Die Kunst-Halle — 1.1895/1896
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DOI Heft:
Nr. 15
DOI Artikel:Stahl, Fritz: Wünsche und Hoffnungen
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228
—2-<H Die Kunst-Halle.
Ur. s5
dem qualvollen und fruchtlosen Ringen mit der Technik
verloren, deren Grundlagen sie bequem hätteu leruen
köuueu. Kuust iu höchstem Siuue ist nicht lehrbar,
wohl aber kann man, ja muß mau die haudwerklicheu
Gruudlageu erlerueu. Und das Kunstleben hängt
schließlich nicht von den wenigen Genies ab, sondern
auch vou deu vieleu Taleuten. Der Durchschnitt der
Berliner Kunst ist niedrig, weil die Hochschule dieseu
Taleuteu uicht die nöthige Ausbildung giebt.
Herr von Werner giebt alle Schuld den Schülern.
Ich habe schon gesagt, inwieweit er darin Recht hat.
Wan kann auch das uoch hinzufügen, daß die ober-
flächliche Keuutniß gewisser moderner Strömungen
die jungen Leute dazu verführen mag, die elemen-
tare Technik, die Korrektheit der Arbeit zu unter-
schätzeu. Aber damit ist uoch lauge uicht gesagt, daß
die Lehrer mm gauz unschuldig siud. Sehr hübsch
und lehrreich ist in dieser Hinsicht eine Rede des be-
rühmten Juristen von Liszt, deren Inhalt neulich
durch die Hresse ging. Er sagte darin, die Verhält-
nisse im juristischen Studium hätteu sich in den letzten
Jahren sehr gebessert, er könne deu jetzigen Studirenden
ein viel besseres Zeugniß ausstellen, als er es öffent-
lich vor einigen Jahren gethan. Der Grund sei, daß
die Lehrer sich geändert hätten, mehr auf die Wünsche
und Bedürfnisse der jungen Leute eingegaugeu seien.
Ich glaube, alle unzufriedenen Lehrer sollten sich
durch dieses Geständuiß veraulaßt fühleu, wenigstens
die Frage zu erwägeu, ob an ihren Mißerfolgen sie
nicht mitschuldig siud.
Herr vou Weruer hält es sür die Aufgabe des
Unterrichts, die Tradition weiterzugeben. Ja, das
ist richtig, nur muß es uicht Traditiou schlechtweg,
sondern es muß gute Tradition sein. Und die fehlt
gerade der Generation, die heute die Mehrzahl der
Lehrer au der Hochschule stellt. Ueberall ist am An-
faug dieses Jahrhunderts der Zusammenhang mit
der großen Ueberlieferung zerrissen worden. Nur in
England nicht, dessen Kunst denn auch iu technischer
Beziehung am höchsten steht. In Frankreich, Belgien
und Holland suchte man früh wieder Fühlung mit
den alten Meistern zu gewiuueu. Iu Müucheu löste
dann Hiloty dieselbe Aufgabe uud begründete damit
die Größe der Schule. In Berlin gingen die Lessing
und Schrader ähnliche Wege mit bescheideneren: Er-
folg, sie gingen nur so mit. Aber sie kouuten in:
Sinne der alten Meister malen und malen lehren.
Es ist möglich, daß sich die um Weruer als ihre
Schüler und Nachfolger fühlen. Sie sind es nicht.
Sie haben die Schönmalerei aufgegeben und die
korrekte Natürlichkeit eingeführt. Sie können, wenn
etwas, richtig zeichnen lehren. Sie bilden einen
Uebergang zum neuen Realismus, zu der ueueu
Traditiou, wem: mau so will, die in der Entwickiung
begriffen ist, und die wieder mehr auf die Farbe
ausgeht. Es kam: eineu Iüuger der Kuust reizeu,
in: alten Sinne malen zu lernen, oder in: neuen
Sinne; gerade in werner'schem Sinne malen zu
lerneu, kam: ihn nicht reizen.
Nun soll ein böses Mittel drohen: der Zwang.
Die Idee ist um so merkwürdiger, als die deutsche::
Hochschulen der Wissenschaften ihre großen Erfolge
gerade der Freiheit der Schüler verdanken. Die be-
deutendsten Universitätslehrer dulden den ketzerischsten
Widerspruch; ja, die ganze Arbeit mit den älteren
Schülern beruht geradezu auf der freien Diskussion.
Und für den Unterricht des werdenden Künstlers, der
später nur durch seine freie Eigenart wirken kann,
sollte der Zwang das beste Mittel sein?! Man jagt
sicher die besten damit fort.
Es sollte doch zu denke:: geben, daß junge Leute,
die auf der Berliner Hochschule schlechte Schüler
wäre::, iu Haris uuermüdliche Arbeiter werden. Da
giebt es keine Gipsklasse, kein Zeichnen nach der
Antike, keine vorgeschriebene Malweise, sondern in
der währenden freien Arbeit nach der Natur wachsen
die Kräfte des Künstlers. Selbst von Künstlern, die
garnicht mit der französischen Art sympathisiren, wird
diese Methode als die rechte anerkannt. Aber wie
in vielen anderen Dingen, so schweigen sie auch hier
und lassen die Sache, die sie persönlich nicht berührt,
gehen, wie sie gehen will. Jeder Einzelne weiß und
sagt es wohl auch iu kleiuem Kreise, daß eiue Reform
unserer Hochschule eine dringende Nothwendigkeit ist,
aber weder in der Akademie, deren Sache es doch
wohl wäre, noch in: Verein Berliner Künstler, der ja
auch ein Wort mitreden könnte, ist diese Reform je-
mals Sache der öffentlichen Erörterung gewesen.
Wie in: Einzelnen die Dinge sich gestalten mußten,
darüber kann der Laie nichts sagen. Nur eius möchte
ich bemerke::. Es ist durchaus nicht nöthig, das nun,
wie das nach einen: witzigen Wort in einer Mün-
chener Klasse geschieht, „das ganze Bataillon Hleinair
malt". Es giebt ja doch genug Maler, die über
solche:: schabloueuhafteu Rezepte:: siehe::. Worauf es
ankommt, ist, daß die Schüler die Natur uubefangeu
sehe:: uud scharf wiedergebeu lerueu, ob iu duukel
oder iu hell, das ist wirklich vollkommeu gleichgiltig.
Sie wollen ja nur die Gruudlage erwerbe::, auf der sie
dam: iu freier Thätigkeit baue:: mögeu, was sie wollen.
Nothwendig wird, soll dieser Zweck erreicht
werden, ein „Revirement" in: Lehrkörper sein. An
jüngeren Kräften, die geeignet sind, wird es nicht
mangeln, es brauchten ja auch uicht uur Berliuer zu
sein. Wenn die Frage nur eimnal m Fluß kommt,
wird sie auch ihre Lösung finden. Es ist aufs
Iunigste zu wüuscheu uud zu hoffeu, daß mit den:
neuen Hein:, das der Hochschule gegebeu wird, eiue
ueue Aera begiuue. Eiue gute Akademie würde vou
überall her Schüler herauzieheu uud eiueu wichtige:: Fort-
schritt iu der Eutwicklung der KuuststadtBerliu bedeute::.
—2-<H Die Kunst-Halle.
Ur. s5
dem qualvollen und fruchtlosen Ringen mit der Technik
verloren, deren Grundlagen sie bequem hätteu leruen
köuueu. Kuust iu höchstem Siuue ist nicht lehrbar,
wohl aber kann man, ja muß mau die haudwerklicheu
Gruudlageu erlerueu. Und das Kunstleben hängt
schließlich nicht von den wenigen Genies ab, sondern
auch vou deu vieleu Taleuten. Der Durchschnitt der
Berliner Kunst ist niedrig, weil die Hochschule dieseu
Taleuteu uicht die nöthige Ausbildung giebt.
Herr von Werner giebt alle Schuld den Schülern.
Ich habe schon gesagt, inwieweit er darin Recht hat.
Wan kann auch das uoch hinzufügen, daß die ober-
flächliche Keuutniß gewisser moderner Strömungen
die jungen Leute dazu verführen mag, die elemen-
tare Technik, die Korrektheit der Arbeit zu unter-
schätzeu. Aber damit ist uoch lauge uicht gesagt, daß
die Lehrer mm gauz unschuldig siud. Sehr hübsch
und lehrreich ist in dieser Hinsicht eine Rede des be-
rühmten Juristen von Liszt, deren Inhalt neulich
durch die Hresse ging. Er sagte darin, die Verhält-
nisse im juristischen Studium hätteu sich in den letzten
Jahren sehr gebessert, er könne deu jetzigen Studirenden
ein viel besseres Zeugniß ausstellen, als er es öffent-
lich vor einigen Jahren gethan. Der Grund sei, daß
die Lehrer sich geändert hätten, mehr auf die Wünsche
und Bedürfnisse der jungen Leute eingegaugeu seien.
Ich glaube, alle unzufriedenen Lehrer sollten sich
durch dieses Geständuiß veraulaßt fühleu, wenigstens
die Frage zu erwägeu, ob an ihren Mißerfolgen sie
nicht mitschuldig siud.
Herr vou Weruer hält es sür die Aufgabe des
Unterrichts, die Tradition weiterzugeben. Ja, das
ist richtig, nur muß es uicht Traditiou schlechtweg,
sondern es muß gute Tradition sein. Und die fehlt
gerade der Generation, die heute die Mehrzahl der
Lehrer au der Hochschule stellt. Ueberall ist am An-
faug dieses Jahrhunderts der Zusammenhang mit
der großen Ueberlieferung zerrissen worden. Nur in
England nicht, dessen Kunst denn auch iu technischer
Beziehung am höchsten steht. In Frankreich, Belgien
und Holland suchte man früh wieder Fühlung mit
den alten Meistern zu gewiuueu. Iu Müucheu löste
dann Hiloty dieselbe Aufgabe uud begründete damit
die Größe der Schule. In Berlin gingen die Lessing
und Schrader ähnliche Wege mit bescheideneren: Er-
folg, sie gingen nur so mit. Aber sie kouuten in:
Sinne der alten Meister malen und malen lehren.
Es ist möglich, daß sich die um Weruer als ihre
Schüler und Nachfolger fühlen. Sie sind es nicht.
Sie haben die Schönmalerei aufgegeben und die
korrekte Natürlichkeit eingeführt. Sie können, wenn
etwas, richtig zeichnen lehren. Sie bilden einen
Uebergang zum neuen Realismus, zu der ueueu
Traditiou, wem: mau so will, die in der Entwickiung
begriffen ist, und die wieder mehr auf die Farbe
ausgeht. Es kam: eineu Iüuger der Kuust reizeu,
in: alten Sinne malen zu lernen, oder in: neuen
Sinne; gerade in werner'schem Sinne malen zu
lerneu, kam: ihn nicht reizen.
Nun soll ein böses Mittel drohen: der Zwang.
Die Idee ist um so merkwürdiger, als die deutsche::
Hochschulen der Wissenschaften ihre großen Erfolge
gerade der Freiheit der Schüler verdanken. Die be-
deutendsten Universitätslehrer dulden den ketzerischsten
Widerspruch; ja, die ganze Arbeit mit den älteren
Schülern beruht geradezu auf der freien Diskussion.
Und für den Unterricht des werdenden Künstlers, der
später nur durch seine freie Eigenart wirken kann,
sollte der Zwang das beste Mittel sein?! Man jagt
sicher die besten damit fort.
Es sollte doch zu denke:: geben, daß junge Leute,
die auf der Berliner Hochschule schlechte Schüler
wäre::, iu Haris uuermüdliche Arbeiter werden. Da
giebt es keine Gipsklasse, kein Zeichnen nach der
Antike, keine vorgeschriebene Malweise, sondern in
der währenden freien Arbeit nach der Natur wachsen
die Kräfte des Künstlers. Selbst von Künstlern, die
garnicht mit der französischen Art sympathisiren, wird
diese Methode als die rechte anerkannt. Aber wie
in vielen anderen Dingen, so schweigen sie auch hier
und lassen die Sache, die sie persönlich nicht berührt,
gehen, wie sie gehen will. Jeder Einzelne weiß und
sagt es wohl auch iu kleiuem Kreise, daß eiue Reform
unserer Hochschule eine dringende Nothwendigkeit ist,
aber weder in der Akademie, deren Sache es doch
wohl wäre, noch in: Verein Berliner Künstler, der ja
auch ein Wort mitreden könnte, ist diese Reform je-
mals Sache der öffentlichen Erörterung gewesen.
Wie in: Einzelnen die Dinge sich gestalten mußten,
darüber kann der Laie nichts sagen. Nur eius möchte
ich bemerke::. Es ist durchaus nicht nöthig, das nun,
wie das nach einen: witzigen Wort in einer Mün-
chener Klasse geschieht, „das ganze Bataillon Hleinair
malt". Es giebt ja doch genug Maler, die über
solche:: schabloueuhafteu Rezepte:: siehe::. Worauf es
ankommt, ist, daß die Schüler die Natur uubefangeu
sehe:: uud scharf wiedergebeu lerueu, ob iu duukel
oder iu hell, das ist wirklich vollkommeu gleichgiltig.
Sie wollen ja nur die Gruudlage erwerbe::, auf der sie
dam: iu freier Thätigkeit baue:: mögeu, was sie wollen.
Nothwendig wird, soll dieser Zweck erreicht
werden, ein „Revirement" in: Lehrkörper sein. An
jüngeren Kräften, die geeignet sind, wird es nicht
mangeln, es brauchten ja auch uicht uur Berliuer zu
sein. Wenn die Frage nur eimnal m Fluß kommt,
wird sie auch ihre Lösung finden. Es ist aufs
Iunigste zu wüuscheu uud zu hoffeu, daß mit den:
neuen Hein:, das der Hochschule gegebeu wird, eiue
ueue Aera begiuue. Eiue gute Akademie würde vou
überall her Schüler herauzieheu uud eiueu wichtige:: Fort-
schritt iu der Eutwicklung der KuuststadtBerliu bedeute::.