurde,
die jedem erfolgreichen Tagesgötzen, jeder ephemeren Größe
kritiklos zu huldigen pflegt. An persönlichen Bemühungen
des Derrn hat es freilich hierzu nicht gefehlt, ja, wir
wetten, daß so ziemlich alle sich mit Kunstkritik befassenden
jüngeren Schriftsteller Europas vor ungefähr drei Jahren
aus der Münchener Pinakothek datirte Briefe erhielten,
die wohl demjenigen glichen, welchen I)r. Theodor
volbehr, Direktor des städtischen Museum zu Magdeburg,
zu veröffentlichen sich jetzt gezwungen sieht*):
„Sehr geehrter Herr Doktor!
Ihre rc. läßt mich hoffen, daß Sie auch für meine eben
erscheinende „Geschichte der modernen Malerei"
einiges Interesse haben werden, und ich erlaube mir daher,
sie Ihnen zuzuschicken mit der ergebenen Bitte: Sie
möchten für irgend ein Ihnen offen stehendes
Blatt eine kleine Besprechung schreiben. Sie können sich
ja denken, wie riskirt ein solches Buch ist und wie es
namentlich von den „alten Herren" angefeindet werden
wird. Deshalb würde ich mich um so mehr freuen, wenn
die „Jungen" eine Lanze für mich einlegten . . .
Mit vielen Grüßen
Ihr ganz ergebener
Vr. R. Muther."
Nan mißverstehe uns nicht. Wir entrüsten uns über
jenen allzuregen Eifer des klugen Briefschreibers keineswegs,
der nicht umsonst Freund und Schüler eines reklamelustigen
Münchener Kunstverlegers ist. Auch wenn wir dergleichen
bei einem Gelehrten nicht zu billigen vermögen.
Unlängst hatte auch der Vorstand eines hiesigen Kunst-
vereins von seiner Schätzung des vielgerühmten Herrn
Zeugniß ablegen wollen und rief ihn herbei, damit er bei
uns über „Das geschichtlich Schöne in seinen Gegensätzen"
sich tiefsinnig ergehe uud den Berliner Malern, diesen
poesielosen, subalterner! Leuten, wieder mal gründlich in's
böse Gewissen rede. Ein zum Vortrag begeistert geeilter
Reporter schrieb in einem Tageblatte über den Verfechter
des modernen Impressionismus: er habe mit „fast maleri-
scher Deutlichkeit" über alle Kunstfragen gesprochen,
während die Freunde des „dreibändigen Autors" versicherten,
er habe eigentlich nichts gesagt, was nicht Jedermann schon
lange gewußt.

I vgl. die „Bücherschau" Nr. 5.
 
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