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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 15
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Dworaczek, Wilhelm; Tilgner, Viktor Oskar [Gefeierte Pers.]: Viktor Tilgner (†): der Meister und sein letztes Werk
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Dworaczek, Wilhelm: XXIV. Jahres-Ausstellung im Wiener Künstlerhaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0267

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Nr. s5

-Die Kunst-Halle, g»--

23 s

der Töne, dessen jubelnder Hymnensang wie ein
Preislied der Schönheit, der ewigen unvergänglichen
Lebenslust anmuthet. Nur manchmal trübten düstere
Schatten Tilgner's heiteren Lebensmuth und in einer
solchen Stimmung mochte er wohl dazu gekommen
sein, an einer Stelle des Denkmals jene paar Noten-
takte anzubringen, welche das Erscheinen des Kom-
thurs im „Don Juan" begleiten. Sie klingen wie
eine Botschaft aus jener anderen Welt, wie eine trübe
Todesmahnung im heiteren Lebenschor.
Und als den lichten, sonnigen hat Tilgner seinen
Mozart geschaffen. Verklärt sieht sein Auge empor,
wie begeistert streckt sich die rechte Hand in's Freie,
während sich die linke wie umblätternd aus ein etwa
hüfthohes Notenpult stützt. Die Gestalt ist fein, graziös
mit einer leichten schwungvollen Biegung aufgebaut,
die schmalen Beine in knappen Kniehosen, von der
Schulter wallt ein leichter Mantel in anmuthigem
Faltenwurf zur Erde herab. Der Ausdruck des Ge-
sichts ist ein freundlicher, die Augen sind leicht empor-
geschlagen, wie im Momente geistiger Inspiration.
So weit die Figur. Die rechte und linke Schmalseite
des Sockels schmücken spielende putti mit den ver-
schiedensten Emblemen. Geige, Flöte, Tello, kurz,
was da singt und klingt, hat sein anmuthiges Kerlchen
im Thore. Wien besitzt noch kein Denkmal von so
entzückender Lebendigkeit und so vollendeter Grazie,
es ist ein steinernes Iubellied und die jauchzende
olympische Schönheit Mozart'scher weisen hat in dem
kongenialen Meister einen liebevollen Bildner für die
Ewigkeit gefunden.
Aus Vorzug und Schwäche setzt sich der Reiz
alles Menschlichen zusammen, also hat auch das
Mozartdenkmal seine kleinen Schwächen — und
warum sollten wir diese verschweigen? Das Hoch-
relief an der Rückseite des Denkmals ist dem Künstler
nicht vollkommen gelungen. Hier hat ihn die freie
sichere Hand ein wenig im Stiche gelassen, wohl
durch die künstlerische Bewegung, welche die Nelief-
technik dem Plastiker auferlegt; Tilgner ist nie ihr
besonderer Freund gewesen und nun hat sie ihm einen
Streich gespielt. Und auch die metallenen Instru-
mente am Vordertheil des Sockels machen keinen
guten Eindruck — sie sind zu „echt" und sehen aus,
als ob sie eben von vorüberziehenden Musikanten
hingelegt und vergessen wurden. Doch diese kleinen
Bedenken sollen uns die Freude an diesem prächtigen
Denkmale nicht trüben, weit mehr ist dies das
tragische Schicksal im Stande, das Viktor Tilgner
unserem Dank und unserer Anerkennung so jäh und
grausam entzogen. Aber er hat zugleich mit seinem
Mozart die Palme der Unsterblichkeit errungen.
U. 3V.

XXIV. Jahres-Ausstellung im Wiener
Riinstlerhaus.
s ist als ginge die österreichische Kunst von Jahr zu
Jahr zurück, und fast bei jeder Ausstellung erinnert


man sich mit wehmuth der vorhergegangenen. Und das hat
seinen guten Grund, denn hinter der: Loulissen des Künst-
lerhanses geht manches vor, das durchaus nicht dazu bei-
tragen kann, die alte Freude und das gewohnte Behagen
an der wiener Kunst zu erhalten. Da wirthschaftet denn
ein Theil der „Jungen" auf seine ganz eigene weise,
und was dabei herauskommt, ist nicht immer das Beste,
aber auch nicht einmal immer das Neueste. Im Gegen-
theil, es ist eine ebenso alte als traurige Geschichte, wir
wollen sie aber nicht allzu ernst nehmen und die gegen-
wärtigen Zustände als Uebergangsxhasen betrachten. Möch-
ten wir dabei nur nicht zu optimistisch sein!
Der knappe Raum gestattet uns nur, das wichtigste
und Eigenartigste herauszugreifen; manches Gute und Er-
wähnenswertste kommt dabei freilich zu kurz, aber auch
die Blöße, die sich einige Künstler gegeben, bedecken wir da-
durch mit dem Mantel der christlichen Nächstenliebe — und
machen so aus der Noth — eine Tugend.
Im Skulxturensaal gebührt unsere besondere Aufmerk-
samkeit: Arthur Strasser. Er ist mit seinem „Marc-
Antonius, der Triumvir" hoch hinausgewachsen über seine
feinfühligen Nubier und Aegypter, die wir schon mehrmals
und stets in gleichem Maße loben dursten. Diesmal tritt
er großzügiger, massiger und ungleich bedeutender in der
Konzeption hervor. Er hat den erhaltenen Reichelpreis
vollauf verdient: Bei den wiener Preis-Jurys ist es durch-
aus nicht überflüssig, dies zu konstatiren. Viktor Tilguer-
bringt eine Marmorbüste der Malerin Glga wisinger-
Florian und hat sich bei der Modellirung dieses inter-
essanten Kopfes als der gewohnte, im Porträtfach un-
erreichte Meister erwiesen. Einiges Aufsehen erregen auch
die Plastiken von Theresa Feodorowna Ries, einer
Schülerin Hellmer's, deren „Hexe" ein eigenartiges und
überaus interessantes Werk ist — es erregt Widerspruch —
die Künstlerin ist zu beneiden! Die Porträts Meister weyr's
und Hans Schließmann's haben wir schon vor einiger Zeit
gewürdigt. Erwähnen wir noch Myslbek's monumentale
Porträtstatue des Fürsten Schwarzenberg, sowie Büsten von
Kaan, Lharlemont, Gurschner u. A., so dürfen wir mit
einer höflichen Entschuldigung an die Ungenannten zur
Malerei übergehen.
Da sind denn im Bildniß der vornehme Leopold Horo-
witz und Arthur Ferraris die Helden des Tages. Und
den beiden Meistern reiht sich ein junges Mädchen an,
Marie Ros ent Hal, eine Schwester des berühmten Pianisten,
welche zwei Porträts von erstaunlicher Kraft und über-
raschender technischer Sicherheit ausstellt. In ihr wächst
eine große Künstlerin heran, wir haben noch kein por-
trätistisches Merk einer Dame gesehen, das die Frauenhand
st sehr zu verläugnen scheint, als jene beiden Bilder. Auch
Franz v. Lenbach sandte ein Porträt: „Johann Strauß".
Es ist vou geradezu frappanter — Unähnlichkeit. Aber wir
gehen an dein Namen des Künstlers mit ehrfurchtsvollem
Gruß vorüber; das Bild hat eben einen nicht zu unter-
schätzenden Vorzug — es ist von Lenbach. Dabei sei be-
merkt, daß der Meister auch zwei entzückende Frauenköpfe
 
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