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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 23
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Bierbaum, Otto Julius: Die Münchener Ausstellungen: allgemeine Betrachtungen, [2]
DOI Artikel:
Grünewald: Die Nachbildung von Kunstwerken an Erzeugnissen der Baukunst und der Industrie: nach deutschem, österreichischem und ungarischem Gesetze
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Nr. 23

Die Run st-Halle. S^-<--

357

Leidenschaft über ihr Stück Land her. Es ist manch-
mal wie Nothzucht. Diese moorige Haide will sich
nicht hingeben, sie muß mit wüthender Liebe erkämpft
werden. Aber es gelingt den Leuten. In ihren
Landschaften sind Akkorde das Siegel, und man ver-
gißt sie nicht so bald. Man kann vor ihnen merken,
daß der Naturalismus keineswegs ein Ding ist, das
durchaus überwunden werden muß. Nur die falschen
Naturalisten müssen überwunden werden, die rohen
Burschen, die sich etwas darauf zu gute thun, daß sie
jedes poetischen Sinnes bar sind. Aebrigens sind
diese wirklich überwunden. Hie und da präsentiren
sie sich wohl noch, aber verkleidet; sie stellen dann
irgendwelche Techniken zur Schau, die im Allgemeinen
aber auch das verblüffende verloren haben. Man
ist über diese Phase nun doch hinaus. Man weiß:
das mußte gelernt werden, aber nur soll man nicht
mehr die Mühe des Lernens, sondern die Kunst sehen,
mit dem Gelernten etwas auszudrücken. Das ist der
Wendepunkt. Alle die Ismen, die mit dem Na-
turalismus zusammenhingen, betonten im Ueber-
schwange ihrer Jugend: wir wollen nichts als
malerisch sein, malerisch an sich und ohne jeden
Hintergedanken, ohne jeden weiteren Zweck. Es war
die Reaktion gegen die Herrschaft der Anekdote. Aber
schon der Ausdruck des persönlichen bewies, daß diese
Tendenz falsch war. Ein Schritt weiter und aus der
persönlichen Handschrift der naturalistischen Meister
ward der Ausdruck des Temperaments, und es er-
gab sich, daß die poetischen Temperamente die werth-
volleren waren. Man merkte: es wurde nicht mehr
naturalistisch gemalt, sondern naturalistisch gedichtet.
Je mehr man lernte, die Natur echt, aber eben echt
persönlich wiederzugeben, um so freier wurde man,
und nicht blos in den Ausdrucksmitteln, sondern auch
im verhältniß zur Natur. Man schaltete mit ihr,
während man sich anfangs unter sie geduckt hatte.
Aus dem grauen Naturalismus wurde die neue
Farbenfreude, uud es war nur eine rein künstlerische
Folge, daß die Freude an der Farbe vielfach die
Freude an der Natur überwog. So zweigte sich vom
Naturalismus die neue dekorative Kunst ab, die mit
ihm nur wenig mehr gemein hat. Aber auch nach
andrer Richtung hin mußte der Naturalismus Ein-
buße erleiden. Gerade durch das unausgesetzte
Werben um die reine Aeußerlichkeit kam man zu der
Ueberzeugung, daß man sie nie ganz erringen könnte.
Man fühlte sich stumpf werden in diesem Kampfe
gegen etwas Uebermächtiges. Alle Liebe half nicht,
alle Entsagung, alle Hingabe blieb am letzten Ende
unbelohnt. Das Beste wurde geleistet, wenn man in
sich selber Hineingriff und von sich selbst etwas hinzugab.
Die Größen, wie Bastien-Lepage, Uhde, fühlten
das zuerst, und doch blieben sie dem neuen Dogma
am treuesten. Andere, weil sie das Dogma nicht so
mit erkämpfen gewußt hatten, gingen schnell weiter:
sie fabulirten mit naturalistischen Mitteln.

Die Hauptbedeutung dieses Umschwungs liegt
darin, daß aus einer nur auf Zunftbeifall und Zunft-
verständniß berechneten, das Technische übermäßig
betonenden Kunst eine Kunst wurde, die Ziele ins
Leben hat. Heute wollen die Bilder wieder wirken
und nicht bloß Kunst beweisen. Ihre Kunst will es
vielmehr einfach sein, daß sie wirken, ohne mit den
Mitteln zu renommiren, mit denen es geschieht. Darin
liegt ein eminenter Fortschritt. Und zweierlei Be-
streben zeigt sich. Die einen wollen in der Haupt-
sache dekorativ, die audern in der Hauptsache poetisch
wirken. Wo beides in Einem mit rein künstlerischen
Mitteln erreicht ist, da scheint mir das Höchste er-
reicht zu sein. Solcher Kunstwerke will ich im Schluß-
artikel einige darstellen. Neben ihnen aber auch ein
paar, in denen dies Streben entgleist erscheint.
Zum Schluß dieser Betrachtung aber sei noch
auf einen besonders erfreulichen Umstand hingewiesen,
in dem sich die Tendenz, Kunst für's Leben zu schaffen,
am gradesten ausdrückt. Ich meine die Bemühungen
auf den: Gebiete der angewandten Kunst. In dieser
Hinsicht bietet der Glaspalast mehr als die Sezession.
Man findet dort vorzügliche Arbeiten deutscher Künstler
für Buchschmuck, und zwar nicht bloß Buchillustrationen,
sondern auch Entwürfe zu Buchdeckeln und dergleichen.
Das Beste freilich, was auf diesem Gebiete zur Zeit
in Deutschland geleistet wird, findet man weder im
Glaspalaste noch in der Sezession, sondern in den
Ateliers zweier in München lebender Künstler, die
beide Hamburger sind: bei Peter Behrens und Vtto
Eckmann.
L
Die Nachbildung von Kunstwerken
an Erzeugnissen der Baukunst und
Industrie
nach deutschem, österreichischem und ungarischem Gesetze.
Vom Amtsgerichtsrath Grünewald, Metz.
(^8Zer Künstler kann den gesetzlichen Schutz seiner Befug-
GL nisse zur freien, persönlichen Verfügung über seine
geistigen Schöpfungen — Zeichnungen, Gemälde, Radirungen,
Kupferstiche, Lithographien, Holzschnitte oder Bildhauerwerke
— ebenso beanspruchen, wie der Urheber litterarischer Werke.
Daran ändert der Umstand nichts, daß er zum Unterschied
vom Schriftsteller das Original seines Kunstwerkes selbst zu
verwerthen vermag. Denn abgesehen davon ist beim Künstler
gar wohl ein persönliches oder wegen des dargestellten
Gegenstandes sachliches Interesse denkbar, das ihn bestimmen
kann, die Verbreitung seines Werkes durch Dritte zu ver-
hindern.
Diesem Grundsätze folgen auch die neueren Urheber-
gesetze der Kulturstaaten, insbesondere das deutsche Kunst-
gesetz vom 9. Januar ;876, das ungarische Urhebergesetz
vom 28. April M-h und österreichische vom 26. Dezember
 
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