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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 12
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Zimmern, Helen: Herkomer's neues Schwarzkunstverfahren
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Ein Kunstkrieg in Hamburg
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182

-Die Run st-Halle.

Nr. (2

lich kraftvoller Zeichnung, Tonalität und Freiheit der
Darstellung, daß sie mir unzweifelhaft als das Er-
gebniß raschen und originalen Schaffens erschienen,
und ich sofort merkte, es lag hier keine Uebertragung
fremder Erzeugnisse vor, sondern eigene Arbeit des
Künstlers. Die Blätter ließen sich mit keinen: der be-
kannten Schwarzkunst-Verfahren vergleichen. Ob-
wohl sie weiche Töne aufwiesen, sahen sie doch nicht
nach Schabmanier aus, und trotz mancher Linien,
die auf scharfe Aetzung zu deuten schienen, machten
sie nicht den Eindruck von Nadirungei: oder Kupfer-
stichen. Der Künstler erklärte nur sein Verfahren,
bat mich aber, noch nichts darüber zu veröffentlichen,
da er erst noch einige weitere Versuche anstellen
wollte. Er ist überzeugt, daß diese neue Methode
sich dem Maler unendlich werthvoll erweisen wird,
insofern sie ihm ermöglicht, durch seine eigenhändige
Thätigkeit die Massen, zu gewinnen, indem er ihnen
billige autographische Reproduktionen liefert. Hier
das Verfahren:
Der Gegenstand des Bildes wird mit schwarzer
Farbe auf die silberweiße Fläche einer Kupferplatte
gemalt. Während das vollendete Bild noch feucht
ist, wird es vollständig mit einem nach Angabe prä-
parirten Pulver bestäubt. Alsdann muß die Platte
mit einem Kameelhaarpinsel wieder behutsam abge-
stäubt werden, um das überflüssige Pulver zu ent-
fernen. Von dieser Platte wird nach den: Trocknen
galvanoplastisch ein Kupferüberzug, die eigentliche
Druckplatte, genommen.
Die von dem Künstler auf dem Silbergrund der
Platte ausgeführte Arbeit ist mehr ein Modelliren
als Malen des Susets, und zwar sind die dunklen
Partien erhaben, die Lichter vertieft. Das Elektrotyp,
welches die Zeichnung umgekehrt kopirt, ist gleichsam
die von einem plastischen Modell abgenommene Form,
und der sodann erzielte Abdruck vertritt den Abguß,
der die Griginalleistung des Künstlers in neuer Ge-
stalt ergiebt.
Als Hauptvortheile dieser neuen Methode rühmt
Herkomer, daß sie gestattet, die Ursprünglichkeit zu be-
wahren, und eine vollkommene Wiedergabe der
Stimmung erzielen läßt. Der Umstand, daß es ein
positiver Prozeß ist, macht das Verfahren des umge-
kehrt Arbeitens unnöthig. Dadurch, daß die Zeich-
nung während des Entstehens deutlich sichtbar ist,
bleibt in Bezug auf die Wirkung jede Unsicherheit
ausgeschlossen. Farbstoff und Werkzeug sind solche,
wie sie der Maler täglich zur Hand hat. Und was
die Schnelligkeit betrifft, so behauptet Herkomer, daß
er vermittelst der neuen Methode in fünf Stunden
so viel leisten kann, wie ein Stecher in der Schab-
kunst-Manier durch fünswöchentliche Arbeit. „?umtsr
LnZruvinA" (Maler - Graviren) nennt Professor Her-
korner sein Verführen, auf dessen Erfindung er das
Urheberrecht beansprucht, obgleich deutsche Zeitungen

schreiben, daß schon vor ihn: ein Wiener Künstler zu
Anfang der fünfziger Jahre dieselbe Idee gehabt
habe. Hierüber mögen Sachverständige urtheilen.


Ern RunMrreg in Hamburg.

Hamburger Kunstverein hat eine Aktion der An-
(V Hänger der alten Kunst gegen die moderne Richtung
stattgefunden, die in manchem Betracht, trotzdem sie eigent-
lich innere Angelegenheit des Vereins ist, auch für weitere
Kreise Interesse hat. Dieser Anschauung war wohl auch
Herr Robert Wichmann, der Rufer im Streit, als er
uns seine Broschüre „Die neue Richtung der K^nst im
Kunstverein" übersandte.
Ls ist unmöglich für uns, die wir die betreffenden
Werke gar nicht, kaum deren Urheber kennen, Partei in
diesem Kampfe zu nehmen. Das abgebrauchte Schlagwort
„modern" kann uns weder für noch wider ein Werk und
einen Künstler erhitzen. Doch scheint es sich nach der Be-
schreibung mehr um oft auch von uns gegeißelte Extra-
vaganzen der Jungen, als um ernste Arbeiten zu handeln.
Herr Wichmann ist Laie, aber ein kunstfreudiger und
kunstfreundlicher Mann, der viel gesehen hat und nicht nur
obenhin. Mag man mit ihm übrrcinstimmen oder nicht, es
wirkt sehr erfreulich, weil es bei uns so selten ist, einen
Mann zu finden, der ein persönliches Verhältniß zur Kunst
und den Drang hat, für seine Ueberzeugung auch zu wirken.
Sein Auftreten hat den Erfolg gehabt, daß das schon
prämiirte Plakat für die Ausstellung nicht zur Ausführung
kommen wird. Der größere Erfolg besteht aber offenbar
darin, daß er das Interesse für den Verein bei vielen
Mitgliedern neu belebt hat. wer da weiß, wie unendlich
schwer es ist, die Gleichgiltigkeit in Kunstdingen zu be-
kämpfen, der wird das nicht unterschätzen.
Lin gesunder Fortschritt kommt immer nur durch den
Kampf des Neuen und des Alten zu Stande. Fehlt der
Widerstand des Gewichtes, so schnurrt das Uhrwerk nutz-
los ab. Ls giebt so manche Kunststadt, der eine solche
Partei des Alten fehlt, viele Auswüchse der neuen Kunst,
besonders die fahrige Hast der Arbeit, würden sich dann weniger
bemerkbar machen.
Freilich wäre es im höchsten Grade bedauerlich, wenn
jetzt die siegreiche Partei ihre Mehrheit dazu benutzen wollte,
die ganze Kunst der Jungen zurückzudrängen und nicht nur
mehr die Uebertreibungen. Herr Wichmann geht weiter
als wir ihm folgen können, wenn er die Strebenden bis
zur Reife aus der Geffentlichkeit verweisen will. In der
Stille der Werkstatt wird man nicht reif. Die Strebenden
sind auf Förderung angewiesen, und sie sollen überdies
sehen, wie ihre Arbeiten wirken. Dadurch erklären sich auch
die scheinbar widerspruchsvollen Urteile der jugendfreund-
lichen Kritiker: sie erkennen ebeir das Unreife, aber sie wür-
digen auch die Verheißungen, die in den Werken liegen.
Aber der Wunsch des Herrn Wichmann, den Verein
nicht zu sprengen, sondern zu halten, spricht gegen eine
solche mißbräuchliche Ausnutzung des Lrfolges. Und die
Gegner sind ja dazu da, um sie, sollte sie versucht werden,
zu verhindern. So wird im Verein dauernder Kampf toben,
 
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