Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

DOI Heft:
Nr. 7
DOI Artikel:
Berger, Rud.: Prof. Eduard Grützner: üeber Berlin und München, mit Bezug auf internationale Ausstellungen
DOI Artikel:
Basedow, Hans von: Weimar
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0122

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
s02

—---<S Die K u n st - H a l l e.

Nr. 7

und selbst dann nur in beschränktem Maßstabe. Wozu
die weitgehenden Konzessionen gegenüber den: Aus-
lands, daß uns nicht Neciprocität gewährt? Unser-
Fehler ist und bleibt es wohl leider auch, vor allein
Fremden, und sei es noch so verrückt — auf den:
Bauche zu liegen und die Leistungen unserer Großen
gering zu schätzen. Deutschland hat in der That gar
keinen Grund, sich seiner Kunst zu schämen und das
Ausland zu poussiren."
„Denken Sie sich dagegen nur einmal die Schwierig-
keiten, die es für die meisten deutschen Künstler hat,
z. B. in London in der Royal Academy auszu-
stellen. Es ist dies fast unmöglich und wenn, dann
hält es erst recht schwer, euren guten Platz zu er-
halten. Wir aber sind so ungeschickt und räumen
den Ausländern die besten Plätze ein. Ich würde
ferner einen Turnus der internationalen Kunstaus-
stellungen vorschlagen: München, Berlin, Wien
würden alterniren mit der Abhaltung derselben.
Innerhalb dreier Jahre gelingt Jedem ein oder das
andere Bild besser, das dann Aufnahme fände. So
könnte die deutsche Künstlerschaft die Fortschritte der
Kunst in größeren Intervallen studieren, ohne selbst
ihre Individualität aufzugeben."
„Sie haben Recht, Herr Professor, Zentralisation
in der Politik, Dezentralisation in der Kunst! Allein
glauben Sie nicht, daß darunter die finanzielle Seite
der Münchener bezw. Berliner Ausstellung leidet?"
„Ganz im Gegentheile! Die finanziellen Ergeb-
nisse würden sich dann noch günstiger gestalten. Ein
Fest soll ja doch meines Erachtens eine internationale
Kunstausstellung für das Publikum sein. Durch die
häufige Wiederkehr dieses Festes aber wird es seinen
Reiz verlieren. Fortwährend Gebratenes zu essen,
verdirbt den Magen. Und die Kunst braucht vor
Allem Ruhe. Durch die immerwährenden Ausstellungen
kommt ein ungesundes Hasten in das Schaffen. Ich
fürchte Berlin schon aus dem Grunde nicht, weil
die Kunst dort vor Allem nicht die Ruhe hat, die sie
braucht. Eine kleinere, behaglichere Stadt ist ein
besserer Boden für künstlerisches Schaffein München
ist nicht umzubringen."
Wie ganz anders betrachtet dieser Künstler die
Frage, als mancher seiner Kollegen, welche von den
Stimmen einiger Heißsporne aus Berlin tief verletzt
wurden, die auf die Nachricht von dem kollegialen
Zurücktreten der Münchener Künstlerschaft im Eifer
die Absicht Berlins, München unterzukriegen, zu ver-
nichteil, in unzweideutiger Weise zum Ausdruck
brachten. Nie vorher hatte ein Künstler zu mir so
offenherzig gesprochen, wie Grützner und über die
fragliche Angelegenheit gleich fruchtbare Gedanken
entwickelt.
Professor Grützner mochte es fühlen, daß seine
Worte auf mich Eindruck gemacht hatten, und wie
zur Belohnung schob er eine Rollthür zurück: es war
sein „Allerheiligstes" — ein Erkerzimmer von aus-

gesprochen deutschem Gepräge. In langen Regalen
standen alte Bücher in massiven Schweinsleder-
einbänden. Eine alte Phiole erhöhte den faustischen
Eindruck, welchen das Ganze auf den Beschauer
machte. Ein paar alte Instrumente, welche der Maler
der Mönche mit bewunderungswürdiger Meisterschaft
schlägt, hingeil und standen an den Wänden. Daß
er in diesem „Allerheiligsten" die Inspiration zu seinen
besten Werken empfangen hat, mag für die Echtheit
seiner deutschen Empfindung sprechen. . .
„Ja, Ruhe braucht die Kunst," klang es in
meinem Innern noch fort, als ich bald darauf dem
stillen Erdeilwinkel in der Praterstraße den Rücken
wandte und an den Schöpfungen des kunstsinnigen
Königs voll Bayern vorüber die Maximiliansstraße
entlang meinem eigenen Heim zuschritt.
Rud. Berger.
Weimar.
Bon Hans von Basedow.
eimar! — Ich sehe im Geiste ein Lächeln der
Leser. Weimar! Es klingt so überwunden, so
weit zurückliegend, so „klassisch". Man stellt sich


nichts Lebendiges darunter vor, nichts Frisches, man
glaubt, den Moder verstäubter Lorbeerkränze, das
Muffige vergilbter Manuskripte zu riechen. Und man hat
Recht — es ist die Goethestadt. Aber inmitten dieser
klassischen Stätte mit ihren Erinnerungen und ihrer
Langweile, mit ihrer Vergangenheit und Zukunfts-
losigkeit giebt es noch ein anderes Weimar, einen
frischen, fröhlichen, blühenden Ort: das heutige Weimar
der Maler.
Freilich redet man in der Welt auch von diesen:
Weimar, wie etwa von Düsseldorf und Karlsruhe ge-
legentlich geredet wird — als von etwas Überwun-
denem — aber man thut Unrecht. Das Weimarische
Künstlervölkchen ist ein echt und recht modern empfin-
dendes, das sich von der klassischen Steifheit und den
veralteten Kunstprincipien frei gemacht — äußerlich und
innerlich, in Technik und Gehalt. Wohl giebt es noch
Klassiker dort, wie den nominellen Leiter der Kunstschule
Graf Görtz, für den die Kunst mit phidias aufhört —
aber diese Kassiker bilden Einzelerscheinungen und —
werden nicht ernst genommen, das duldet der gesunde
Sinn nicht, der das Weimarische Malervölkchen aus-
zeichnet.
Übrigens ist die Kunstschule ein ganz vortreffliches
Institut, das für gar manche „berühmte" Akademie
vorbildlich sein könnte. Ihr Hauptgrundsatz lautet:
„Die Anstalt untersteht der Leitung eines Künstlers
und erfreut sich künstlerischer Selbstverwaltung, sie
beruht auf der freien und selbständigen Ausbildung
 
Annotationen