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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 19
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Stahl, Fritz: Die Internationale Kunstausstellung: die Plastik, [1]
DOI Artikel:
Galland, Georg: Muther und kein Ende
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0340

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2Y6

Die Kunst-Halle.

Nr. fy

Unter den Werken der übrigen Ausländer sind
wenige gleichbürtige, wobei freilich der Zufall der
Betheiligung möglicher Weise eine große Rolle spielt.
Portugal, das in der Malerei uns durch zwei erst-
rangige Meister überrascht, hat auch einen großen
Bildhauer aufzuweisen: Antonio Teixeira Lopez.
Seine Gruppe der „Witwe" ist im Motiv nicht neu:
trüben Blickes schaut das vereinsamte junge Weib
vor sich hin, in schwere Gedanken an die leere und
schwere Zukunft verloren, während das ahnungslose
Kindlein mit heiterer Gegenwartsfreude sein Recht
verlangt. Wir haben sogar eine gewisse Abneigung
gegen solche Motive: aber das Vorurtheil muß vor
dem Trust der Tharakteristik, der Schönheit der
Gruppe und der Feinheit der Arbeit verstummen.
Auch Schweden besaß in dem jüngst verstorbenen
per Hasselberg einen höchst interessanten Bild-
hauer. Seine Werke athmen eine heiße Sinnlichkeit.
„Frosch" nennt er ein kauerndes junges Mädchen,
„Kvmpllusu alba" ein todt hingestrecktes junges Weib.
Mit in erster Reihe steht die Bildhauerin Minca
Bosch-Neitz, die Holland vertritt. „Gottes Rache".
Tinen jugendlichen Tngel, der sich vergangen, hat
die Hand des Herrn in den Abgrund geschleudert:
mit zerschmettertem Flügel liegt er am Boden. Mit
herrlicher Kühnheit ist der rücklings hingestreckte,
durch deu Fall verzerrte Körper gegeben, dessen
jugendlich spröde, unreife Formen mit großer Feinheit
empfunden sind. Rußland hat Marc Antocolski
aufzuweisen, dessen Spinoza-Statue mit dein mild-
klugen Denkergesicht und den wunderbar durch-
geistigte,: Häuden die Aufgabe der Verkörperung eures
großen Mannes in so glänzender Weise löst, daß
man mit bitterer Empfindung daran denkt, wie schlecht
sie sonst gelöst zu werden pflegt.
Neben diese besten Arbeiten des Auslands kann
man eine stattliche Zahl von Werken deutscher,
namentlich Berliner Künstler stellen. Daß wir
gerade von der Berliner Plastik ein so vortheilhaftes
Bild empfangen, trotzdem wir Brütt nur in der
historischen Abtheilung, Max Klein und viele von
den jüngeren Talenten garnicht oder nur mit kleineren
Arbeiten vertreten finden, gehört zu den erfreulichsten
Tindrücken der Ausstellung. Wenn nicht so viele
Kräfte durch die leider bei uns künstlerisch so un-
fruchtbare Denkmalsmacherei beschäftigt wären, was
ja in wirthschaftlicher Hinsicht freilich sehr vortheil-
haft ist, würde sich das Bild noch erheblich günstiger
gestalten. Bei der Schwierigkeit und Kostspielig-
keit des Transportes von Bildwerken wird ja von
einer ernsthaften Konkurrenz anderer Kunststädte kaum
die Rede sein. Aber, wer die Münchener Ausstellungen
verfolgt, der weiß, daß auch ohnedies Berlin eine
solche Konkurrenz nicht zu befürchten hat. Wenn
auch die alten Berühmtheiten etwas an Geltung ver-
loren haben, neue, reife Meister und ein tüchtiger
Nachwuchs sind vorhanden. Wenn sie etwas mehr

Sonne hätte, würde diese Kunst herrliche Früchte
zeitigen können.
Ich beginne mit Peter Breuer's Marmor-
gruppe: „Adan: und Tva", die wir die Freude habeu,
uuseren Lesern in deu: heutigen Kunstblatt vorführen
zu können. Schon das Gipsmodell des Werkes er-
regte hohe Bewunderung, aber die Wirkung des
Marmors ist doch unvergleichlich, und es ist schön,
daß es den: Künstler vergönnt war, der Arbeit die
Dauer des Steines zu geben. Sie verdient sie in
vollem Maße: die Gruppe Breuer's gehört zu den
schönsten Skulpturen, die ich überhaupt keime, nach
Auffassung und Arbeit. Das Aufrechte, das in dem
Manne trotz des tiefsten Schmerzes und der trübsten
Sorge sich zeigt, das völlige Zusammenbrechen des
Weibes, das nichts mehr fühlen und denken will,
wie das Weib sich Schutz heischend an ihn schmiegt,
wie der Main: sie an sich preßt und ihre:: Kopf mit
der kräftige:: Hand zärtlich umfaßt, das erschöpft das
Seelische des Stoffes bis in die Tiefen. Von unbe-
schreiblicher Schönheit ist der Leib der Tva in seiner
Leblosigkeit. Die Technik bringt all diese Vorzüge
zur vollen Geltung.
sLin Schluß-Artikel folgt.)

Mather und Kern Ende.
s war eigentlich meine Absicht nicht, zu dem leidigen
Thema, das noch immer nicht aus der Tagespresse
verschwinden will, weitere Morte hinzuzufügen, ob-
wohl es an Anregungen und Aufforderungen hierzu nicht
gefehlt hat. Beiträge zur Beleuchtung Muther'scher Ab-
fchreiberei liefen bei mir auch während des letzten Monats
in verschwenderischem Umfange ein und zwar nicht nur
vou Seiten Unbekannter, sondern selbst von Kunstschrift-
stellern, die im Anhang der Malereigeschichte des t9- Jahr-
hunderts als die ersten des Faches gepriesen sind und be-
greiflicherweise nicht wenig benutzt wurden. Die verehrten
Herren fügten freilich zumeist ausdrücklich die Bitte hinzu,
in den: Streit weder öffentlich noch privatim als Angeber
genannt zu werden. Und das allein ist der Grund, warum
ihre Namen hier fortbleiben. Ich für meinen Theil, der
ich hier lediglich der Sache diene, scheue die Geffentlichkcit
nicht und werde den Leuten, die nach den: Vorbild des
professoralen Abschreibers auf der einen Seite immer über
„Verleumdung" zetern, während sie auf der andern Seite
Alles als absolut wahr bestätigen müssen, die gebührende
Antwort nicht schuldig bleiben. Menn dabei gelegentlich
ein scharfer Ausdruck fallen sollte, so bitte ich meine Leser
dafür im Voraus um Entschuldigung. Der Held dieser
Zeilen hat es sich selbst und den: Ton, den er in seiner
bei G. Hirth in München kürzlich erschienenen Broschüre auch
gegen mich anzuschlagen für richtig hält, zuzuschreiben,
wenn ich über ihn nicht anders denke, wie Lessing einst
über den „Ausschreiber" Klotz gedacht: „Tr verdient nicht,
daß man das geringste Menagement für ihn braucht."
 
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