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Die Kunst-Palle.
Nr. 5
Ligenthümlichkeit, daß schließlich nur Liner ganz zufrieden
ist, nämlich der glückliche Gewinner des ersten Preises und
der damit verbundenen Ausführung. Selbst der unmaß-
gebliche Beschauer kann sich selten enthalten, an den Ent-
scheidungen eine mehr oder weniger sanfte Kritik zu üben.
So hätte in diesem Lalle Mancher den talentvollen Arbeiten
von Lrenz einen Preis gewünscht, Mancher zur Aus-
führung die Skizze von Klein-Lhevalier gewählt, der nur
den dritten Preis erhalten hat re. jedenfalls kann man
zu den: bewährten Können von L. Neuhans das Zutrauen
haben, daß er bei der Ausführung über die Qualitäten der
Skizze, die eine Allegorie, eine Art Drei-Kaiser-puldigung
vorführt, noch hinausgehen wird.
Einfacher gestaltete sich das Resultat bei der zweiten
Preisbewerbung. Es handelte sich um ein Altargemälde
mit einer Lhristusfigur für die evangelische Kirche in Saar-
gemünd. Die Jury war hier in der angenehmen Lage,
einer Arbeit den ersten Preis und die Ausführung ge-
währen zu können, die sich nicht nur haushoch über die
übrigen eingesandten Entwürfe erhebt — was in diesem
Lall eigentlich nicht viel sagen will — sondern die schon in
der kleinen Skizze ein großes, wahres Kunstwerk verspricht.
Der Autor derselben W. von Beckerath, der unseres
Wissens noch nicht in die Geffentlichkeit getreten ist, ein
akademischer Schüler von Prof. Peter Janssen giebt in
seiner Skizze „Lasset die Kindlein zu mir kommen" ein
Werk von so packender Originalität, so wahrhaft künstleri-
fcher Auffassung und dabei, als Einziger von Allen, einer
so unendlich ergreifenden Darstellung der Lhristusgestalt,
daß man ihm und der Kirche, die er schmücken wird, nur
von Perzen Glück wünschen kann. Don den M anderen
Entwürfen, die sich zum Theil noch in den Bahnen aller-
senilsten Nazarenerthums bewegen, interessiren eigentlich
nur noch zwei andere Arbeiten von demselben W. von
Beckerath, und eine seinem Styl verwandte Skizze mit dein
Motto „Erlöst". Zweiten und dritten Preis erhielten die
Arbeiten von Pfannschmidt und Nüttgens, die zwar
äußerlich nur zu sehr in den Bahner: ihres Lehrers von
Gebhardt wandeln, seinen Geist und die Tiefe seiner Em-
pfindung aber kaum zu ahnen scheinen. Eine nicht prämiirte
Skizze unter der von Pfannschmidt hängend und allein An-
schein nach von ihm selbst auch herrührend, wirkte in der
Masse dekorativer Brokatstoffe, mit welchen Lhristus be-
hängt ist, fast befremdend. —
jn der Schulte'scheu Ausstellung herrscht das Por-
trät in auffallender Weise vor. Alexander Lrenz bringt
eine ganze Sammlung von Damen- und Kinderbildnissen,
die sein großes Talent auch nach dieser Seite hin bestätigen.
Auf seinem eigentlichen Leide, dem einer phantastischen de-
korativen Komposition, finden wir ihn in einer Reihe von
Lederzeichnungen zu der soeben erschienenen Richard
Wagner-Biograxhie von Chamberlain. Lr weiß hier trotz
Klinger und Böcklin seinen eigenen Styl zu wahren und
macht auch die abstraktesten Kompositionen durch das ge-
sunde Naturstudium, das sich in allen zeigt, genießbar und
erfreulich.
D. R.
Die Ausstellung in der Akademie.
(Achenbach— Menzel - Schrader.)
ie Ausstellung der Akademie zur Ehrung ihrer
achtzigjährigen Mitglieder ist eine Festrede ohne
Morte, die man das Merk seinem Meister
halten läßt. Gerechter und eindringlicher wird auch
der feinste Kopf und der beredteste Mund diese Auf-
gabe nicht erfüllen können. —
Unter den Werken Adolph Menz el's befinden
sich nur ganz wenige, die ich nicht kannte. Diese
wenigen sind nicht bedeutend genug, um der Persön-
lichkeit des Künstlers, wie sie in meiner Vorstellung
lebte, entscheidend neue Züge hinzuzufügen. Und
wenn ich doch niemals so deutlich die Größe des
Maunes empfunden habe, so liegt das daran, daß
diese Ausstellung das Wissen zum Erlebniß er-
hebt, an die Stelle starrer Begriffe lebendige An-
schauung setzt.
Ich kann das Gefühl nicht unterdrücken, daß
man bei allem Coben und Preisen dem Meister noch
nicht gerecht geworden ist, daß man, um es mit
eiuem Worte zu sageu, über dem großen Können den
großen Künstler ein wenig vergessen hat, über der
Würdigung des scharfen Auges und der sicheren
pand die der tiefen Seele. Das ist vielleicht nicht
wunderbar: in jedem seiner Werke erfordert die Be-
trachtung der äußeren Form bis ms Einzelne hinein
eine solche Aufmerksamkeit, daß mau schwer dazu
kommt, tief einzudringen. Man findet die Lorn: so
reich und fein, so unsäglich sorgfältig und mühsam
ausgeseilt, daß man unwillkürlich meint, sie sei dein
Meister die Hauptsache.
Die Ausstelluug, die eiue so große Zahl seiner
Werke giebt das Korrektiv. Die Art der Arbeit ist
immer dieselbe, das Können des Meisters tritt in zehn
Bildern nicht bewunderungswürdiger hervor als in
einen:. Wäre dieses Können sein einziger Vorzug,
man könnte nicht Hunderte seiner Arbeiten nach ein-
ander betrachten, ohne eine:: Augenblick zu ermüden.
Die bloße äußerliche Vielseitigkeit in den Motiven
würde daran nichts ändern. Nur eins ermöglicht
diese Wirkung: die andächtige Liebe, mit der er alle
Erscheinungen der Natur und des Lebens umfaßt,
hat eine innere Vielseitigkeit der Seele in ihm er-
weckt, die ihn jede Erscheinung in ihrer tiefsten Eigen-
aüt empfinden läßt. Seine Subjektivität kaun so vieleu
Stimmungen gerecht werden, daß inan ihn für ob-
jektiv hält. Die Grenze zwischen diesen beiden Auf-
fassungen der Welt ist nicht durch Begriffe zu um-
schreiben: man kam: die Wärme des Subjektiven von
der Kühle des Objektiven nur durch das eigeue Ge-
fühl unterscheiden.
Er ist ganz frei von Tendenz. Man hat seii:
„Eisenwalzwerk" das hohe Lied der Arbeit genannt.
Das legt einen Sinn in das Bild, der nicht darin
Die Kunst-Palle.
Nr. 5
Ligenthümlichkeit, daß schließlich nur Liner ganz zufrieden
ist, nämlich der glückliche Gewinner des ersten Preises und
der damit verbundenen Ausführung. Selbst der unmaß-
gebliche Beschauer kann sich selten enthalten, an den Ent-
scheidungen eine mehr oder weniger sanfte Kritik zu üben.
So hätte in diesem Lalle Mancher den talentvollen Arbeiten
von Lrenz einen Preis gewünscht, Mancher zur Aus-
führung die Skizze von Klein-Lhevalier gewählt, der nur
den dritten Preis erhalten hat re. jedenfalls kann man
zu den: bewährten Können von L. Neuhans das Zutrauen
haben, daß er bei der Ausführung über die Qualitäten der
Skizze, die eine Allegorie, eine Art Drei-Kaiser-puldigung
vorführt, noch hinausgehen wird.
Einfacher gestaltete sich das Resultat bei der zweiten
Preisbewerbung. Es handelte sich um ein Altargemälde
mit einer Lhristusfigur für die evangelische Kirche in Saar-
gemünd. Die Jury war hier in der angenehmen Lage,
einer Arbeit den ersten Preis und die Ausführung ge-
währen zu können, die sich nicht nur haushoch über die
übrigen eingesandten Entwürfe erhebt — was in diesem
Lall eigentlich nicht viel sagen will — sondern die schon in
der kleinen Skizze ein großes, wahres Kunstwerk verspricht.
Der Autor derselben W. von Beckerath, der unseres
Wissens noch nicht in die Geffentlichkeit getreten ist, ein
akademischer Schüler von Prof. Peter Janssen giebt in
seiner Skizze „Lasset die Kindlein zu mir kommen" ein
Werk von so packender Originalität, so wahrhaft künstleri-
fcher Auffassung und dabei, als Einziger von Allen, einer
so unendlich ergreifenden Darstellung der Lhristusgestalt,
daß man ihm und der Kirche, die er schmücken wird, nur
von Perzen Glück wünschen kann. Don den M anderen
Entwürfen, die sich zum Theil noch in den Bahnen aller-
senilsten Nazarenerthums bewegen, interessiren eigentlich
nur noch zwei andere Arbeiten von demselben W. von
Beckerath, und eine seinem Styl verwandte Skizze mit dein
Motto „Erlöst". Zweiten und dritten Preis erhielten die
Arbeiten von Pfannschmidt und Nüttgens, die zwar
äußerlich nur zu sehr in den Bahner: ihres Lehrers von
Gebhardt wandeln, seinen Geist und die Tiefe seiner Em-
pfindung aber kaum zu ahnen scheinen. Eine nicht prämiirte
Skizze unter der von Pfannschmidt hängend und allein An-
schein nach von ihm selbst auch herrührend, wirkte in der
Masse dekorativer Brokatstoffe, mit welchen Lhristus be-
hängt ist, fast befremdend. —
jn der Schulte'scheu Ausstellung herrscht das Por-
trät in auffallender Weise vor. Alexander Lrenz bringt
eine ganze Sammlung von Damen- und Kinderbildnissen,
die sein großes Talent auch nach dieser Seite hin bestätigen.
Auf seinem eigentlichen Leide, dem einer phantastischen de-
korativen Komposition, finden wir ihn in einer Reihe von
Lederzeichnungen zu der soeben erschienenen Richard
Wagner-Biograxhie von Chamberlain. Lr weiß hier trotz
Klinger und Böcklin seinen eigenen Styl zu wahren und
macht auch die abstraktesten Kompositionen durch das ge-
sunde Naturstudium, das sich in allen zeigt, genießbar und
erfreulich.
D. R.
Die Ausstellung in der Akademie.
(Achenbach— Menzel - Schrader.)
ie Ausstellung der Akademie zur Ehrung ihrer
achtzigjährigen Mitglieder ist eine Festrede ohne
Morte, die man das Merk seinem Meister
halten läßt. Gerechter und eindringlicher wird auch
der feinste Kopf und der beredteste Mund diese Auf-
gabe nicht erfüllen können. —
Unter den Werken Adolph Menz el's befinden
sich nur ganz wenige, die ich nicht kannte. Diese
wenigen sind nicht bedeutend genug, um der Persön-
lichkeit des Künstlers, wie sie in meiner Vorstellung
lebte, entscheidend neue Züge hinzuzufügen. Und
wenn ich doch niemals so deutlich die Größe des
Maunes empfunden habe, so liegt das daran, daß
diese Ausstellung das Wissen zum Erlebniß er-
hebt, an die Stelle starrer Begriffe lebendige An-
schauung setzt.
Ich kann das Gefühl nicht unterdrücken, daß
man bei allem Coben und Preisen dem Meister noch
nicht gerecht geworden ist, daß man, um es mit
eiuem Worte zu sageu, über dem großen Können den
großen Künstler ein wenig vergessen hat, über der
Würdigung des scharfen Auges und der sicheren
pand die der tiefen Seele. Das ist vielleicht nicht
wunderbar: in jedem seiner Werke erfordert die Be-
trachtung der äußeren Form bis ms Einzelne hinein
eine solche Aufmerksamkeit, daß mau schwer dazu
kommt, tief einzudringen. Man findet die Lorn: so
reich und fein, so unsäglich sorgfältig und mühsam
ausgeseilt, daß man unwillkürlich meint, sie sei dein
Meister die Hauptsache.
Die Ausstelluug, die eiue so große Zahl seiner
Werke giebt das Korrektiv. Die Art der Arbeit ist
immer dieselbe, das Können des Meisters tritt in zehn
Bildern nicht bewunderungswürdiger hervor als in
einen:. Wäre dieses Können sein einziger Vorzug,
man könnte nicht Hunderte seiner Arbeiten nach ein-
ander betrachten, ohne eine:: Augenblick zu ermüden.
Die bloße äußerliche Vielseitigkeit in den Motiven
würde daran nichts ändern. Nur eins ermöglicht
diese Wirkung: die andächtige Liebe, mit der er alle
Erscheinungen der Natur und des Lebens umfaßt,
hat eine innere Vielseitigkeit der Seele in ihm er-
weckt, die ihn jede Erscheinung in ihrer tiefsten Eigen-
aüt empfinden läßt. Seine Subjektivität kaun so vieleu
Stimmungen gerecht werden, daß inan ihn für ob-
jektiv hält. Die Grenze zwischen diesen beiden Auf-
fassungen der Welt ist nicht durch Begriffe zu um-
schreiben: man kam: die Wärme des Subjektiven von
der Kühle des Objektiven nur durch das eigeue Ge-
fühl unterscheiden.
Er ist ganz frei von Tendenz. Man hat seii:
„Eisenwalzwerk" das hohe Lied der Arbeit genannt.
Das legt einen Sinn in das Bild, der nicht darin