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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 4
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Zimmern, Helen: Hubert Herkomer
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Ruhemann, Alfred: Ein neuer Schwarzkünstler: Cesare Biseo
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0069

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Nr.

^-4 Die K u n st - H a l l e. g>-<>

55

Solch ein Gemälde steht nicht im Linklang mit den
Intentionen der Baukunst. Aus demselbeu Grunde
kann ich keine Spiegel leiden. Line Wand muß
Wand bleiben, schmückt sie mit Figuren, mit Orna-
menten, dekorirt sie so effektvoll wie Ihr wollt, aber
Bilder malt nicht darauf. Wollt Ihr Gemälde an
der Wand haben, so rahmt sie Luch hübsch ein und
hängt sie an einen möglichst günstigen Platz, aber die
Wand selbst laßt intakt. Lrst kommt der Bau, danu
die Dekoration. Der architektonische Wandcharakter
darf nicht gestört werden, und das geschieht, so bald
Ihr blauen Himmel an die Wand malt. Ltwas
Anderes, wogegen ich kämpfe, sind die in England
neuerdings so beliebten bis zum Fußboden herunter-
reichenden Flügelfenster, die sogenannten „krau ob
Windows". Wenn ich im Zimmer bin, will ich
wissen, daß ich in meinen: Hause bin, die Fenster sind
da, run ein zu meiner Beschäftigung und zur Be-
leuchtung meiner Umgebung nothwendiges Maß von
Licht einzulassen; nicht, um mir die Lindrücke von
draußen aufzudrängen. Auch das Sicherheitsgefühl,
welches ein Wohnhaus geben soll, wird durch die
bis zur Lrde reichenden Fenster beeinträchtigt. Zu
viele und zu große Fenster bewirken, daß ein Haus
uns nicht mehr als das Hein: mit seinen uns bergen-
den, uns umschließenden Mauern erscheint. Ueber-
dies erhalten wir das Licht nicht von unten, unsere
Fenster aber sind so angebracht, daß der Teppich be-
leuchtet uud der übrige Theil des Zimmers in
Dämmerung gehüllt ist. Nun komme ich noch auf
einen meiner Hauptgrundsätze in der Dekorationskunst,
nämlich den einer Gradation nach der ornamentalen
und der emotionellen Seite hin. Fragen Sie aber
einmal irgend einen intelligenten Fachmann nach
seinen elementaren Ideen über das Kunstgewerbe, so
wird er Ihnen höchst wahrscheinlich sagen, daß die
ornamentale Kunst vor Allem keine Lmotion an-
streben soll. Dies halte ich nun für die Wurzel alles
Uebels iu der ornamentalen Kunst. Ich meine, sie
sollte grade im emotionellen Sinne wirken, und daher
erachte ich Gilbert als einen größeren Künstler in
diesen: Fach, wie den großen Benvenuto Tellini,
dessen Gebilden eben das Gefühl fehlt. Gilbert da-
gegen will zum Gemüth spreche::. Und die Wirkung
der ornamentalen Kunst auf das Gemüth muß natür-
lich eine erhebende sein. Ich weiß, daß ich mit dieser
Ansicht von der Majorität abweiche, aber ich lasse
keine dekorative Kunstleistung gelten, die nicht eine
Stimmung verkörpert. Jede Figur muß irgend ein
Gefühl zum Ausdruck bringen. Die Figuren an den
Wänden meines Speisezimmers sind entschieden von
emotionellem Tharakter. Selbst bei Ornamenten in
Holzskulptur verlange ich eine Stimmung, wenn sie
sich auch uicht in Worten definiren läßt. Das Ge-
fühl mag noch so unbestimmt sein, nur angedeutet,
aber mau muß es spüre::, und hierin zeigt sich das
Kunstgewerbe von einer fast weihevollen Seite. Wenn

Leute mein Haus besichtigen, so pflege ich, während
ich sie herumführe, zu beobachten, ob sie Ltwas da-
bei empfinden und was sie empfinden. Aus der
Stimmung, welche die empfangenen Lindrücke bei
ihnen erregen, ersehe ich dann, ob sie verstanden
haben, was ich auszudrücken bestrebt war."
„Jetzt," schloß er, „habe ich Ihnen genug von
meinen Ideen und Ansichten vorgetragen. Wandeln
Sie jetzt in diesem Hause herum uud geben Sie
fleißig Acht, was es Ihnen erzählen wird."
Von diesem Hause, seiuer Geschichte und seiner
Einrichtung hoffe ich ein anderes Mal berichten zu
könuen.

Helen Z i m m e r n.

Ein neuer Schwarzkünstler.
Lesave Bi-eo.
Von Alfred Rn bemann.
Rom, Ende Oktober.
so ganz anders doch der italienische oder spanische
Künstler, der in Rom sitzt, denkt nnd arbeitet! Keine
Spnr von schäumendem Wesen, kein Auflehnen gegen den
Zwang der Arbeit, kein fröhliches Gesinge im Studio, kein
Pinsel-gegen-die-wand-schleudern, kein Hinausziehen mit
arbeitsüberdrüssigen Genossen, um in den Schenken vor den
Thoren in Strömen Weines Groll, Liebe, Freude, Unmuth,
Verachtung zu ersäufeu — das reiue Kunstxhilisterthum.
Die deutschen Kunstjünger, bei denen die Begeisterung über
den Aufenthalt in Rom in ihrer Stammkneipe der Eolonnette
sich wenigstens wöchentlich einmal Luft machen muß, bleiben
ihnen unverständlich. Kaum daß der eingeborene Künstler
zur Karnevalszeit die Narrenjacke anzieht. Auch dann läßt
er sich lieber von den spanischen Kollegen, die darin Meister
und von einem unglaublichen hingebenden Korpsgeist be-
seelt sind, irgend eine ihrer stets gelungenen Possen vor-
reißen. Man gewinnt in Rom sehr bald den Eindruck,
daß deu Künstleru hier ihr Geschäft so gut wie jedes andere
dünkt; es handelt sich nur darum, die möglichste Hand-
fertigkeit, das möglichste Talent zu eutwickeln, um ver-
kaufen und leben zu können, vielleicht spricht die all-
gemeine Kunstmissre auch hierbei ein gewichtiges wörtlein
mit, im Ganzen aber steckt den Italienern dieses philiströse
Benehmen im Blute: ihre Soune erwärmt uur, sie treibt
keiue Souderblüthen. Die Sprache schon sagt es. wir
sagen Künstler nnd meinen damit zunächst die ausübenden
Männer von: Pinsel und Modellirholz. Der Italiener sagt
auch „urtiAuI aber welcher Art man sich diesen Künstler
genannten Menschen vorstellt, ist nicht in diesem Worte
ausgedrückt. „^rtiAu" ist nämlich hier Alles, der Schauspieler,
der Llown, der Dienstmann, der Schuster, wohl auch der
wirkliche Künstler.
Ich bin auf diese Abschweifung gekommen, weil ich
mich heute zu einen: jener stillen, man möchte sagen, laut-
losen Künstler begeben will, der, wie die meisten seiner,
 
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