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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 6
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Oettingen, Wolfgang von; Frenz, Alexander [Gefeierte Pers.]: Alexander Frenz
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Die schöpferische Kraft
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0104

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86

Die K u u st - p a l l e. tz"

Nr. 6

Theil: ein Staatspreis ließ Frenz das Jahr 9^ in
Italien verbringen.
„Italien ist unser größter Feind", hieß es neulich
iu einer Kundgebung aus dem Lager der kämpfeudeu
„Moderne". Dieser Satz mag für solche gelten, die
sich den: Joche der Mode beugen und Malerisches
nur in Tonwerthen, nicht mehr auch in Formen er-
kennen können. Für Frenz war nicht nur die so
manuigsaltige koloristische Stimmung des Südens,
sondern auch die Fülle seiuer grandiosen und seiner
lieblichen Formenmotive an der Menschheit wie in
der Landschaft eine wahre Offenbarung. Mas seine
eigenste Natur geahut, wouach sie gedürstet uud ge-
rungen hatte, sah er hier mit Augen und konnte es
zu willkommenster Ergänzung seines künstlerischen
Vermögens in sich aufnehmen.
Nunmehr, als er in die peimath zurückgekehrt
war, stellte seine Aufgabe sich so: es kam darauf au,
für die Anschauung des Schönen, die neubefestigt iu
seiuem perzeu lebte, den reinen, klaren Ausdruck zu
finden. Mit anderen Worten: es sollte der Mensch
sich durchbilden zu einer ethischen parmouie, die der
angestrebten ästhetischen entsprach; und der in solcher
glücklichen Freiheit lebende Mensch sollte als Künstler
jedes nothwendige Nüstzeug der Technik in aller Soli-
dität, dazu mit gleicher Sicherheit die Realitäten der
Erscheinungswelt beherrschen lernen. In der That
eine Aufgabe, die alle Kräfte eines Mannes wohl
anspannt und in ihrer Idealität das Beobachten ihrer
Lösung wohl lohnt!
Seit jener Reise hat Frenz in mehreren Bildern
- theils Erinnerungen an genrehafte Szenen vor-
nehmlich aus Tapri, theils mythologischen Tompo-
sitionen, wie einer Gruppe vou „Sireueu" oder einer
Dryade, die einen Einsiedler bei seinen: Geigenspiel
belauscht, oder eiuer Nymphe, die eiuen alten Löwen
hilfreich tränkt, außerdem in zahlreichen Portraits in
Gel und in Pastell - bald diesen, bald jenen Ver-
such gezeigt, zum eudgültigen, zum erlösendem Worte
seines Wesens vorzudringen; immer interessant, durch
seine natürliche Empfindung des schlechthin Schönen
im Sinne des von den Grazien begnadeten Südens
immer fesselnd und entzückend, aber, ein Sohn unserer
armen, von nervöser Zerfahrenheit geplagten Zeit,
nicht immer das restlose Aufgehen seiner Rechnung
erreichend. Zum Glück dürfen wir von keinem
Künstler sagen, daß er irre so lange er strebt: und
daß Alexander Frenz, von einen: beneidenswerthen
Talente vorwärts gezwungen, das Ziel seiner Ent-
wickelung nicht verfehlen wird, dafür zeugen uns alle
unmittelbaren Schöpfungen seines produktiven und
originellen Geistes: seine Nadirungen, seine Zeich-
nungen, und vorzüglich die jüngst erschienene,: Vig-
netten zu Thamberlaiu's Werk über Richard Wagner.
Diese tief empfundenen, wundersam poetischen Alle-
gorien weissagen ihren: Meister noch manchen Kampf
mit einer der antikisirenden Schönheit abgeneigten

Welt, aber endlich auch die Eroberung Aller, die sich
der Kunst in keiner Gestalt, weder jenseits des schlichten
Realismus, uoch diesseits neuidealistischer Schwär-
merei, verschließen.
G
Vre schöpferische Kraft.
<^2-n der Diskussion, die in Paris über die Frage
des Abendmuseums für Arbeiter eutstauden ist,
hat Jean Baffier das Wort ergriffen.*) Er
bezeichnet sich bescheiden als Arbeiter, was ihn nicht
hindert, ein Künstler zu seiu: Die kuustgewerblichen
plastischeu Arbeite::, die er in: Salon des Thamp de
Mars ausgestellt hat, habe:: großen Erfolg gehabt.
Die Ansichten eines solchen Mannes verdienen gehört
und geprüft zu werdeu, auch wem: man sie nicht
theilt. Seine Forderung einer Rückkehr zu deu alte::
Zünften beruht auf einer sehr stark idealisirenden Auf-
fassung derselben: „die Persönlichkeit wurde durch die
Genosseuschaft uuterstützt, die Vortheil davou hatte,
deu Einzelueu zu fördern, ebenso wie dieser seine Be-
lohnung darin fand vornehm für das Gedeihen und
den Nuhn: seiner Gilde zu arbeiten". Darin liegt
die Schwäche des positiven Theils seiner Ausführungen.
Dagegen ist es höchst interessant, was er über die
„schöpferische Kraft" und die Gründe ihrer Stärke in
griechischer und gothischer Zeit und ihrer gegen-
wärtigen Schwäche zu sage:: weiß.
„Ich versichere Sie auf Ehre uud Gewisse::, daß
ich die Museeu iu Bezug auf schöpferische Ansporuuug
als vollständig unnütz betrachte, ich will sogar mehr
sagen, sie sind schädlich, denn sie geben in: Großen
und Ganzen nichts als vereinzelte Bruchstücke, die
uuter sich keiueu Zusanunenhang haben. Da sie nicht
in ihrer rechten Hingebung sind, können sie nicht Her-
vorrufen, was ich Gesammtwirkung nennen möchte,
das heißt: das Tharakteristische der Grundidee, welche
ihre Schöpfung bestimmt hat. Alles wohl erwogen,
kann das Museum, wie wir es in den modernen
Zeiten verstehen, nur von: Gesichtspunkt einer histori-
schen Wiederherstellung von Nutzen sein, indem es
uns gestatten kann, die verschiedenen Kulturen und
ihre Ziele nach ihren: Tharakter und ihren: Klima
zu vergleichen. Ich glaube, daß das, was ich eben
gesagt habe, in allen Zweigen menschlicher Thätigkeit
sowie in den Künsten richtig ist, denn ich sehe z. B.
durchaus uicht, wie unser Peer zum Siege hingerissen
werden soll durch die fortwährende Betrachtung der
glorreichen Krüppel, welche in: Invalidenhaus sich
*) .!. L., Des marZeg ä'un Lernet ÜouvLer. Objeetiou8
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