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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 15
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Galland, Georg: Zur Feier der Berliner Akademie
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Stahl, Fritz: Wünsche und Hoffnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0263

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Nr. f5

^8 Die Kunst-Halle.

227

oben, nach gesellschaftlich möglichst hochstehenden Be-
rufssächern; da begnügte sich der technisch veranlagte
Bürgersproß, der heute Kunstmaler, Bildhauer oder
Baumeister wird, mit der bescheidenen Thätigkeit des
Handwerkers, des Kunsthandwerkers. Die Abschaffung
der Kunsthochschulen würde heute nur die Zahl der
großen Ateliers vermehren, während für eine Be-
seitigung der lediglich in den Zeitverhältnissen be-
gründeten Mißstände sehr wenig gethan wäre.
Sodann die künstlerische Beite der Frage. Ls ist
bei der Schilderung genialer Naturen so ost und laut
von dem „engherzigen, unfreien und schablonenhaften
Akademie-Studium" die Nede gewesen, daß Viele die
Behauptung der Schädlichkeit dieses Studiums schon
als bewiesen betrachten. Das Genie kann freilich
unter Umständen die Akademie leicht entbehren; ihm
gegenüber würde mdeß auch der Zwang nicht schäd-
lich wirken können, weil der den Widerstand, die
Zähigkeit verschärft, die geistigen Kräfte stählt und er-
höht. Aber die meisten Klagen gehen gar nicht von
diesen ganz wenigen Bevorzugten aus, denen natür-
lich eine auf den Durchschnitt berechtigte Einrichtung
nicht völlig angepaßt sein kann. Am lautesten getobt
wird in der Regel von jenen eitlen jungen Leuten
von kleinem Talent, die mit einem geringeren Auf-
wand von Studienfleiß und Arbeitszwang rascher zu
Anerkennung und zu „Verdienst" zu gelangen glauben.
Im Grunde genommen ist es ja völlig gleich-
giltig, woher sich der angehende Künstler seine Fertig-
keiten holt. Aber es ist andererseits Thatsache, daß
sich die Akademiegegner meist aus den Reihen der-
jenigen rekrutiren, welchen eine tüchtige, gleichmäßige,
harmonische Ausbildung auf ihrem Kunstgebiete fehlt,
die sich indeß in den: edlen Gedanken gern trösten,
daß sie der Akademie nur deshalb den Rücken ge-
kehrt, um -— nach berühmten Mustern — „ganz dem
inneren Drange, lediglich der Eigenart ihrer Persön-
lichkeit" zu folgen. Was dabei häufig herauskommt,
wenn so ein mit den elementarsten technischen Dingen
auf gespanntem Fuße lebender Anfänger nur seiner
interessanten Individualität, bei Leibe keinem älteren
Lehrer, keinem noch so blendenden Vorbild folgt,
welche Mißgeburten aus absoluter geistiger, künstle-
rischer und technischer Unreife entstehen können, haben
wir manchmal mit Schrecken in den Ausstellungen
unserer kleinen „Salons" gesehen. Wie mancher dieser
jungen Herren, der von gefälligen Kritikern in Scene
gesetzt, von spekulativen Köpfen „gemacht" werden soll,
erinnert leider nicht an jene wirklich berühmten Muster,
sondern lebhafter an den Maler Marcel, den Murger's
Feder unsterblich gemacht hat, den eitlen Stammgast
aus dem Tafe „Momus", der fünf oder sechs Jahre
an einem „Durchgang der Juden durch das Rothe
Meer" pinselte, an einem Gemälde, dessen Autor den:
ablehnenden Urtheil der Akademiejury das höchste
Maß von Selbstbewußtsein entgegenstellt, aber schließ-
lich noch recht froh ist, als er sein Werk mit einer

„Million Genie" über dem Laden eines Delikatessen-
händlers als „Hafen von Marseille" hängen sieht,
welche beißende Satire auf die prahlerische Unfähig-
keit! . .
Wünschen wir zum Schluß, daß die Zeit nicht
zu fern sein möge, da das Wort „Akademie" den
im Laufe der letzten Jahrhunderte erhaltenen Bei-
geschmack des Zopfigen wieder verliere, da man sich
vielleicht wieder des alten athenischen Bürgers Aka-
demos freundlich erinnert, der einst das von Kimon zu
einem märchenhaft schönen Lusthain umgewandelte
Terrain am Kephissos, an der Straße nach Theia,
den: athenischen Staate zu einem Zwecke schenkte, der
später durch Plato seine höchste Weihe empfing.
Damals — und dann zum ersten Male wieder unter
den Mediceern in Florenz klang das Wort „Aka-
demie" süß und erhaben wie ein Zauberwort.
Wünsche und Hoffnungen,
von Fritz Stahl.
/^^ie Berliner Hochschule für die Bildenden Künste
steht nicht auf der Höhe. Man wird, wie
das so des Landes der Brauch ist, in diesen
festlichen Tagen mancherlei Schönes über sie reden,
aber im Grunde wird das absprechende Urtheil von
allen als das richtige empfunden. Nicht zum wenigsten
auch von dem Leiter der Anstalt, Herrn An ton von
Werner, der nach seiner Art seine Meinung dar-
über oft genug deutlich und derb gesagt hat. Das
Jubelfest könnte eine ernsthafte Bedeutung gewinnen,
wenn es den Ausgangspunkt bildete für eine Besse-
rung dieses mißlichen Zustandes. Dann darf man
aber nicht mit schönen Worten die Geister einlullen.
Es thut Noth, sehr wach zu sein.
Ich bin der Ansicht, daß zu einem guten Theil
das Schicksal der Berliner Kunst von dem Schicksal
der Hochschule abhängt. Sehr Viele werden das be-
streiten. Man denkt heute sehr gering von den Aka-
demieen, und ein so vorsichtiger Mann wie Hermann
Grimm, ist geradezu für ihre völlige Beseitigung ein-
getreten. Kunst läßt sich nicht lernen, sagt man, und
das Genie weiß schon die Mitte! zu erwerben. Mir
scheint, diese Meinung gehört zu den vielen unglück-
lichen Vorurtheilen, die in unserer Zeit von Leuten
verbreitet werden, die ihre ästhetischen Anschauungen
mehr aus der Betrachtung der Litteratur als der
Kunst gewonnen haben. Leider haben sie gerade auf
die jüngere Generation sehr stark gewirkt. Viele Ta-
lente sind an diesem Vorurtheil zu Grunde gegangen:
sie haben fast als Knaben noch die Hochschule ver-
lassen, um auf eigene Faust zu malen, und mindestens
die besten Jahre, oft dadurch ihr ganzes Leben in
 
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