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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 2
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Stahl, Fritz: Die Maler von Worpswede
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Ruhemann, Alfred: Römischer Kunstbrief: die Staatspensionäre
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Nr. 2

4 Die Nunst-^alle. xM-

25

er wieder, die Figur nicht größer gewacht zu haben.
„Der Künstler kann sich nur daun genugthun,"
sagte er mir, „wenn er die Fühlung mit der Natur-
verloren hat. Wenn man in der Natur lebt, fühlt
man sich immer klein." So strebt er, das unerreich-
bare Ziel vor Augen, rastlos vorwärts.
Man kann keinen schärferen Gegensatz zu Fritz
Mackensen ersinnen, als ihn sein Freund Otto Moder-
sohn bietet. Die Gestalt ist schmalschultrig und leicht
gebeugt, alle Züge des weichen Gesichts gehen in's
Breite. Das aschblonde Lsaar liegt glatt auf der
Stirn. Und selbst der braunrothe Vollbart und der
buschige Schuurrbart können den Gindruck' einer fast
weiblichen Sanftheit nicht verwischen. Das kurz-
sichtige Auge hinter der goldenen Brille scheint nach
innen zu blicken. Gr ist das Bild eines Geistmenschen.
Auch bei ihm ist das Auge bezeichnend für sein
Wesen. Seine ganze Persönlichkeit ist nach innen ge-
wandt, auf das, was die Natur in seiner Seele
wirkt. Gr will die Natur uicht erobern, er ist ihr
willenlos Unterworfener: nachstammeln, was sie ihm
sagt, ist sein ganzer Ghrgeiz. Gr sorgt sich nicht so
sehr mn die Mittel: er studirt wohl auch das Kleine,
aber in: Bilde will er nur den großen Gindruck
geben. Seine Werke haben dadurch etwas Un-
fertiges in technischen: Sinne, und wie ich sein Wesen
erfasse, zweifle ich, ob sich das je ändern wird. Aber
sie sprechen zur Seele, weil sie aus eiuer reichen und
stillen und frohen Seele stammen. Sch kann nach
den wenigen Tagen, die ich in Worpswede verlebte,
nicht mit Sicherheit sagen, ob er seine Bilder über
die Wirklichkeit hinaushebt. Mit Bewußtsein sicher
nicht. Aber ich habe die Empfindung, als ob er in
den kleinen Ausschnitt, den er zu geben liebt, unbe-
wußt die Freude an der ganzen Natur hineingießt,
und dadurch ebeu die Stimmung stärker herausbringt,
als sie dieser Ausschnitt eigentlich zeigt. Ich habe
die Empfindung, weil ich fühle, daß ich Worpswede
mit seinen Augen gesehen habe, und weil nur seine
Bilder lebendiger in der Erinnerung sind, als die
Wirklichkeit. Diese suggestive Kraft aber kanu ich
anders nicht erklären.
s *
*
Das find meine Eindrücke von Worpswede und
seinen Malern. Sie sind auf guten: Wege mit ihrer
Arbeit. Lsoffen wir, daß künftige Erfolge sie so
wenig stören und beirren, wie die bisherigen. Die
Landschaft hat ihnen viel gegeben, aber ich glaube,
es giebt viele Landschaften, aus denen mit gleicher
Begabung und gleicher Energie ebenso machtvolle
Offenbarungen der urewigen Natur herauszuschaffen
sind. Das Beispiel der Maler von Worpswede kann
Großes wirken, wenn es recht verstanden wird.

Römischer Kunstbrief.

Vie Staat§pensionäre.
in jeder Staat hat feine eigenen Grundsätze für die
Förderung der Kunst und der Künstler, namentlich in
deren jüngeren Jahren. Italien hinkte darin etwas nach,
nicht durch seine Schuld, sondern durch das Unvermögen,
der Staatskasse allzustarke Beträge für künstlerische Zwecke
zu entnehmen, so lange der Finanzkarren durch den tiefen
Sand der Gelddürre geschleift wird. Im Jahre Ml aber
hatte das Portefeuille des Ministeriums des öffentlichen
Unterrichts ein Mann inne, der, weit mehr Gelehrter als
Staatsmann, klaren Auges erkannte, daß die ehedem viel-
berühmte italienische Malkunst einer Zeit schnellen Ver-
falles entgegenging; und er sah ein, daß der Staat gewisse
Pflichten hatte, diesen: verblühen zu steuern, und sollte
darüber auch der Ausgleich im Staatshaushalte etwas
länger auf sich warten lassen.
Pasquale Villari gründete also im Jahre Ml das
Institut der Staatspensionäre für die schönen K ü n st e,
dessen Einrichtung interessant und charakteristisch ist. Ls
wurden sechs Stellen geschaffen, zwei für die Malerei,
zwei für die Bildhauerei, zwei für die Architektur.
Die Auserwählten erhalten ein jährliches Stipendium von
3000 Franken; Atelier und Wohnung, die in der Kunst-
akademie in der via di Ripetta, in: sogenannten „pnfeisen",
gelegen sind, haben sie frei. Sie haben in den ersten beiden
Jahren Studienreisen in Italien zu macheu. Der gegen-
wärtige Unterrichtsminister Baccelli hat das Stipendium
iusofern erhöht, als er den Pensionären in: dritten Studien-
jahre einen Zuschuß zu eiuer Reise ins Ausland gewährt.
Die Dauer der Staatspeusion läuft durch vier Jahre. Die
Zuerteilung derselben erfolgt unter diesen Umständen natür-
lich in sehr rigoroser Form, und nur alle zwei Jahre. Die
Bewerber müssen ihre Akademiezeit bereits abgemacht haben,
also schon fertige Künstler sein, nur daß ihnen noch jenes
Studium und jene Studiengelegenheit fehlen, die weder die
Akademie noch meistens die eigene Tasche gewähren können.
Die Bewerber also senden irgend eine frei vorgenommene
Arbeit ein. Die zur engeren Konkurrenz Zugelassenen
werden gegen Lnde September nach Rom bestellt und er-
halten hier das eigentliche Konkurrenzthema in den be-
ziehungsweise:: Fächern. Sie werden auf sechs Stunden
eingeschloffen und haben während dieser knappen Frist ihre
Gedanken über oder ihre Skizzen für das Thema zu Papier
zu bringen. Jur Ausführung desselben wird ihnen so Tage
Zeit gelassen.
Da das genannte Institut in: Jahre Ml begründet
wurde, so war gerade jetzt die Frist abgelaufen, in welcher
die ersten Pensionäre dasselbe verlassen müssen. Der oberste
Leiter desselben, Professor Francesco Iacovacci, dessen Lr-
nennung zum Direktor der Nationalgallerie für moderne
Kunst bevorsteht, hat diese Gelegenheit ergreifen wollen,
nm zu zeigen, daß das Geld für die Staatspensionäre der
schönen Künste nicht zum Fenster hinausgeworfen worden
ist. Und in der That, mag es Zufall, mag es wirklich der
Werth dieser Einrichtung sein, genug — die gegenwärtigen
Stipendiaten der italienischen Regierung führen Rainen,
welche die Welt später mit Achtung nennen wird, abge-
sehen davon, daß alle diese jungen Männer ihre Zeit keine,:
 
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