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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 13
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Herr Richard Muther als Goethe-Forscher
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Feld, Otto: Die Pariser "kleinen Salons"
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0233

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Nr. fZ

--»-S Die Kunst-Halle. g--°-

20 s

Aber Herr Muther sagt nicht nur, was man schon
weiß, er schreibt auch, war andere Autoren schon geschrieben
haben und zwar Satz für Satz schreibt er häufig ab. Dabei
vergißt er zumeist die (Quellen anzugeben. Er leidet in
dieser Hinsicht als Gemüthsmensch an einer unüberwind-
lichen Schwäche, an einer moral insauit^ in litterarischen
Dingen. Zwar wimmelt seine Malereigeschichte förmlich
von Litaten angeblich benutzter Schriftsteller, doch ist das
nur der übliche Trick unredlicher Autoren, die allerlei Harm-
loses citiren, dagegen wohlweislich jene geheimen «Duellen,
aus denen sie mit mächtigen Kübeln schöpften, verschweigen.
Auf dem Nürnberger kunsthistorischen Kongreß wußten
einige süddeutsche Kollegen interessante Proben seiner An-
nektirungslust zu geben, sie kannten offenbar die englischen
und französischen Journale, die verschiedenen Jahrgänge,
ja die Nummern, aus welchen der schnellproduzirende eifrige
Herr seinen allgemein bewunderten „Geist", seine originellen
Ideen u. dgl. bezog, um diese köstlichen Lesefrüchte als
eigene lVaare auf dein Markte feilzubieten. Die höflichen
Franzosen sind bekanntlich denen ungemein dankbar, die
ihrer Litelheit eindringlich zu schmeicheln wissen, wie dies
ihr Lobredner virtuos versteht. Menn sie jeden litterari-
schen Freibeuter festnageln wollten, hätten sie viel zu thun.
And dieser Ldelmuth kommt natürlich Herrn Muther sehr
zu statten, der auf alle Beschuldigungen von dritter Seite
sich entweder vornehm ausschweigt, oder aber unter allerlei
Kniffen und Sprüngen oder gefühlvollen Entschuldigungen
den geschädigten Autor zu besänftigen versucht, wie man
dies ja aus seiner früheren Festnagelung im „Berl. Tagebl."
noch in guter Lriunerung hat. Ls handelte sich damals
um die famose Entlehnung aus Theodor Wolff's Vorrede
zu Niel's Lyhne, einem Noman I. P. Iacobsen's.
Mieder kommt ein Beispiel solcher Art zur all-
gemeinen Kenntniß. Herr Muther debütirte nämlich neu-
lich auf Koster: vr. volb ehr's, der ein gehaltvolles
Buch über „Goethe und die Bildende Kunst"
(Leipzig, L. A. Seemann) geschrieben, als Goetheforscher.
Der Herr Verfasser darf sich trösten: denn erstens befindet
er sich als Annektirter in der vorzüglichen Gesellschaft
Herman Grimm's u. A. und zweitens geschah die That
in einem Berliner Blatte, aus den: sich Niemand über
Goethe oder über Bildende Kunst Belehrung holt . . .
Halten wir uns kurz an die Sache. Der Beschuldigte
veröffentlichte kürzlich eine durch drei Zeitungsnummern
gehende umfangreiche Abhandlung unter dem Titel:
„Goethe und die Kunst, von Richard Muther." Jeder
anständige Schriftsteller pflegt, wenn er eine erschienene Ar-
beit seinem Aufsatz zu Grunde legt, Merk und Autor an
hervorragender Stelle zu citiren. Und selbst dann wird er
in der Form wenigstens Eigenes bieten, indem er die fremde
Ausarbeitung nicht einfach, nur unter Fortlassung gewisser
Sätze und Morte reproduzirt, sondern selbstständige Aus-
drücke und Bilder erfindet. Muther glaubte sich nun hin-
reichend dadurch zu salviren, daß er volbehr's Namen an
einer Stelle ganz allgemein in Verbindung mit der Goethe-
Forschung erwähnte. Im klebrigen arbeitete er genau nach
dem wunderbaren Rezept, daß ihm vordem seine viel-
bewunderte Malereigeschichte möglich gemacht hat, d. h. er
wußte es so zu thun, als wenn seine fleißigen Lesefrüchte
mühsam gewonnene eigene Geistesprodukte, völlig originelle
Ideen, gleichsam Destillate aus dem Laboratorium seines
edlen Gehirns wären.

„von den Entlehnungen," so bemerkt Dr. vol-
behr, „entfallen etwa vier Fünftel auf mein
Buch." Da dieses aber nicht erwähnt wird, „so wird in
jedem Leser die Erwartung erweckt, daß diese „Behandlung"
eine selbstständige Behandlung Richard Muther's sein wird.
Da nun aber die Muther'sche Arbeit den Gedankengang
meiner Untersuchung — der nach dein Urtheil der Kritik
den bisherigen Anschauungen diametral entgegenläuft —
stillschweigend reproduzirt und da diese Arbeit sich auch sonst
lediglich als ein leidlich gewissenhafter, nur in einigen
Punkten mich völlig mißverstehender Auszug aus
meinem Buch darstellt, so empfinde ich diese Art des Re-
ferats als eine Benachtheiligung des Autors, ja gewisser-
maßen als eine Täuschung des Lesers."
In welcher weise der Nachschreiber das benutzte Ori-
ginal „verarbeitet" hat, möge aus wenigen Proben ersehen
werden. Einmal xassirte es ihm, „daß er ein Wort Hage-
dorn's, der in jeder Beziehung einen Gegensatz zu
Winckelmann bildet, diesem in den Mund legt." Dann
erlaubte sich ein Universitätsprofessor klassische Litate, die
er unter Gänsefüßchen bringt, im Mortlaut zu verändern,
weiter ließ er in einem nachgeschriebenen Satze Volbehr's
allein Goethe's „Ehrfurcht vor der Antike" fort, wie er
denn auch, weil ihm dies nicht in seinen unwissenschaftlichen
Kran: paßte, alle Bemerkungen des Originals „über die
Bedeutung der Antike für die Entwicklung des jungen
Goethe" sorgfältig ausmerzte. volbehr schreibt:
„Um so objektiv wie möglich zu Werke zu gehen,
unterbreitete ich den Muther'schen Artikel, in dem ich die
direkt meiner Arbeit entnommenen Sätze unterstrichen hatte,
verschiedenen Persönlichkeiten, auf deren selbstständiges Ur-
theil ich rechnen konnte: Juristen, Medizinern, Politikern,
Kaufleuten, Gelehrten . . . Das Urtheil war überall das-
selbe, und, ich muß gestehen, ein vernichtend scharfes."
wir haben von dieser jüngsten Entlarvung des „be-
rühmten" Autors der Malereigeschichte des Jahr-
hunderts, lediglich im Interesse einer ehrlichen deutschen For-
schung, Notiz zu nehmen für richtig gefunden... Selbst ein
kleiner Journalist, der für's dürftige tägliche Brod schreiben
muß, würde nicht nur aus jedem Fachverein entfernt wer-
den, sondern, wie das erst kürzlich in Berlin geschah, einfach
verschwinden müssen, wenn er so arbeiten wollte. Der Herr
Professor wird aber wohl ruhig weiter lehren und ab-

schreiben dürfen.


Drutus.

Die Pariser „kleinen Salons",
von Otto Feld-Paris.

d^er in Paris sich nur kurze Zeit aufgehalten und etwa
aus dem, was er in den verschiedenen „kleinen
Salons" gesehen, die -in den letzten Monaten eröffnet
worden sind, einen Schluß auf das Kunstleben des modernen
Frankreichs ziehen wollte, müßte zu sehr traurigen Resultaten
kommen. Aber es hieße der Unzahl weiblicher und männ-
licher Amateure, die jene Ausstellungen mit ihren Kunst-
werken beglückt haben, zu viel Ehre erweisen, wollte man
sie ernsthaft für Repräsentanten der französischen Kurist
nehmen. Für das schöne Honorar, das man das ganze
 
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