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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 6
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Berliner Chronik
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Allgemeine Kunstchronik
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90

>--8 Die K u n st - p a l l e. <>

Nr. 6

Breite. Als ob nur ein Freundeskreis ihn umstehe. Und
wirklich siud nur Freunde ringsum: aus allen Augen
leuchtet die Liebe und die Freude an der Art des Mannes.
Keiner erwartet von ihm eine feierliche Miene, keiner will
aber auch eine aufsetzen, bei den trockenen, kurzen Be-
merkungen des alten perrn ertönt herzliches Lachen, wenn
er erzählt, lauscht alles mit stillem Lächeln. Die Spitzen
des geistigen Berlin sind erschienen, daneben aber auch ein-
fache Privatleute, und viele Damen, trotzdem der Meister
„keine Frauenzimmer malt". Der perr Minister überbringt
den Glückwunsch Sr. Majestät, ein berühmter Arzt hat als
Abgesandte sein Töchterlein mit einem veilchenstranß ge-
schickt. Ls war ein Fest der Kontraste, unvergeßlich für
Jeden, der ihn: beiwohnte. Um so eindrucksvoller, als all-
mählich bei uns die öffentlichen Feste ein bestimmtes, steifes
Gepräge erhalten. 8.

Abends bei Kroll. Lin festlich geschmücktes, über-
fülltes Baus. Die Aufmerksamkeit des Publikums durch
die Vorgänge auf der Bühne und im Zuschauerrannt gc-
theilt. Man lauscht ebenso begierig den Morten des Fest-
spieles, das Iulius Wolff gedichtet, wie man gespannt seine
Blicke bald nach der Kaiserloge richtet, wo das Kaiserpaar
und die Kaiserin Friedrich sitzen, bald nach dein Sessel vor-
der Bühne, wo das greise Geburtstagskind inmitten stürmi-
scher Erregung seine Buhe und würde bewahrt. Menzel
macht ganz den Eindruck eines still duldenden Märtyrers,
denn solche zudringlichen Puldigungen und Liebkosungen
legen den: Opfer, dem all dieser Ueberschwang gilt, ein
wirkliches Martyrium auf. Er scheint bei sich zu denken:
macht, ihr guten Leute, mit nur was ihr wollt, deun heute
bin ich euer Gott und eure Puppe, schleppt mich von einem
Ende des Saales zum andern, setzt mich entweder auf
eiueu hohen Thron oder auf einen gewöhnlichen Stuhl,
mir soll heute Abend alles gleich sein — aber morgen, wie
werde ich mich da frei und wohl fühlen!
So denkt offenbar Menzel. Er empfindet gewiß viel,
aber er sagt wenig, und sein rosig angehauchtes Paupt mit
dem nackten Schädel erscheint oft bewegungslos. Mn so
lebhafter nimmt das Publikum Antheil an den szenischen
Mberraschungen und Festzügen des Abends — dieses Publi-
kum, in welchem fast jeder fünfte Mann eine Berühmtheit,
jede fünfte Fran eine wirkliche Schönheit ist. Kaum hat
das paus jemals eine so illustre Versammlung in seinen
Mauern gehabt. Oben in den Logen: die Minister, die
Pofgesellschaft, der Senat der Akademie, die Spitzen der
Stadt, die weithin leuchtenden Sterne am Pimmel der Kunst
und Wissenschaft — unten im Parkett die Koryphäen der
Dicht- und Bühnenkunst, und neben Männern der Feder,
des Meißels, der Palette, die stolzesten Vertreter der lmuM
ünuneo, gleichsam wie Goldfäden in einem köstlichen Brokat-
stoff vertheilt. So nimmt sich das — Volk aus, das dem
Schöpfer volksthümlicher Schilderungen am Abend feines
achtzigsten Geburtstages grüne und silberne Lorbeerkränze
reicht. — 6l.
von den Festreden am Tage der Feier wollen wir
allein den Aeußerungen des Direktors Anton von
Werner, die im Architektenhause an die Studirenden der
Akademie gerichtet wurden, die gebührende Beachtung
schenken. Die Rede war in der That inhaltreich, stellen-
weise sogar fesselnd, wenn auch die Gedanken und Ansichten

des Redners gewiß keinen der reiferen pörer durch Neuheit
überrascht haben dürften. Dein Maler von werner-
billigen wir gern das Recht zu, seinen künstlerischen Stand-
punkt zu vertheidigen, diesen als den einzig richtigen zu er-
klären, freuen uns sogar, daß auch er einst als „Junger"
die Alten munter bekämpft hat, beweist dies ja, daß noch
jeder Künstler mit derselben Energie einst gegen das Alte
auftrat, mit der er später gegen die Jugend zu Felde zieht.
Daß der perr Direktor jetzt Menzel als hohes Vorbild
empfiehlt, ist gewiß sehr zu billigen, aber nicht eben etwas
besonderes. Ebenso billigen wir, wenn er darauf hinweist:
wie der Meister stets an seiner technisch-künstlerischen Aus-
bildung rastlos gearbeitet, wie sein wollen daher mit seinem
Können immer pand in pand ging, während so viele
moderne Stürmer und Dränger für ihre Ideen nicht den
künstlerischen Ausdruck finden können. Das ist Alles, wie
gesagt, richtig und so berechtigt wie sein jenen leichtfertig-
unwissenden Kritikern geinachter Vorwurf, die da glauben
nicht fehl zu greifen, wenn sie alles Neuscheinende für weise
und gut erklären. Diese perren kochen eben ihre kriti-
schen Mahlzeiten nur in zwei Töpfen, und da kann es
leicht Vorkommen, daß dicke Erbsen und Rindfleisch in einen
Topf kommen.
Ist aber die neue Wahrheit deshalb schlechter, weil sie
nicht gleich gefunden wird, ist die Schönheit darum nicht
vorhanden, weil sie gar so häufig mißhandelt wird? Es
wäre für einen Akademie-Direktor unseres Bedünkens ver-
dienstvoller, gleich die Konsequenzen seines Menzelthums zn
ziehen, d. h. den jungen Künstlern den weg zu neuen
Zielen zu bahnen oder sie wenigstens in diesen: Sinne an-
zuspornen, zu erziehen; ihnen nicht zu sagen: macht es wie
der Menzel gethan hat, sondern wie er als Jüngling heute
thun würde, trotz der Autorität Auton von Werners. Zum
Glück siud Worte ungeheuer gleichgiltig. Der Gang der
Kunsteutwickelung wird durch alle Festreden der Welt nicht
mn paaresbreite verschoben. Ja, wenn Worte Macht
hätten, dann stände uns nach den feierlichen Versicherungen,
die jüngst stromweife von begeistert prahlenden Lippen
flossen, wenigstens ein Dutzend Menzel's in Aussicht.
6.
* Im Salon Gurlitt sind vertreten: Deutschland
durch L. Begas-Parmentier, Olga von Boznünska,
pelene und Molly Gramer, Anita Gerresheim,
E. pedinger, p. Kossobutzki, Vilma Parlaghy,
Cornelia Paez ka-w agner u. A. Belgien durch
Juliette wytsmann; Frankreich durch Virginie
Dcmont - Breton. M. polguäre, M. Le Roy
d'Eti olles; Polland durch M. Bilders vau Bosse,
S. Mesdag van Ponten, Marguerite RoosenbooUr-
vogel, M. van de Sande-Bakhuysen, Therese
Schwartze, Marie wuyticrs, M. Znbli u. A.;
Spanien durch Maria Louise de la Riva-Munoz.
Allgemeine Kunstchromk.
* Bayerische Landes-Ausstellung in Nürnberg
I896. Zugelassen sind Werke der Malerei, der Plastik und
der vervielfältigenden Künste, von Künstlern, die in Bayern
geboren sind, dort leben oder bis vor drei Jahren gelebt
haben. Schluß der Anmeldung: 3t. März 1896. Die
Münchener Korporationen und der Nürnberger Verein, von
 
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