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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 23
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Kock, Paul de: Gepflückte Wahrheiten: wer macht die Kunst?
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Basedow, Hans von: Anhaltische Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0411

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Nr. 23

->-«S Die Kunst-Halle.

359

Aber wenn wir jetzt über ein neues Thema schwatzten,
wäre das für mich sehr viel unterhaltender."
Der junge Künstler blickte mich erstaunt, höchst über-
rascht an, als wenn er meinen Worten nicht traute. Dann
schmollte er und ließ den ganzen Tag über keinen Laut
mehr hören, als wolle er damit sagen: „wenn Sie nicht
wünschen, daß ich Sie über mich unterhalte, was soll denn
sonst gesprochen werden."
Paul de Rock.
AnhaMsche Kunst.
von Hans von Basedow, Dessau.
icht uninteressant ist es, die Kunstleistungen
kleinerer Länder in Gruppen zu vereinigen,
denn so vermag man oft überraschend scharf


die Einwirkungen des Milieus kennen zu lernen. Man
spricht von Karlsruher, Düsseldorfer, Weimarer
Schule — das sind also Orte, an denen eine wirk-
liche Schule großgezogen wird. Mm: spricht von
einer Worpsweder, von einer Spreewald-, von einer
Dachauer Gruppe — da ist aber die Natur Schule,
und ich meine, eine Schule, die die patentirte Schule
bei Weitem übertrifft. So kann man auch von einer
Anhaltischen Gruppe reden — denn die anhaltischen
Landschafter, mögen sie auch über die Welt zerstreut
sein, können das anhaltische Milieu nicht verleugnen.
Und aus einer Gruppe entwickelt sich leicht eine
Schule, eine direkte oder indirekte. Worpswede zeigt
das — es wäre nicht nur nicht von Uebel, sondern
sür die Landschafterei sogar ein Gewinn, wen,: dem
in Anhalt auch so wäre. Dessau besonders ist für
Landschafter ein Ort, wie man ihn selten findet, die
Umgegend bietet eine Fülle voll Motiven — die an-
haltischen Eichen sind ja weltberühmt — dann die
Wälder mit ihren Sümpfen und Gewässern, die Ufer
der Elbe, die Haide — man ahnt nicht, welche Fülle
von Anregung die Natur dem Landschafter hier
bietet. Ich wünschte nur, daß diese Anregung mehr
ausgebeutet werde — und rufe allen reifen und
strebenden Landschaftern zu: kommt und seht selbst.
Ich bin überzeugt, Ihr werdet nicht so bald wieder
gehen! Uebrigens bemerke ich, daß ich zu jeder Aus-
kunft gern bereit bin und betone nochmals: Niemand
wird bereueu, hier die Natur studirt zu haben.
Zu derlei Betrachtungeil gab die kleine Gruppe
Landschafter Anlaß, die sich in Dessau vereinigt hatte
gelegentlich der Allgemeinen Kunstausstellung zum
Negierungs-Jubiläum des Herzogs. Es sind Persön-
lichkeiten unter dieseil Landschaftern, so Oskar Leu-
Leoni, O. Krüger, Friedrich von Loen, Paul Jacoby,
dann Paul Wernecke, G. Diemer, A. Schwendy, E. H.
Hooff, Hugo Dar,mut, Olga Hartnack und M. voll

Blanckersee. voll den Aelteren gehören der ausgezeich-
nete Otto Seelmann, Earl Irmer und Wilhelm
Schröter ja ebenfalls hierher, aber Ersterer ist jetzt
in Düsseldorf, Letzterer in Karlsruhe ein anerkannter
Meister. Ueberhaupt: anhaltische Kunst ist oft nur
Kunst von Anhaltinern. Das erweist sich bei dell
Porträtmalern, dell Genremalern — nur, wie schon
bemerkt, die Landschafter machen eine Ausnahme,
soweit sie im Motive wurzeln, vor allem O. Krüger,
Paul Jacoby, F. voll Loön und Oskar Leu-Leoni sind
Leute, mit denen man rechnen muß. G. Krüger als
farbenfreudiger, ausgesprochener Moderner scheint
eine große Zukunft vor sich zu haben, Hugo Darnaut
pflegt ebenfalls moderne Stimmung, wie auch F. voll
Loen. Oskar Leu-Leoni ist nicht minder Stimmungs-
maler, wenn auch kein ausgesprochen moderner; Paul
Jacoby sucht noch nach fester Richtung.
Die anhaltischen Porträtmaler sind eigentlich nur
ihrer Abstammung und der ihrer Modelle nach an-
haltisch. Richard Schulring lebt in Berlin, ohne be-
einflußt zu sein von der modernen Berliner porträt-
malerei. Und das habe ich in Einzelheiten bedauert.
Seine ausgestellten Porträts sind vorzüglich gemalt,
geschmackvoll und ohne Pose, haben ganz vortreffliche
Eharakteristik und subtilste Feinheit — aber es sind
Salonbilder, sie sind zu glatt, zu vornehm, man sieht
sie, nlan übersieht sie zu schnell, denn die persönliche
Marke fehlt. Das gilt von den Porträts von
H. Behmer in noch viel höherem Maße und doch
finden sich in seinen Genrebildern kräftige koloristische
Feinheiten und Originalitäten. Gustav Richter und
Karl Iordan malen Porträts, wie man eben Por-
träts gemalt — hat. Ganz anders ist E. A. Hooff,
da ist energische Pinselführung und nichts Gelecktes.
Am besten, reifsten und neusten ist jedoch das männ-
liche Bildniß von Hans Ströse, dessen großes Genre-
bild „Nicht bestanden" ebensalls hier war. Ströse
kann malen und charakterisiren, er ist energisch und
gesund, oft zu muthig — aber was thut's, wenn er
einmal im Uebereifer daneben haut, es ist doch Frische
und Können da. Von größeren Bildern wären noch
die Kartons für die Villa Lingg zu nennen, entworfen
von Dr. Iulius Naue, dem der akademische Zopf
noch arg hinten hängt. Doch ach, er darf ihn nicht
abschneiden. Denn ohne diese akademische Pose
wären seine Bilder — nichts. Eigenes ist nicht da.
Als treffliche und originelle Blumenmalerin zeigt
sich Frieda Kumme, deren „Stillleben" von großem
Reiz und malerischem Können ist. Die Blumen Telly
Bunge's sind „zu süß", aber „talentvoll" gemalt.
Und nun: Wilhelm Krauskopf, der Radierer —
da athmet man Höhenluft, er ist der Ersten Einer.
Nicht minder hoch steht H. Brückner, der Holzschneider.
E. Reinecke, den Zeichner der „Fliegenden", möchte
ich hier erwähnen. Und noch eine Größe, eine ganz
große Größe: Bernhard Sehring, der Architektur-
phantast, der in Berlin schafft.
 
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