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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 8
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Wiener Kunstbrief
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Berliener Kunstschau
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—Die Runst-Halle.

Nr. 8

und eilt nun auf neuen Pfaden den Andern jubelnd voran. Daß
es noch manchmal Most ist, was er kredenzt, und daß der
Most sich noch häufig „toll geberdet", thut dein Glauben an
sein Können keinen Abbruch. Mit der Begabung Lngel-
hardt's, seinen: zielstrebenden Willenseifer könnte man eine
ganze Kompagnie landläufiger Malergrößen ausstatten. Er
hat sich eine Meisterschaft angeeignet in der Beherrschung
von Licht und Schatten, im Auffangen und Loslassen von
Strahlen, lebendig hüpfenden Sonnenstrahlen, die sich durch
schattige Bäume und buschiges Laub Hindurchzwängen, daß
man z. B. vor seinen Bildern „Posthof in Larlsbad" und
„Frühlingsmorgen in: Prater" wie vor Offenbarungen steht.
Dabei verblüfft er durch die kühne technische Behandlung,
bei fast ascetischen: Verzicht auf stoffliche Schönheit. „Adam
und Lva" ein polychromirtes Basrelief in Gips ist eine
Künstlerschrulle. Keine lächerliche, denn es liegt ihr ein
hoher Vorwurf zu Grunde. Ls sieht aus, als wäre es
durch eine Kunst geschaffen, die keine technische Toilette
kennt — ein nackter, keuscher Gedanke. An: bedeutendsten
aber scheint mir das Pastell „Die Kraft". Man konnte es
als eine stolzbewußte Lharakterisirung des eigenen wollens
und Könnens nehmen. Stuck'sche Fraktur in: Gegenständ-
lichen mit der findigsten technischen Meisterschaft. Und
rechts und links davon die beiden prächtigen Entwürfe für
Fayence „Artischocke" und „Feuerlilie." Und an einer weniger
beachteten Seitenwand sein „Kunstxfeifer", eine Meister-
leistung wiener Typenzeichnung. Man darf Lngelhardt
aufrichtig Glück wünschen.
Ueber Anton Schrödl und w. von Lindenschmidt
ist schon früher so viel gesagt worden, daß dem Bericht-
erstatter, der hier ganzen Sammlungen von Werken dieser
verdienten Vertreter älterer Richtungen der Landschaft bezw.
des Historienbildes gegenübersteht, kaum eine neue Be-
merkung mehr möglich ist. Dasselbe gilt auch von den:
Franzosen I. F. Raffaelli, der seit einigen Jahren auf
keiner der größeren Ausstellungen ganz Europas fehlt.
Iver hier die spiraligen Bäume, die zittriger: Konturen, die
eigentümliche Mischung vor: Zeichnung und Farbe, die
temperamentvolle Behandlung des geborener: Skizzisten be-
trachtete, erinnerte sich vielleicht auch der Worte eines be-
kannten wiener Kritikers: Es habe dieser geistreiche
Maler „die bewegte Außenwelt des vorüberhuschenden
Augenblicks" etwa so genau fixirt „als es in der Wirklich-
keit der flüchtige Blick vermag".
Endlich die Plastik mit drei Worten. Am bemerkens-
werthesten ist zweifellos der Nachlaß Ludwig Dürn-
bauer's. Aus der: zahlreichen größerer: und kleineren
Schöpfungen und Entwürfen des Meisters ragt die Gruppe
„Der Kampf urn's Brot" mächtig hervor. Das ist ein
8tMäg,rä-vorl< realistischer Bildnerei, eine Schöpfung, derer:
Ursprünglichkeit indeß nirgends störend oder aufdringlich
wirkt. Ls ist schade um dieser: Künstler, er hätte noch sehr
Bedeutendes leisten können!
Paul Wilhelm.
Berliner Runstschau.
* Im Salon Gurlitt treffen wir in der Januar-
Ausstellung Werke eines jungen Bildhauers Franz Flaum,
der im vorigen Winter zum ersten Male in die Geffentlich-
keit trat und gleich freudiges Aufsehn erregte.

Flaum ist Pole vor: Geburt, hat irr Paris seine Kunst
gelernt und schafft in Berlin. Auch bei ihm tritt zu Tage,
was wir an den polnischen Malern bewundern; sie sind,
trotzdem ihre Nation äußerlich zu sein aufgehört hat, national
bis in die Knochen. Das tritt bei den Nalern deutlicher
hervor, da meist schon in der Wahl der Motive die Liebe
zum heimischen Boden und seinen Menschen sich äußert.
Aber auch bei Motiven aus der Fremde zeigt sich die Ligen-
art des Stammes, der zugleich zu süßer Melancholie und
zu hitziger Leidenschaftlichkeit neigt. Bei Flaum scheint diese
letztere Stimmung die herrschende zu sein. Die Liebe ist
sein ständiger Stoff, die Liebe nicht als reizendes Spiel, wie
sie die Franzosen, nicht als schmachtendes Gefühl, wie sie
die Deutschen verstehen, sondern die Liebe als heißes Be-
gehren der Sinne. Lr schildert das Weib, das in glühender
Sehnsucht sich verzehrt, oder mit Auge und Mund versucht
und lockt. Lr schildert den Mann, der in sinnlosem Rausche
das Weib zu sich zwingt. Ls ist etwas Schwüles, Sündiges
in seiner Kunst.
Aber es ist nichts Erkünsteltes darin. Sein Werk ist
der elementare Ausbruch eines jähen Temperaments. Und
deshalb lebt es und wirkt. Lr ist auch zu sehr Künstler,
oder präziser gesagt: zu sehr Bildhauer, um sich von seinem
Temperament über die Grenzen seiner Kunst fortreißen zu
lassen. Selbst in der Gruppe „Auf dem Felsen", in welcher
der Mann mit dem Weibe ringt, ist die drohende Geschmack-
losigkeit vermieden. Das ist die bewunderungswürdige Fein-
heit des Künstlers, daß bei aller scheinbaren Rücksichtslosig-
keit in der Charakteristik die Rücksicht auf die Schönheit der
Form immer gewahrt bleibt. Die Formen sind sogar keusch
zu nennen.
In der Technik hat Flaum große Fortschritte gemacht.
Seine ersten Figuren hatten etwas Ueberschlankes und blieben
in der Modellirung fast zu allgenrein. Lr hat offenbar jetzt
eingehender studiert. Line leichte Bemalung wendet er mit
Geschick an, wieder geht er genau bis zur Grenze, jeder
Schritt weiter in realistischer Farbengebung müßte gefährlich,
könnte widerlich werden. —
Im Uebrigen bietet der Salon wie in seiner Herbstaus-
stellung ein abwechslungsreiches, interessantes Potpourri.
Meister Leibl ist nur mit kleineren Arbeiten vertreten, um
so ausgiebiger sein Freund Sperl, mit dem er bekanntlich
manche Bilder in Gemeinschaft gemalt hat. Sperl ist in
erster Linie Landschafter. Für seine Bilder paßt vielleicht
am besten der Ausdruck: altfränkisch. Aber ich muß dabei
bemerken, daß ich nicht modern genug bin, um diesen Aus-
druck als abfälliges Urtheil zu gebrauchen. Lr paßt auch
auf Leibl, Sperl ist nicht durch Zufall sein Landschafter ge-
worden, Leibl's Figuren könnten in keinen modernen Land-
schaften stehen, wir sind an mehr Licht und Luft ge-
wöhnt, als Sperl giebt, und wer dieses Mehr für etwas
wesentliches hält, der wird sich mit seinen Bildern nicht
befreunden können. Ich stelle diese Äußerlichkeiten bei
aller Achtung nicht so ungeheuer hoch und finde viele Werke
Sperl's sehr reizvoll. Lr malt gern blumige wiesen, auf
der Alp droben oder in: Obstgarten unten, und vertieft
sich mit Liebe in die einzelnen Blumen, die ihm mehr sind
als Farbenflecken, auch lauschige Lauben und grünumsxonnene
Häuser, kurz friedliche, ruhige, gemüthliche Lckchen. Lr
setzt auch gern Menschen hinein, die diese stillen Reize ge-
nießen. Max Liebermann's „Zimmermanns-Werkstätte"
ist eine ältere Arbeit, die ihn noch in: Banne der alten
 
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