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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 13
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Mirbeau, Octave: Seelenmaler
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Berger, Rud.: Die Ausstellung der Münchener "Sezession"
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0230

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H Die Kunst-Halle. g>-->-

Nr. 1(3

schrecklich! . . . Anfängen, womit die alten Meister ans-
hörten, niemals einen Rater vor den nnsterblich erdrückenden
Schönheiten der Natnr gehabt zu haben! . . . Nicht zu
verstehen, daß um Einen Leben ist, lebendiges Leben, uner-
schöpfliches Leben, das alle Formen, alle Poesien, alle Har-
monien enthält! Und sich Künstler nennen. So Rünstler
sein, bei Gott! Das ist nicht schwer . . . Das ist eine
kleine Handfertigkeit zu erlernen . . . Und gehen Sie doch . . .
Malereien wie die von Maurice Denis, davon würde ich
täglich Rilometer machen . . . Man soll mir den Eifel-
thurm zum Dekoriren geben ... In Tagen würde ich
ihn mit Seelen bedeckt haben, wundervoll komponirt . . .
Mit harmonirenden Kurven, mit konvergirenden parallelen
und mit quadragulären Spiralen . . . Das ist wie Emile
Bernard, von dem Du auch sagen wirst, daß er göttlich
beanlagt ist! . . . warum geht er dann zu den Friesen
des Kmerspalastes, zu den Abgüssen der antiken Monumente
von Ankor, diese kamusischen Krieger- und Bajaderen Köpfe
kopiren, um kambodgische Lhristusse und Madonnen aus
Ober-Mekong zu machen! Nein das, das ist Mystifikation!...
Und sie halten uns für zu dumm, wirklich . . .
Er wurde ganz aufgeregt. Ich fand in seinem Gesicht
die früheren Grimassen, die nervösen Zuckungen — wie damals,
als er so schmerzlich sein bitteres Leid klagte, daß er seinen
Berus verfehlt habe. —
— Gehen wir zur Bodiniere, sagte er, indem er seinen
Redefluß unterbrach.
Aber ich schützte das schöne Wetter, die wundervolle
Straße, den Pimmel mit der weichen Sonne, die ganze
Freude des Vorfrühlings vor.
— Schließlich hast Du Recht, entgegnete Kariste . . .
wir wären schön dumm uns einzuschließen, wenn es so
schön hier draußen ist, und zu ärgern, worüber? . . . Ueber
Seelen, wo wir das Schauspiel des Lebens haben . . . Und
im übrigen, ich kenne sie, die Seelenmaler . . . Das sind
Kerle, die die Frauen zu groß, und die Bäume zu klein
machen . . . Sowie Du irgendwo ein Bild siehst, auf dem
eine Frau ohne Brust, ohne püfte, ohne volle Formen um
20 Meter die höchsten Eichen und die riesigsten Tannen
überragt, so kannst Du Dir mit Sicherheit sagen, daß es
von einem Seelenmaler ist. Für diese braven Leute besteht
die Seele nur in einer Popfenstange mit bald hier, bald
dort einer Lilie, einer Iris oder einer Mohnblume . . .
Manchmal hält sie eine Lyra in der pand, oder eine
Palme . . . und ihre Augen sind umrändert, gekniffen, als
wenn sie einen Monat nicht geschlafen hätte. . . Als man
mir einst Burne-Iones erklärte sagte man mir: „Bemerken
Sie, bitte, diese gekniffenen Augen! sie sind einzig in der
Kunst . . . Man kann nicht wissen, ob sie von schlechtem
Magen oder von liederlichem Lebenswandel kommen". .. Ach,
diese Dummköpfe! — Und man weiß doch, daß sie nicht
einmal fähig wären, Murat's put in der Verkürzung, noch

einen Dragonerhelm von vorn zu zeichnen, wie ich auf
meinen Streichholzschachteln.
— Aber warum regst Du Dich so auf? Laß sie die
Frauen doch zu lang zeichnen, schließlich ist es kein Ver-
brechen. Sie machen es, wie sie es können und es sind
trotzdem brave Leute . . . was thut Dir das?
Kariste sah mich wüthend an. Seine Augen stammten.
— Was mir das thut, stotterte er, mit erstickender
Stimme . . . was das . . . Im Namen Gottes! . .. aber
weißt Du denn nicht, daß . ..
Er faßte mich am Arm und zog mich auf die Terrasse
eines Lafes.
— Trinken wir ein Glas Bier, sagte er . . . Die
Seelenmalerei erstickt mich, ich muß sie runterspülen. —
So endigten schon vor Zeiten unsere Diskussionen.
Der arme Kariste hatte sich nicht geändert. Unter seinen:
Bourgeoisanzug hatte er seine leidenschaftliche Bohemeseele
bewahrt. . .

Die Ausstellung der Münchener
„Sezession".
Von Rud. Berger.

/^S^och bevor es draußen in der Natur Frühling
ward, regte sich die Münchener Kunst. Die
„Jungen" waren es auch diesmal, welche
vorausgiugen. Ihre Ausstellung im eigenen Se-
zessions-Salon an der Prinzregentenstraße ist im
vollsten Sinne eine Frühjahrsausstellung geworden.
Frischtreibende Stämme, grüne Blätter und duftende
Blüthen brachte dieser künstlerische Frühling Münchens;
ausgereifte Produkte waren dagegen nur vereinzelt
zur Ausstellung gelangt. Doch besteht kaum mehr
ein Zweifel darüber, daß der Herbst eine reiche künst-
lerische Ernte bringen wird; denn noch nie war das
Frühjahr schon mit einer solchen Kraftfülle auf-
getreten wie diesmal.
Freilich darf dabei nicht unberücksichtigt bleiben,
daß auch ein äußerer Anlaß mit den Anstoß zu einem
solchen qualitativen und quantitativen Zuwachs der
diesjährigen Sezessionisten-Frühjahrsausstellung gegen-
über ihren Vorgängerinnen gegeben hat: die Große
Berliner Internationale Kunstausstellung. Gar viele
von den nunmehr im Pavillon an der Prinzregenten-
straße ausgestellten Gemälden waren bestimmt, die
Reise von der Isar nach der Spree anzutreten und
das künstlerische Uebergewicht des deutschen Südens
uä oou1o8 zu demonstriren. Da kam ganz unerwartet
die Parole der Sezessionisten, sich an der „Inter-
nationalen" der Reichshauptstadt nicht zu betheiligen.
So kam es, daß der Frühjahrssalon eine Reihe von
 
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