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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 5
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Allgemeine Kunstchronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0091

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Nr. 5

Die Kunst-Palle. g>-^

75

Allgenierne Runstchronlk.
* Aus dein Düsseldorfer Kunstleben. In: Salon
Schulte zieht ein neues Bild von E. von Gebhardt die
Aufmerksamkeit des Publikums ungewöhnlich an. Gegen-
stand: „Der Knabe Jesus und die Schriftgelehrten". Der
Maler verlegt die Szene in ein behaglich ausgestattetes
Renaissancezimmer, an dessen Wänden Bolzvertäfelung und
Gemälde sichtbar sind, während von der Decke ein Kugel-
Kronleuchter herabhängt. Somit ist hier offenbar die Zeit
Rembrandt's und Pieter de pooghs, nicht das späte Mittel-
alter, aus welchem Gebhardt wohl gelegentlich schöpfte, in's
Auge gefaßt. Aber abgesehen von dem Befremden, welches
allein die Staffage dieser religiösen Darstellung im Publikum
Hervorrust, findet die fcharfe Charakteristik der Männerköpfe
und der seelenvolle intelligente Ausdruck des Iesusknaben
wieder allseitige Billigung.. . Der „Malkasten" beab-
sichtigt im Dezember eine Aufführung lebender Bilder
ähnlich den glänzenden Veranstaltungen in früheren Jahren.
Dieses Mal handelt es sich indes; nicht um einen wohl-
thätigen Zweck; während die Erträge früherer Aufführungen
in der Regel für Rothleidende von nah und fern bestimmt
waren.
* Aus dein Wiener Kunstleben. Am 30. Oktober
wurde am Michaelerplatze der vielbesprochene Kolossal-
brunnen Prof. Rudolf Weyr's, mit der Marmorgruppe':
„Die Macht zur Tee", enthüllt. Das Gegenstück hierzu,
eine Brunnengruppe „Die Macht zu Lande", geht im Atelier
Prof. Edmund Bellmer's feiner Vollendung entgegen.
Mit der Aufstellung dieser beiden Brunnen wird ein alter
Plan, welchen einst Fischer von Erlach für die Burgfaeadc
entworfen, seiner endlichen Verwirklichung zugeführt werden.
Die imposante Schöpfung Weyr's übt einen mächtigen Ein-
druck auf den Beschauer aus. Sie wird vielfach als sein
Bestes bezeichnet. Die überquellende Lebensfülle des Barock-
stils, die der Meister schon in seinem „Bachnszuge" am neuen
Burgtheater an den Tag legte, erscheint in diesem Werke
zu denkbar höchster Wirkung gesteigert. Dabei spielt hier
die eigenartige und kühne Verwendung des malerisch-deko-
rativen Elementes eine bevorzugte Rolle. Der Grund-
gedanke der Gruppe ist versinnlicht durch ein schönes Weib,
das auf einem Schiffsschnabel stehend mit hocherhobener
Band zwei anstürmende Seenngeheuer, einen mächtigen
Triton und ein abenteuerlich gestaltetes Ungethüm — eine
Art Riesenmolch — zurückweist. Der Triton stürzt kopfüber
in die Tiefe zurück, während fein Kampfgenosse sich eben
an dem Schiffsschnabel emporzuarbeiten versucht. Wirkt die
bekrönte pauxtgestalt durch feinen liebenswürdigen Formen-
reiz, durch jene lebendige Grazie, die man „wienerisch"
nennen könnte, so ist die Figur des hinabstürzenden Tritons
mit außerordentlicher Kraft und Kühnheit der Bewegung
entworfen. Dabei muß die anatomische Behandlung des
abstürzenden Körpers besonders hervorgehoben werden. In
wirkungsvollstem Gegensätze zu dieser lebhaft bewegten
Gruppe steht die Figur Poseidons, der vom Beschauer zur-
Linken, auf mächtigen Felsstücken ruhend, halb neugierig,
halb erzürnt dem Kampfe zufieht. Die überlegene Ruhe
des Göttlichen, die Wucht seiner Persönlichkeit ist durch die
massige Modellirung und die gedrungenen Formen zum Aus-
druck gebracht. Der Weyr'sche Poseidonkopf gehört sicher-
lich zu den bedeutendsten Schöpfungen der modernen Plastik-
Der Beschauer kann nicht satt werden, den Brunnen zu be-
trachten, den erhabenen Gesammteindruck und die Fülle.be-

strickender Details zu bewundern. Ein derber, urwüchsiger
Pumor geht hier mit klassischer Ueberlegenheit Band in
Band. Professor Weyr hat in diesem Werke der öster-
reichischen Kunstgeschichte ein bedeutungsvolles Blatt hinzu-
gefügt. Man darf es zu den besten Schöpfungen Wiener-
Plastik seit Raphael Donner unbedingt zählen. Unsere
Abbildung ist nach einer photographischen Aufnahme von
I. Löwy, Photograph in Wien, von der bekannten Wiener
Kunstanstalt Angerer dc Göschl ausgeführt worden.
rv—m.
* P a k i ser K unstbrie f. Unser Korrespondent schreibt
uns über die Ausstellung von Schüler-Konkurrenz-
Arbeiten in der Ecole des Beaux-Arts. Zwei Themen
waren bearbeitet: die malerische Ausschmückung der Wand
eines Speisesaals. „Die Jagd" darstellend, das zweite Motiv
für die Landschafter: „Ankunft der Pilger in Jerusalem"
(Abendstimmung). Uebrigens zwei sehr gut gewählte Auf-
gaben! Der eingelieferten Arbeiten waren nicht viele und
nicht eine darunter, die ein besonders starkes eigenartiges
Talent verrathen hätte. Sie schmeckten alle nach Schule,
nach Akademie, nach Fleiß, nach Lehrer! Aber auch nicht
eine Arbeit, in der nicht ein höchst respektables Ouantum
ehrlich erworbenen, wirklichen Könnens steckte, auf dem sich
weiter aufbauen läßt, das vielleicht nur die Fesseln der
Akademie abstreifen braucht, damit aus der Schüler-Puppe
ein leuchtender, lustiger, farbiger Schmetterling sich entfalten
kann, vielleicht?! vielleicht auch nicht! — Doch das ist
nicht Sache der Akademie. Die Akademie kann keine
Künstler machen, sie kann nur Maler erziehen und das
thut sie hier nach besten Kräfte,! und sie thut gut daran.
Sie lehrt was zu lehren ist, sie lehrt die Flügel regen,
willst du zur Sonne fliegen? — Versuch's! — paft du die
göttliche Kraft in dir, fo wirst du den Weg schon finden! —
Im Botel de Ville, in dem prächtigen Speisesaal, ist
jetzt Bertrand's herrliches plafondgemälde an Grt und
Stelle gebracht. Welch gewaltiges Bild, sonnig leuchtend,
schön, voll Kraft und voll Demuth, ein pymnus an die
Schönheit der Erde, ein Dankgebet an den Schöpfer! Im
sonnigen Morgen schreitet ein junger Landmann eine Erd-
welle hinan inmitten seiner beiden wuchtigen Stiere.
Leuchtend schießen die Strahlen der Morgensonne an dem
Bimmel hervor, die Lerchen jubeln, aus des kräftigen
Mannes Brust ringt sich ein Jauchzen, die fehnigen Arme
wirft er in die pöhe, als wollte er Alles an die Brust
drücken, die Sonne, das Licht, die Welt, die schöne herrliche
Welt, die ihn trägt und nährt und ihn labt mit den Wun-
dern ihrer Schönheit. Das ist ein Leuchten und Glühen
von Farbe und Licht, eine Welt von Schönheit und Kraft
und Gesundheit. . .
Weiter kann ich es mir nicht versagen, Sie noch mit
einem jungen Talent bekannt zu machen, das in der
Galerie Georges Petit eine Reihe seiner Bilder und
tüchtiger Studien ausgestellt hat, mit Osbert. Ist Osbert
ein Franzose? Ich weiß es nicht. Line ältere Arbeit, ein
großer Akt, den er mit ausgestellt hat, spricht für französische
Schule, trefflich gezeichnet, . sehr gut gemalt — akademisch.
Aber der Osbert, der uns interessirt, ist ein ganz Anderer.
Er malt unendlich feine landschaftliche Stimmungen! —
Abends wenn die Sonne niedergesunken, wenn nur ein
fahler Schein noch am Pimmel steht, wenn leise Nebel sich
regen und alle Töne zu unendlichen! Dust sich verschleiern,
dann füllt sich ihn! die Welt mit Gestalten. Schlanke
 
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