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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 17
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Stahl, Fritz: Die Internationale Kunstausstellung: Berlin
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Seidl, Arthur: Dredner Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0304

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Die Kunst-Halle.

Nr. 1(7

den Bamnkronen das grüngoldene Spiel der letzten
Sonnenstrahlen. Ain Weiher steht ein junges Weib.
Der nackte Oberkörper steht gegen eine weiße Wolke,
selbst ganz in Hellem Licht, von der Hüfte fällt ein
leuchtend rothes Gewand nieder. Sie nestelt ihr
Haar auf. Vor ihr sitzt auf der Wiese ein Jüngling.
Uebrigens haben die erwähnten Fehler bei ihm,
wie bei den anderen ihren guten Grund. Das Modell
giebt die geträumten Motive einmal nicht her: sie
stellen aber ihre Empfindung höher, als die Modell-
wirklichkeit. Unter den Modernen ist bei solcher Ge-
sinnung, der Fehler fast unumgänglich: Meister Böcklin
beweist das. Die Alten, nur Michelangelo sei ge-
nannt, hat ein ganz anderer Studiengang, eine viel
intensivere Dressur des Auges davor bewahrt.
Müller-Schönefeld ist sogar noch dazu in der
Farbe unbeholfen. Sein Bild ist technisch garnicht gut.
Aber es hat die zauberischste Märchenstimmung trotz-
dem, man empfindet sofort die Künstlernatur seines
Schöpfers. Gr nimmt es so wundervoll ernst, wie
den Ritter in Gold und Purpur ein Engel zu der
Schönen im Zauberwald führt. So ernst wie Thoma,
der darin, wie ich einmal hier ausführte, immer ein
Kind geblieben ist. — Fahrenkrog's „Hölle" zeugt
von einer ganz ungewöhnlichen Kraft der Phantasie.
Die Teufelsfignren sind zum Theil ganz neuartig;
wie der wimmelude Abgrund gegeben ist, das ist
famos. Kühn ist die Gestalt Jesu, ganz in Licht
modellirt, kühn sind einzelne Verkürzungen. Aber in
allen: fehlt noch die Reife, der Verstand in künst-
lerischem Sinne. Die Akademie hat diesen: Künstler
das Stipendium entzogen: Die Summe der akademi-
schen Schildbürgerstreiche ist dadurch wieder um einen
vermehrt.
Dettmann's „Märchen von der Prinzessin und
den: verschlafenen Schweinehirten" wirkt mehr als
eine sehr reizvolle, in der Farbe und namentlich in
den leuchtenden Sonnenstrahlen wundervolle Land-
schaft. Sein „Lebensfrühling" führt Engel in eine
indische Frühlingslandschaft mit jungen: Grün und
Blüthenbänmen. Sie spielen lieb mit einen: Kindlein,
das da die ersten Schritte macht. Er geht aber auch
in den Engeln nicht über das menschlich kindliche
hinaus: und er behält Recht. Ebenso wie Sch euren-
berg in seiner „Maria mit den Engel::" wenigstens
in der einen Gruppe Recht behält.
Julie Wolf-Thorn's Bilder stehen in der
Mitte zwischen Traun: und Wirklichkeit. Das junge
Mädchen im „Sommer", der „weibliche Kopf" sind
sicher nach den: Modell studiert, aber die Bilder sind
doch durch einen gewissen poetischen Reiz des Kolorits
über das Irdische hinausgehoben, wie etwa — ohne
Vergleich — bei Harrison. Der „Sommer" ist übrigens
mehr Verheißung als Erfüllung.
Zuletzt will ich noch Müller-Münster er-
wähnen, dessen Bild „Unter Rosen" in keine Rubrik
paßt. Die Personen tragen Ouattrooentokostüm, aber

schon der Umstand, daß es bei den Frauen aus mo-
dernen: englischen Velvet gearbeitet ist, zeigt, daß es
dein Künstler auf ganz anderes ankan: als historische
Treue. Es ist ein Stimmungsbild, das zeitlos ist. An einen
Jüngling schmiegt sich ein Mädchen, während ein
anderes, das er verschmäht, still sich abwendet. Es
weht wie stille Träumerei aus den: Bilde, das in der
Farbe groß und gut gedacht ist.


Dresdner Runkbrief.
Dresden, Mitte Mai.
Seit meiner letzten Korrespondenz an die „Kunstkalle"
ist ein für die hiesigen Kunstkreise außerordentlich schmerz-
liches Ereignis; eingetreten: die Schließung des „Lichten-
berg'schen Kunstsalons" im „Viktoriahaus" tor svor.
Diese betrübliche Thatsache erscheint um so unbegreiflicher,
die dadurch entstandene Lücke im hiesigen Kunstleben ist eine
um so fühlbarere, als damit nun auch die schöneren, werth-
volleren Räume, die der leider bis an die Grenze seiner
Gpferfähigkeit gelangte Inhaber Herr Ferdinand Morawe
von der Ernst Arnold'schen Hofkunsthandlung, seiner eigent-
lichen Konkurrentin, unbedingt nun einmal voraus hatte,
für die Kunst unwiederbringlich verloren gehen. Was dies
besagen will, das zeigte sich eben jetzt wieder sehr deutlich
bei Veranstaltung der „Internationalen Portrait-
Ausstellung" durch die letztere Firma, welche die inter-
essante große Bildnißfülle der 325 Nummern an Velge-
mälden, Pastellen, Studien und Skizzen, Steindrucken, Ra-
dirungen, Zeichnungen, Holzschnitten, Büsten, Medaillen und
Plaketten in den vorhandenen Räumlichkeiten an: Altenmarkte
nicht nebeneinander untcrzubringen vermochte. Und das ist und
bleibt ein empfindlicher Mangel unserer „Sezessionisten-Aus-
stellung" (wie sie sich noch immer nennt), über die selbst die
neuere Aufputzung mit modernen Plakaten, stylvoller Be-
malung der unteren Eintrittsthüre des Aufganges, sowie
Um- und Neuausstattung des oberen Ausstellungslokales
niemals wird hinwegtäuschen können.
Auch sonst wäre gegen jene reichbeschickte, Aufsehen er-
regende „Portrait-Ausstellung", von der die Besprechungen
der Dresdener Lokalpresse fast nur Gutes zu berichten
wußten, noch gar Manches einzuwenden. Ja, es scheint
uns hier geradezu eine Gefahr für das Ausstellungswesen
überhaupt vorzuliegen, insofern solche Veranstaltungen etwa
vorbildlich für andere werden könnten — weshalb wir uns
denn auch heute, statt an eine Beschreibung ihrer künstle-
rischen Ergebnisse den Raum zu verschwenden, lieber gleich
bei dieser Materie selber einmal aufhalten möchten. War
nämlich die Idee der Sonderausstellungen, sei es nun,
daß es sich nin eine einzelne Künstler-Persönlichkeit oder um
ganze Völker-Individualitäten der Kunstübnng nach natio-
nalen Gruppen geordnet, dabei handelte, war sie bisher nur
mit freudiger Antheilnahme zu begrüßen und wuchs das Ver-
ständnis; für derartige Bestrebungen neuerdings ganz zu-
sehends, so haben wir hier zu unserem Bedauern schon einen
schlimmen Auswuchs jener guten Idee vor uns, der unter
allen Umständen bei Zeiten zu bekämpfen bleibt. Nicht
das Lebendig-Persönliche, sondern die todte Sache, die Gattung
 
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