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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 6
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Berliner Chronik
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Nr. 6

^-<8 Die Kunst-Palle.

89

von so ordinärer päßlichkelt das Selbstverständliche? Und
er müsse die Proportionen verdrehen, trotzdem er sie wohl
beherrscht? Die Entwürfe sind außer der Skizze zu den
„Musen" abstoßend durch ihre gezwungenen Plumpheiten.
Das Muicnbild ist köstlich, vor allem freilich in der Farbe,
wie meisterhaft ist z. B. das fliegende rothe Gewand gegen
die Bäume und den Pimmel gestellt! Man müßte die großen
alten Italiener heranziehen, wenn man eine ähnliche Wirkung
der Valeurs finden wollte, was ist das für eine Zeit, in
der solche Talente unruhig spielen statt ruhig zu schaffen!
Ich stelle neben Volz eine junge Malerin, die mir zum
ersten Male begegnet. Marie Schnür tritt mit der „hl.
Cäcilie" in die vorderste Reihe der zeitgenössischen Maler,
ich sage absichtlich nicht: deutschen, und absichtlich nicht:
Malerinnen. Die Lngelsköxfchen sind von hinreißender
naiver Lieblichkeit, die peilige von schlichter Anmuth. Die
Malerei ist kühn in den Farben, leuchtendes Grün im Ge-
wand steht neben tiefem Blau im Einband des Buches,
und breit im pinselstrich. Man wird abwarten müssen, was
die Künstlerin weiter bringen wird, und man wird mit
Spannung warten.
Mit den Werken von Volz und dem Bilde von Schnür
stehen die Bilder von Arthur Kampf, die im selben Saale
hängen, in starken: Kontrast. Sie zeigen denselben hand-
festen Realismus, den wir au dem Maler seit seinem Auf-
treten kennen, und der jetzt manchmal stark in's Derbe fällt.
Man hat wohl eigentlich eine andere Entwicklung erwartet,
eine fchöne Reife nach all dem stürmischen Drang. Aber
wenn man sieht, wie der Maler selbst bei den: Motiv der
„Vertreibung aus den: Paradiese" keiner feineren Austastung
nachgeht und sogar den Engel zu einen: robusten Plebejer
macht, darf man darauf nicht mehr hosten. Auch die Pastell-
studie eines Frauenkopfes mit den: bösen Rosa in: Hinter-
grund und dem derben Roth in den Ohren zeigt, daß den:
Künstler das dreiste pinhauen zur Gewohuheit geworden
ist. Das Beste von Kampf ist das Bildniß eines bärtigen
Mannes, der hinter einen: Rednerpult steht, bei gelblichen:
Kerzenlicht.
Eine interessante Bekanntschaft ist Miß L. Ladwal-
lader Gnild, eine englische Bildhauerin. Freilich sind
ihre Arbeiten sehr ungleich. Bei der Büste des Obersten
von Scholl hat sie wohl der Wunsch, recht männlich das
Martialische des preußischen Offiziers heranszubringen, zur
Uebertreibung verleitet, wie das Frauen bei solchen Aus-
gaben ost begegnet. Ein Idealkopf ist manierirt. Dagegen
ist eine Frauenbüste in Marmor in Austastung und Arbeit
ein fo vollgültiger Beweis echter Künstlerschaft, daß man
auf neue Werke dieser Art gespannt sein darf. Der Einfall,
das Gewand in Bronze zu geben, ist fein und — meines
wissens — neu.
In sehr erfreulicher weise entwickelt sich pelene Büch-
mann, die für Bildnißaufträge wohl leider ihre alte Art
beibehalten muß, die aber daueben in freier Thätigkeit auf
der Grundlage weiter baut, die sie ihren: Pariser Aufenthalt
verdankt. Sie ist weiblich im guten Sinne, die Köpfe ihrer
jugendlichen Mädchen sind von weicher Anmuth und sie hat
ihre Ausdrucksmittel diesen Modellen, die sie mit Vorliebe
malt, angepaßt. Von der dilettantischen Oberflächlichkeit
so vieler Damen ist bei ihr nicht die Rede, ihr Gebiet ist
nicht groß, aber sie beherrscht es.
Der Salon Gurlitt gehört dieses Mal gauz den
Frauen. Fast alle Kunftländer sind vertreten, wenn auch

nicht mit ihren ersten Namen. Rin so sicherer ist der Schluß
auf den Durchschnitt. Die moderne Bewegung ist nicht
spnrlos an den Malerinnen vorübergegangen, sie marschiren
ganz tapfer mit, die meisten stehen, wenn man so sagen
darf, ihren Mann. Ausgesprochene Persönlichkeiten sind
freilich feiten, aber sie sind unter den Malern zweiten Ranges
nicht häufiger. Ls kommt dazu, daß das Blumenstück nnd
das Stillleben überwiegen. So ist über Einzelnes nicht
viel zu sagen, während der Gesammteindruck doch ein guter
und erfreulicher ist.
V. 8t.

Berliner Ehronik.
N a ch klänge der Menzel-Feier.
* Das jüngste Pauptereigniß, die Puldigungen, die den:
Maler von Gottes Gnaden von allen Seiten dargebracht
wurden, die Verleihung des Charakters eines wirklichen
Geheimen Rathes mit dein Titel „Exzellenz", der jetzt den
Schilderer der preußischen Ruhmesgeschichte und zugleich in
ihn: die ganze Kunst der Gegenwart auszeichnet — sie haben
eins eklatant erwiesen: nämlich, daß man am preußischen
pofe einen echten Künstler fürstlich zu belohnen weiß nnd
daß auf märkischen: Boden ein Maler zur Volksthümlichkeit
gelangen kann. Sie haben damit die Legende von der Un-
dankbarkeit des künstlerischen Schassens an der Spree gründ-
lich zerstört. Kürzlich hat uns persönlich ein berühmter
Mann gesagt: Menzel vertrete nicht die hohe Kunst wie
Cornelius und heute in Berlin allein Gesc lschap. Aber
vergessen nur nicht, daß selbst Raffael und Rubens, die doch
auf ausgedchuten Flächen oft ihre machtvollen Gedanken
aussprachen, daneben ebenso gern in: kleinen Rahmen sich
einer Allen leicht verständlichen künstlerischen Sprache be-
dienten. Nicht alle Geldwerthe können süglich für die
Menge bestimmt sein, die sich schon mit guten Silbermünzen
begnügt. Als Raffael die einst die Welt beherrschenden
kirchlichen und humanistischen Ideen in der Disputa und der
Schule von Athen verbildlichte, dachte er gewiß nicht an das
geistige Niveau der unteren Volksschichten . . . Die Seele
Menzel's, des Kindes seiner Zeit und seines Volkes, des
preußischen nämlich, haben ganz andere Ideen ersüllt; und
der „kleine" pinselführcr hat das Wesen dieses Volkes
richtiger begriffen, schärfer und maleristb-xoesievoller erfaßt,
als ein anderer. Das ist sein unverwelkliches Verdienst.
Und es wird nicht geschmälert durch die unbestreitbare That-
sache, daß ein Theil seines Schaffens nur den Gebildeten
verständlich sein kann. Laut gehuldigt wurde ihn: an seinen:
achtzigsten Geburtstage daher auch nur von den oberen
Zehntausend. 6.

Um dieMittagsstunde in derAkademie. Inder
Menzelnische steht der Meister. Zwei überlebensgroße
„lange Kerls" der Potsdamer altfritzischen Riesengarde
halten neben der „kleinen Excellenz" die wache. Ein
wunderbarer Anblick. Der Kaiser hat sie geschickt, wie die
Ehrenwache in: Uhrsaal, um den Glanz des Festes zu er-
höhen. Aber Menzel versteht sich nicht auf das Feierliche:
er empfäugt feine Gratulanten wie bei sich zu Paule, daukt
schlicht mit sehr höflichen Verbeugungen und pändedrücken,
antwortet dein Einen kurz, den: Anderen mit behaglicher
 
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