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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 21
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Meissner, Franz Hermann: Unsere Nationalgallerie, [2]
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Berger, Rud.: Die Kunst auf der bayerischen Landesausstellung in Nürnberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0371

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Nr. 2 s

---4 Die Kunst-Halle.

323

Das sind ein paar Beiträge zu der nothwendig
scheinenden Gesundung der Nationalgallerie. Wie
auch im Einzelnen die Meinungen sein mögen oder
abweichen, weiß ich mich doch mit der thatsächlichen
Unterlage weiter Zustimmung sicher, denn alle Welt
spricht Aehnliches, sobald die brennende Frage Thema
eines Gesprächs wird. Der Direktionswechsel am
alten Tantian-Platz hat manche Frage in Fluß ge-
bracht, — es wäre wünschenswerth, daß man weiter-
gehend auch die ganze Situation kläre, denn ohne-
dem dürfte die bloße Personaländerung Flickwerk
bleiben. —
Berlin, s6. Juni.

Die Kunst auf der bayerischen Landes
ausstellung rn Nürnberg.
von Rud. Berger-München.

Nürnberg, Anfang Juli.
dem Zusammengehen der beiden Münchener
Künstlerkorporationen wird's nun wirklich
Ernst. Eben giebt der Ausschuß des Ver-
eines bildender Künstler Münchens „Sezession" allen
Interessenten bekannt, daß sein Ausstellungsgebäude
an der Prinzregentenstraße 8 bis Ende dieses Jahres
zum Abbruch zu verkaufen ist, und daß dasselbe wenn
möglich sofort nach Entfernung der derzeitigen Inter,
nationalen Kunstausstellung von der Bildfläche ver-
schwinden soll. Ein so energisches Vorgehen hat
selbst den lebhaftesten Skeptiker zur Ueberzeugung ge-
bracht, daß das Kriegsbeil nach so langer Fehde
endlich begraben werden soll, und daß das ver-
mittelnde Vorgehen der Regierung ein lebhaftes Echo
in der Künstlerschaft hervorgerufen hat. Der innere
Grund des nunmehrigen Zusammengehens ist zweifel-
los die allmälige Abmilderung der einstmals so schroffen
Gegensätze in den künstlerischen Anschauungen. Nicht
zum Mindesten ist es das Verdienst der bayerischen
Landesausstellung, gezeigt zu haben, daß eine An-
näherung, die theoretisch vielfach für unmöglich galt,
sehr wohl in Praxi zu realifiren sei. Und dies scheint
mir als das einzig Bedeutungsvolle der gegenwärtigen
Ausstellung in der Nürnberger Kunsthalle des Her-
vorhebens zunächst werth.
Wer dagegen mit der Hoffnung, einer großartigen
Manifestation der bayerischen Kunst hier zu begegnen,
diesen neuen Kunsttempel betritt, für den ist die Ent-
täuschung eine ziemlich große. Als retrospektive Aus-
stellung des letzten Dezenniums ist sie zwar ganz ge-
schickt inszenirt. In wenigen aber beredten Beispielen
giebt sie den Werdegang der jüngsten bayerischen
Kunst. Sie zeigt auch das prävaliren der Landschaft
als des besten Spiegels unserer modernen Kunst-

empsindung. Aber bei all diesen Vorzügen läßt
sich doch der Mangel epochaler Neuschöpfungen nicht
verhehlen. Es finden sich genug gute Durchschnitts-
bilder von längst erprobten Meistern; aber es fehlen
junge aufstrebende Talente mit viel verheißenden
Arbeiten.
Allerdings ist Nürnberg auch nicht der Boden,
auf dem heute eine Kunst fröhlich gedeihen kann.
Das beweist übrigens schon ein Blick auf die Statistik
des Besuches der Kunsthalle, der bis jetzt, llorribile
äietu, nur etwa ^^2 Prozent des Gesammtbesuches
der Landesausstellung betrug. Man vergesse auch
nicht, daß kaum in einer andern so reichen Stadt wie
Nürnberg von den Einheimischen so wenig Kunst-
werke gekauft werden. Dementsprechend ist auch die
lokale Kunst — so sehr dies in einer so malerischen
Stadt mit so bedeutender künstlerischer Vergangenheit
überraschen mag — in der modernen Entwickelung
so weit zurückgeblieben, wie ein Blick in die den
Nürnberger Künstlern gewidmeten Räume über-
zeugt. Während in München der Kampf der neuen
Richtung mit der alten Schule Leben und neue Kräfte
hervorgerufen hat, ist Nürnberg in eine unverkenn-
bare Stagnation verfallen. Fast nichts von den mo-
dernen Errungenschaften der Malkunst ist hier zu
beobachten; es scheint, als ob der Rauch der Fabrik-
stadt für immer das Licht verdrängt hätte, als ob
das zähe Festhalten an der historischen Vergangenheit
nur ein Hemmniß für die Entwicklung wäre. Von den
Werken der heimischen Kräfte überschreitet kaum das
eine oder andere das Mittelmaß, und die beabsichtigte
Dreitheilung der Ausstellung in München - Künstler-
genossenschaft, München-Sezession und Nürnberg kann
bei der Unbedeutendheit der letzteren kaum ernstlich
aufrecht erhalten werden. Sollen wir einige der
Namen hervorheben, so sind dies petzet, Kehr, Schräg,
Niegel, Arenz. Von den drei Künstlern Ritter sind
die keck hingeworfenen Aquarelle Wilhelm Ritter's
die bedeutendsten, während die Gemälde von Lorenz
und Paul Ritter trotz ihrer subtilen Behandlungs-
weise doch keinen Anspruch auf die Bezeichnung als
echtes Kunstwerk haben. Im Uebrigen giebt die Ab-
theilung der Nürnberger Kunst deutlich genug zu er-
kennen, daß die Zeiten eines Dürer, eines Vischer u. a.
längst vergangenen Tagen angehören und ihre Epi-
gonen das reiche künstlerische Erbe nicht zu nutzen
verstanden.
In den Sälen für die Münchener Kunst treten
sofort alte Bekannte dem Beschauer entgegen. Franz
Stuck hat eine Reihe von Werken ausgestellt, die
kaum mehr den Reiz der Neuheit beanspruchen können.
Sowohl die antikisirten Serpentintänzerinnen, als die
„Rivalen" und die anderen Tentaurenbilder sind längst
durch Ausstellung oder Reproduktion bekannt. Gleich
ihm ist Hans Thoma mit einer ganzen Kollektion ver-
treten. Noch niemals ist mir die Verwandtschaft
dieses Meisters in seiner deutschen Volksthümlichkeit
 
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