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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 19
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Sepp, Josef: Einwirkung der Kunst auf Religion und Völkerleben
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Die Vollendung des Kyffhäuser-Denkmals
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0336

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292

Die Kunst-Halle. 8^-

Nr. (9

hast gesiegt, Muhanuned!" Erst unter der Kaiserin
Theodora konnte die Wiederherstellung religiöser
Kunstbilder durch das Fest der Orthodoxie am
(9- Februar 8^2 begangen werden. Damals sind
viele Kunstbilder nach den: Abendlande gelangt, so
das Steinbild Maria Orth, welches die Donau hin-
auf bis an die Naabmündung geführt ward und,
ursprünglich mit dem Wiesel als Attribut, die lace-
dämomsche Artemis Orthia vorstellte. Die Madonna
von Skutari wurde angeblich durch Engel nach dem
Monte Baldo am Gardasee gerettet und so die Wall-
fahrt begründet.
Auch das Abendland erfuhr solch einen Bilder-
sturm, und zwar im Zeitalter der Reformation.
Man wollte die Bibel wieder zu Ehren bringen, und
da steht als Derbst Gottes (vielmehr Mosis!):
Du sollst „Dir kein Schnitzbild machen". Wie ge>
rechtfertigt schien der Ruf: „Der Baalskult ist in die
Kirche eingedrungen! Hinaus mit all den Bildern!"
Karlstadt predigte wie rasend gegen die Heiligen
und deren Bilder, so daß Luther von der Wartburg
aufbrach, um der Wütherei in Wittenberg Schranken
zu setzen. Die Schwarmgeister von Zwickau oder
die Wiedertäufer unter Thomas Münzer setzten die
Zerstörung in den Gotteshäusern, zumal in Orla-
münde fort, so daß Luther in Zena neuerdings die
Kanzel besteigen mußte, um seinen Feuereifer zu
dämpfen. Luther's Widersacher Talvin steifte sich
namentlich auf das göttliche Gebot: „Kein Thristus-
oder Heiligenbild!" Durch seinen und Zwingli's
Fanatismus sind erstaunlich viele Kunstwerke unter-
gegangen, so daß es in den Schweizerkirchen so schaal
und kahl aussieht, wie in einer Zudenschule. Das
Herz blutet uns, wenn wir, um nur auf weniges uns
zu beschränken, beglaubigt lesen, wie (525 in Basel
lediglich aus Gemälden auf Holz drei große Brände
angerichtet wurden. Die Menge der zu förmlichen
Scheiterhaufen aufgehäuften Bilder war so beträcht-
lich, daß man sie anfänglich zum Verbrennen an die
Armen vertheilen wollte, aber davon Abstand nahm
aus Besorgniß, es möchte in den verschiedenen
Kirchenspielen Streit entstehen und Manches bei
Seite geschafft werden. Selbst Hans Holbein's
Grgelthüren, seine letzte kirchliche Arbeit, waren in
Gefahr und nur zwei oder drei Bilder vom Anfang
des sechzehnten Zahrhunderts sind dem Brande ent-
gangen und im Privatbesitz erhalten. Hans Holbein,
der Kirchenmaler, fand keine Beschäftigung mehr und
siedelte darum nach England über, wo der Kanzler
Thomas Morus ihn günstig aufnahm und er
fortan mit porträtmalen sich fortbrachte.
Wir haben nun vor Augen, wie Mosaismns
und Hellenismus, der eine zum Verfall, der andere
zum Wiederaufleben der Künste beitrugen. Von Rom
aus ging die neue „Abgötterei" in der Kunst
oder die Wiedergeburt, die Renaissance im Fache
der Künste und Wissenschaften, die vatikanischen

Säle zeigen uns die Sammlungen der hellenischen
Kunstwerke, wie nie etwas Höheres geschaffen werden
wird. Andererseits hat der Zudaismus seine Zer-
störungskraft bewiesen. Man schelte nur über
Spinoza's Pantheismus! Derselbe ist den Bureau-
kraten in Fleisch und Blut übergegangen, weit Über-
boten haben ihn, den optischen Gläserschleifer, die
Puritaner, welche den General der Restauration,
Monk, nöthigten, das wunderherrliche Margarethen-
fenster zu Oxford zu vergraben, wie der Küster zu
Nördlingen die Gemälde eines Herlen und Feselen
nur dadurch rettete, daß er sie hinter dem Thor-
altar verschaalte. Die christlichen Wechabiten schon-
ten die Prachtfenster der Kathedrale zu Tanterbury
so wenig, wie die Glasgemälde zu St. Tanice in
Zrland, wofür der spanische Gesandte und päpstliche
Nuntius Tausende von Pfunden geboten hatte.
Von der modernen Tivilisation bis zur neuen
Barbarei ist nur ein Schritt. Sind doch auch die
Sanskulotten in Straßburg mit Füßen in die Bilder
hineingesprungen, sie zu zerstampfen. Dies sollten
die Lobhudler des gedankenlosen Realismus wohl
bedenken, welche auf einen Cornelius, Overbeck,
Schnorr und Stein le gerin schätzig herabblicken
möchten. Das Kunstgebiet bildet heute keinen so
konfessionellen oder nationalen Gegensatz, vielmehr
ist offenbar, daß ein Volk, welches seine staatliche
Selbstständigkeit eingebüßt hat, sich durch seine
Sprache, Kunst und Poesie noch forterhalten kann.
Der Beweis wird wohl gelten, daß Kunst und
Religion von jeher verschwistert waren, und die
Künstler oder ihre Schöpfungen einen nicht un-
bedeutenden Einfluß auf den Gang der Weltgeschichte
übten. Die Kunst ist und bleibt Berufssache und ein
vorzügliches Bildungsmittel für die Vergangen-
heit, Gegenwart und alle Zukunft. Freuen wir
uns, daß wir Deutsche es darin so weit gebracht
haben.

Die Vollendung des Rgffhäuser-
Denkmals.
^An noch größerem Umfange als beim Niederwald-
Monument ist bei diesem jüngsten Kolossal-
Denkmal, das die ^56 m hohe Kuppe des ehr-
würdigen Kyffhäuser - Burgberges weithin sichtbar
krönt, der Architekt zur Gestaltung des Werkes be-
rufen gewesen. Vor mehreren Zähren fand bekannt-
lich eine Konkurrenz um dieses monumentale Werk
statt, aus der Prof. E. Hundrieser im Bunde mit
dem bekannten Berliner Baukünstler Bruno Schmitz
als Sieger hervorgingcn. Zedem von uns steht wohl
noch die von letzterem gezeichnete große Kohle-Per-
 
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