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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 10
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Seidl, Arthur: Dresdner Kunstbrief
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Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0178

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Die Kunst-Halle.

Nr. sO

druck schwellend pnlsirenden Lebens" keine Spur! Line
ganze Sammlung von Skulpturen der in Frankfurt a. M.
lebenden Amerikanerin Mrs. Ladmallader Gnild er-
wies wieder einmal die natürlichen Grenzen selbst der her-
vorragenden Fähigkeiten im produktiven Schaffen der Frau.
Ihr technisches vermögen, ihre Vielseitigkeit an Linfällen,
wie in der Behandlnngsweise, ihr scharfes Auge, ihr un-
verdorbenes Gefühl für ein lebendiges Erfassen und eine
klare Lharakteristik ihres Gegenstandes — das alles ist
ganz erstaunlich, reif und originell genug. Zu ihren besten
Leistungen in diesem Sinne dürfen wir ihre eigenartige
Thoma-Büste, einen frappanten Indianerkopf und den aus-
gezeichnet modellirten Neger-Akt wohl zählen. Geht man
aber an ein znsammenfassendes Gesammturtheil (das sie
ohne Zweifel die geschickte Berlinerin Frau Geyger noch
überragen läßt), so fehlt doch die innere Einheit und ge-
schlossene Ligenart einer ganzen, vollen Persönlichkeit, der
ruhende Pol in all dieser Erscheinungen Flucht. Auch
sollst war die Frau auf dem Gebiete der Kunst ebenda in
letzter Zeit nicht unvortheilhaft vertreten in einigen aus-
ländischen Malerinnen, Namens polguvre, wytsman,
Dsmont - Breton, de la Riva-Mnnoz nnd Le roz
d'Ltoilles, sowie mit Llara kV alther's gar beschau-
lichem alten Mütterlein nnd Dora Pitz' „pirtin aus der
Normaudie". Alle diese zuletzt Geuannteu aber schlug doch
wieder ein einziger Mann, ein Landsmann von Liljefors
und Ancarcrona, der Schwede Alfred Bachmann, der
auf eiuem poesievolleu„Frühnebel"-Bilde schwedische National-
note und nordischen Lokalton mit entzückender Farbensätti-
gung nnd echter Lmxfindnngstiefe zu einem wunderbar har-
monischen Gesammteindruck von wahrhaft befreiender Knnst-
wirkung aus die Leinwand zu zaubern wußte.
Zur Zeit, da ich dies schreibe, findet die sogen. Seb.
Bach-Ausstellung: „vom Porträt des großen Lantors
aus der Thomas-Schule über seinen (vermuthlichen) Toten-
schädel hinweg bis zur modernen Bach-Büste von Larl
Seffner in Leipzig" — starken Zuspruch. Ueber den
Aufsehen erregenden Fall, von dem indirekten wissenschaft-
lichen Beweis für die Echtheit der zu Leipzig aufgefundenen
Gebeine durch ein von der Anatomie geleitetes beherztes
„Experiment" der Kunst, ist seiner Zeit in allen Blättern
soviel die Rede gewesen, daß sich hier ein näheres Ein-
gehen von selbst wohl erledigt. Die Pauptsache bleibt, daß
man diesen Forschungen und Entdeckungsreisen die beste
bisher existirende Bach-Büste verdankt, durch welche der
herrliche Meister unter uns im künstlerischen Bilde zuver-
sichtlich nun fortlebcn wird.
k)r. Rrtünr Leicü.
Berliner RimM-mu
^ln der König!. Akademie der Künste ist am 2. Februar
die XV. Ausstellung des Vereins der Berliner Künst-
lerinnen und Knnstfrenndinnen eröffnet worden. Nachdem
gerade in den letzten Jahren eine Anzahl von Frauen mit
eigenartigen und ernsthaften Kunstwerken hervorgetreten
ist, kann man den Künstlerinnen durchaus nicht mehr das
Recht auf den Dilettantismus zugestehn, das zuzngestehen
übrigens auch früher schon eine Schwäche war. Frauen,
die den Muth haben, die Knnst ernst zn nehmen, können
den Männern es gleich thun. Die anderen aber, die leider

sehr zahlreich sind, können nicht ohne Schaden sür die Kunst
in der Gesfentlichkeit geduldet werden. Gleiches Recht für
Alle! Ich hoffe, die Frauen werden dieses Wort anch
gelten lassen, wo es unbequem für sie ist.
Legt man denselben Maßstab an wie bei den allge-
meinen Ausstellungen, so bleiben von den dreihundertund-
fünzig Werken sehr wenige, die eine Besprechung verlangen.
Daneben werden aber doch ein paar Bemerkungen über den
Durchschnitt der Leistungen und die Schule des Vereins am
Platze sein, da die Thatsache nicht weggcleugnet werden
kann, daß ein verhältnißmäßig großer Theil des Kunst-
bedarfs ans allerlei Gründen durch Frauenarbeit gedeckt
wird, nnd deshalb der Lharakter unseres gesummten Kunst-
lebens immerhin durch dieselbe beeinflußt wird.
Es muß gesagt werden, daß der Dilettantismus am
deutlichsten und unangenehmsten da auftritt, wo eine Ein-
wirkung moderner Kunstströmungen sich bemerkbar macht.
Pat die oberflächliche Einwirkung dieser Art anch in dem
Schaffen der Männer schon böse Folgen gehabt, so treten
sie hier um so stärker hervor, da die elemeutarc Schulung
der Malerinnen noch erheblich hinter der der Maler zurück-
steht, uud doch wohl auch bei der weit überwiegenden
Mehrheit die Energie des Strebens fehlt. So kommt es zu
einer widerwärtigen Nachäffung von Aeußerlichkeiten, die
dann noch recht herausfordernd sich brüstet. Ueberhaupt
scheint es dein fast naiven Selbstgefühl dieser Damen völlig
an dem Empfinden zu fehlen, wie weit ihre Mittel reichen.
Nicht aus Rücksicht, weil ich nun so scharf mich ausge-
sprochen habe, sondern nur, weil es nicht lohnt, nenne ich
keine Namen. Ich will nnr erwähnen, daß ich zwei
Malerinnen vor allem meine, die durch ihre ersten Arbeiten
mein hohes Interesse erregt haben, und deren erschreck-
lichen Niedergang ich bedanre.
Das führt mich zu einer allgemeinen Beobachtung. Die
ausgestellten Arbeiten der Schülerinnen sind in: Ganzen
frischer nnd ehrlicher als die der Künstlerinnen. In den
Klassen von Prof. Dettmann und Lurt Stoeving besonders
wird offenbar der Sinn für das Einfache nnd Natürliche
geweckt und gebildet. Es scheint demnach, als ob die Frei-
heit den Damen nicht gut bekommt oder als ob sie zu schnell
die Schule verlassen, um eine dauernde Einwirkung zn er-
fahren. Zumal ja natürlich der Einfluß ihres Publikums,
das ja doch meist aus Damen besteht, im entgegengesetzten
Sinne thätig ist.
Lin großer Theil der Schwächen erklärt sich übrigens
daraus, daß in dieser merkwürdigen Schule garuicht Akt
gezeichnet und geinalt wird. Das mag ungeheuer anständig
sein, ist aber jedenfalls ungeheuer unkünstlerisch. Lntweder
die Künstlerinnen wissen nicht, daß der Akt die Seele jedes
künstlerischen Studiums ist, und damit stellen sie sich, oder
sie fürchten für die Moral ihrer Schülerinnen, nnd damit
stellen sie diesen ein sehr schlechtes Zcngniß aus. Aber,
wenn man diese Ligenheit der Schule bedenkt, wird man
sich z. B. weniger darüber wundern, wenn bei den
meisten Fignren, anch bei den Porträts, unter den Kleidern
die Körper fehlen, tver keinen nackten Menschen malen
kann, kann natürlich auch keinen bekleideten malen. — Und
nun zn den Einzelnen!
Dora Pitz hat uns mit ihren: Bilde „Im Morgen-
schein" ein neues uud eines ihrer schönsten Merke gegeben.
Ls zeigt das uralte Motiv von der Mutter uud ihren:
Kinde. Aber es ist frei von den theat alischen, berechneten
 
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