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Die Runst-^alle.
Das sind freilich keine besonders günstigen Auspizien,
unter denen der ncnc Präsident der Münchener Künstler-
genossenschast, pugo Bürgel, das Erbe seines Vorgängers,
von Stieler, angetreten hat. Zur schon bestehenden Spaltung
der Münchener Künstlerschaft ist die Beunruhigung durch
die Berliner Konkurrenz hinzugekonnnen, und dadurch sind
dein Paupt der Genossenschaft neue Aufgaben, neue Sorgen
erwachsen. Allein allein Anschein nach hat die Mahl dies-
mal den Mann getroffen, den München in der gegenwärtigen
kritischen Zeit braucht. Mir glauben fest, das; perr pugo
Bürgel mit der nöthigen Schneidigkeit auftreten wird, wenn
es gilt, Münchens Künstlerehre zu schützen, und daß es seiner
persönlichen Liebenswürdigkeit gelingen wird, die uneinigen
hiesigen Künstler auf's Neue zu versöhnen.
Freilich hat die erste außerordentliche Generalversamm-
lung der Münchener Künstlergenossenschaft, die von ihm zu-
sammenberufen worden war, einige Enttäuschung gebracht.
Man hatte gehofft, perr Bürgel werde ein, wenn auch nur
kurzes Programm seiner beginnenden Amtsthätigkeit geben.
Statt dessen brachte die Versammlung nur zwei Ehrungen
(für perrn von Stieler nnd das verstorbene Ehrenmitglied
Sir Frederik Leighton) und einige Statutenänderungen zn
stände und förderte sonst nicht wesentlich die wichtigsten An-
gelegenheiten unserer Kunst.
Menn zwei sich streiten, hat bekanntlich der Dritte den
Gewinn! Das emsige Schaffen für die Münchener und
Berliner Kunstausstellungen, ferner für Nürnberg, Stuttgart,
Turin, Budapest und andere Städte fördert reichliches Ma-
terial zu Tage, von dem ein starker Prozentsatz im Münchener
Kunstverein erst die Feuerprobe durch das hiesige Publikmn
und die hiesige Kritik bestehen soll, so daß sich also für die
zahlreichen Mitglieder dieses Vereins eine angenehme Per-
spektive eröffnet. Gleichzeitig hat der rechnerische Abschluß
des letzten Jahres bei einer Einnahme von 125,M Mark
einen Ueberschuß von 531.0 Mark ergeben. Angesichts dieses
günstigen materiellen Ergebnisses ist eine Neihe thatsächlicher
Verbesserungen in Berathung gezogen worden, dazu be-
stimmt, einerseits das künstlerische Niveau der zur Aus-
stellung gelangenden Merke zn heben, anderseits auch die
Interessen der Künstler bei Ankauf von Kunstwerken für
die Sammlung des Vereins — bis jetzt sind es 35 Merke
für den Ankaufspreis von 128,850 Mark — sowie für die
zur vertheilung an die Mitglieder alljährlich gelangenden
Nadirnngen wirksam zu fördern.
Noch unbekümmert um das Kriegsgeschrei „hie München
— hie Berlin," trifft zur Zeit die jüngste Generation, die
studirende Jugend der Akademie, ihre Vorbereitungen zur
bevorstehenden „Maskierten Perren-Festkneipc". Seit einer
Neihe von Jahren gelten diese Veranstaltungen als hervor-
ragende festliche Ereignisse. Eine fieberhafte Thätigkeit
herrscht in den Räumen des Münchener Kindl - Kellers, wo
die Faschingskneipe anch in diesen: Jahre wieder abgehalten
werden wird. Als Motiv liegt das Thema „Unterwelt" zu
Grunde, das Gelegenheit genug zu Mitz und pumor bietet.
Möchten diese gemeinsamen Veranstaltungen den Keim des
Zusammengehörigkeitsgefühls in der jungen Künstler-Gene-
ration wachhalten, wie dies ja auch bei den freilich weniger
feenhaft prunkenden Künstlerkneipen der „guten, alten Zeit"
der Fall gewesen ist!
R. M
Dresdner Runstbries.
Dresden, 8. Februar.
us den: Januar ist von hier zwar dies und das, in:
Grunde aber doch wohl wenig, was für die Reichs-
hauptstadt absolut neu märe, zu berichten. Bei Ernst
Arnold wurde eine Sonderausstellung Rafaölli's viel
und sehr verschiedenartig besprochen. Mas uns betrifft, so
würden wir wohl nie des Meisters Kraft der Charakteristik
in bedeutenden Köpfen (zumal an das im Ausdruck der
ciuzelnen Physiognomien verblüffend durchgebildete „Lle-
meneeau in einer Mahlversammlung" denke ich dabei), seine
Kunst der Luft-Perspektive, sein Gefühl für Raumtiefe und
Raumbelebung, sowie seine hochentwickelte Technik verkennen;
aber daß wir es bei seinen Figuren nnd Figürchen gar sehr
oft doch nur mit leeren Marionetten zu thun haben, daß
er nicht nur sehr ungleich arbeitet, sondern auch von gröb-
lichen Geschmacklosigkeiten gelegentlich sich nicht frei hält
— kurz, daß in: Großen und Ganzen doch mehr ein
raffinirt differenzirender Macher als grade eine fein organi-
sirtc Künstlerseele aus seinen Merken herausschaut, das
dürste bei einen: Gesammtüberblick über sein mitunter sehr
kleinliches Schaffen doch schon nicht mehr übersehen werden.
Paul Baum, unser heimischer Stimmungslandschafter von
Gottes Gnaden, soll über diesen Raffaöli sehr entzückt ge-
wesen sein; wir können ihn: aber versichern, seine eigenen
„Baum-Akte" (wie er sie lichtvoll selber nennt), sagen uns
in ihrer poetischen Nachempfindung des zarten, weitver-
zweigten Seelengeästes dieser vegetativen Lebewelt zehn-
und hundertmal mehr, als die gesuchten Raffaöli'schen
Kritzeleien auf diesen: Gebiete, die uns nicht wie die Nach-
bildung der Erscheinung, sondern nur mehr wie ein reflek-
tirter Schatten, wie willkürliche Abstraktion jener Nach-
bildung schon berühren.
Im Sächsischen Kun st verein hat eine stattliche
Kollektion der „Düsseldorfer freien Vereinigung"
gezeigt, daß zwar dort noch immer die Reminiszenzen der
älteren Düsseldorfer Schule mit ihrer geinalten Novelle und
den: stofflichen Reize des Genre spuken, auch daß die Kunst
im Mohlleben der schönen, fröhlichen Rheinstadt noch heute
ohne ernstere Lebensnöthe in freundlicher Mohlgenährtheit
flott gedeiht, wie nicht minder die geistige Verwandtschaft
mit der niederländischen Malerei an allen Ecken und Enden
anch heute wieder deutlich herausguckt; die Ausstellung hat
aber zugleich gelehrt, daß ebenso, wie überall in den
„freien Vereinigungen", neue, triebkräftigc Keime augesetzt
haben, die eine künftige Blüthezeit zu verbürgen scheinen.
Bei Lichterberg in: „viktoriahaus" endlich beginnt
ein junger, heimischer Plastiker, Arnold Trainer mit
Namen, nenerdings mehr und mehr die Aufmerksamkeit
weiterer Kreise auf sich zu lenken — er hat auch jüngst
in: Wettbewerb des Vereins zur „Förderuug des Fremden-
verkehrs" zu Dresden mit seinen: Plaketten - Entwurf für
eine Ehrentafel den ersten Preis davongetragen; wogegen
inan den künstlerische«: Werth einer unsäglich trocken an-
muthenden Erfindung des Bildhauers Fritz Kretzschmar-
Plauen, ein völlig neues Verfahrei: zur Bemaluug plasti-
scher Werke betreffend, absolut nicht recht einzusehen ver-
mochte — bei aller Feinheit der Abtönung und der chroma-
tischen Uebergänge fehlt doch dem spröden, krystallinisch-
bröseligen Material jede zartere Beseelung, von den: „Ein-
Die Runst-^alle.
Das sind freilich keine besonders günstigen Auspizien,
unter denen der ncnc Präsident der Münchener Künstler-
genossenschast, pugo Bürgel, das Erbe seines Vorgängers,
von Stieler, angetreten hat. Zur schon bestehenden Spaltung
der Münchener Künstlerschaft ist die Beunruhigung durch
die Berliner Konkurrenz hinzugekonnnen, und dadurch sind
dein Paupt der Genossenschaft neue Aufgaben, neue Sorgen
erwachsen. Allein allein Anschein nach hat die Mahl dies-
mal den Mann getroffen, den München in der gegenwärtigen
kritischen Zeit braucht. Mir glauben fest, das; perr pugo
Bürgel mit der nöthigen Schneidigkeit auftreten wird, wenn
es gilt, Münchens Künstlerehre zu schützen, und daß es seiner
persönlichen Liebenswürdigkeit gelingen wird, die uneinigen
hiesigen Künstler auf's Neue zu versöhnen.
Freilich hat die erste außerordentliche Generalversamm-
lung der Münchener Künstlergenossenschaft, die von ihm zu-
sammenberufen worden war, einige Enttäuschung gebracht.
Man hatte gehofft, perr Bürgel werde ein, wenn auch nur
kurzes Programm seiner beginnenden Amtsthätigkeit geben.
Statt dessen brachte die Versammlung nur zwei Ehrungen
(für perrn von Stieler nnd das verstorbene Ehrenmitglied
Sir Frederik Leighton) und einige Statutenänderungen zn
stände und förderte sonst nicht wesentlich die wichtigsten An-
gelegenheiten unserer Kunst.
Menn zwei sich streiten, hat bekanntlich der Dritte den
Gewinn! Das emsige Schaffen für die Münchener und
Berliner Kunstausstellungen, ferner für Nürnberg, Stuttgart,
Turin, Budapest und andere Städte fördert reichliches Ma-
terial zu Tage, von dem ein starker Prozentsatz im Münchener
Kunstverein erst die Feuerprobe durch das hiesige Publikmn
und die hiesige Kritik bestehen soll, so daß sich also für die
zahlreichen Mitglieder dieses Vereins eine angenehme Per-
spektive eröffnet. Gleichzeitig hat der rechnerische Abschluß
des letzten Jahres bei einer Einnahme von 125,M Mark
einen Ueberschuß von 531.0 Mark ergeben. Angesichts dieses
günstigen materiellen Ergebnisses ist eine Neihe thatsächlicher
Verbesserungen in Berathung gezogen worden, dazu be-
stimmt, einerseits das künstlerische Niveau der zur Aus-
stellung gelangenden Merke zn heben, anderseits auch die
Interessen der Künstler bei Ankauf von Kunstwerken für
die Sammlung des Vereins — bis jetzt sind es 35 Merke
für den Ankaufspreis von 128,850 Mark — sowie für die
zur vertheilung an die Mitglieder alljährlich gelangenden
Nadirnngen wirksam zu fördern.
Noch unbekümmert um das Kriegsgeschrei „hie München
— hie Berlin," trifft zur Zeit die jüngste Generation, die
studirende Jugend der Akademie, ihre Vorbereitungen zur
bevorstehenden „Maskierten Perren-Festkneipc". Seit einer
Neihe von Jahren gelten diese Veranstaltungen als hervor-
ragende festliche Ereignisse. Eine fieberhafte Thätigkeit
herrscht in den Räumen des Münchener Kindl - Kellers, wo
die Faschingskneipe anch in diesen: Jahre wieder abgehalten
werden wird. Als Motiv liegt das Thema „Unterwelt" zu
Grunde, das Gelegenheit genug zu Mitz und pumor bietet.
Möchten diese gemeinsamen Veranstaltungen den Keim des
Zusammengehörigkeitsgefühls in der jungen Künstler-Gene-
ration wachhalten, wie dies ja auch bei den freilich weniger
feenhaft prunkenden Künstlerkneipen der „guten, alten Zeit"
der Fall gewesen ist!
R. M
Dresdner Runstbries.
Dresden, 8. Februar.
us den: Januar ist von hier zwar dies und das, in:
Grunde aber doch wohl wenig, was für die Reichs-
hauptstadt absolut neu märe, zu berichten. Bei Ernst
Arnold wurde eine Sonderausstellung Rafaölli's viel
und sehr verschiedenartig besprochen. Mas uns betrifft, so
würden wir wohl nie des Meisters Kraft der Charakteristik
in bedeutenden Köpfen (zumal an das im Ausdruck der
ciuzelnen Physiognomien verblüffend durchgebildete „Lle-
meneeau in einer Mahlversammlung" denke ich dabei), seine
Kunst der Luft-Perspektive, sein Gefühl für Raumtiefe und
Raumbelebung, sowie seine hochentwickelte Technik verkennen;
aber daß wir es bei seinen Figuren nnd Figürchen gar sehr
oft doch nur mit leeren Marionetten zu thun haben, daß
er nicht nur sehr ungleich arbeitet, sondern auch von gröb-
lichen Geschmacklosigkeiten gelegentlich sich nicht frei hält
— kurz, daß in: Großen und Ganzen doch mehr ein
raffinirt differenzirender Macher als grade eine fein organi-
sirtc Künstlerseele aus seinen Merken herausschaut, das
dürste bei einen: Gesammtüberblick über sein mitunter sehr
kleinliches Schaffen doch schon nicht mehr übersehen werden.
Paul Baum, unser heimischer Stimmungslandschafter von
Gottes Gnaden, soll über diesen Raffaöli sehr entzückt ge-
wesen sein; wir können ihn: aber versichern, seine eigenen
„Baum-Akte" (wie er sie lichtvoll selber nennt), sagen uns
in ihrer poetischen Nachempfindung des zarten, weitver-
zweigten Seelengeästes dieser vegetativen Lebewelt zehn-
und hundertmal mehr, als die gesuchten Raffaöli'schen
Kritzeleien auf diesen: Gebiete, die uns nicht wie die Nach-
bildung der Erscheinung, sondern nur mehr wie ein reflek-
tirter Schatten, wie willkürliche Abstraktion jener Nach-
bildung schon berühren.
Im Sächsischen Kun st verein hat eine stattliche
Kollektion der „Düsseldorfer freien Vereinigung"
gezeigt, daß zwar dort noch immer die Reminiszenzen der
älteren Düsseldorfer Schule mit ihrer geinalten Novelle und
den: stofflichen Reize des Genre spuken, auch daß die Kunst
im Mohlleben der schönen, fröhlichen Rheinstadt noch heute
ohne ernstere Lebensnöthe in freundlicher Mohlgenährtheit
flott gedeiht, wie nicht minder die geistige Verwandtschaft
mit der niederländischen Malerei an allen Ecken und Enden
anch heute wieder deutlich herausguckt; die Ausstellung hat
aber zugleich gelehrt, daß ebenso, wie überall in den
„freien Vereinigungen", neue, triebkräftigc Keime augesetzt
haben, die eine künftige Blüthezeit zu verbürgen scheinen.
Bei Lichterberg in: „viktoriahaus" endlich beginnt
ein junger, heimischer Plastiker, Arnold Trainer mit
Namen, nenerdings mehr und mehr die Aufmerksamkeit
weiterer Kreise auf sich zu lenken — er hat auch jüngst
in: Wettbewerb des Vereins zur „Förderuug des Fremden-
verkehrs" zu Dresden mit seinen: Plaketten - Entwurf für
eine Ehrentafel den ersten Preis davongetragen; wogegen
inan den künstlerische«: Werth einer unsäglich trocken an-
muthenden Erfindung des Bildhauers Fritz Kretzschmar-
Plauen, ein völlig neues Verfahrei: zur Bemaluug plasti-
scher Werke betreffend, absolut nicht recht einzusehen ver-
mochte — bei aller Feinheit der Abtönung und der chroma-
tischen Uebergänge fehlt doch dem spröden, krystallinisch-
bröseligen Material jede zartere Beseelung, von den: „Ein-