Nr. s9
Die Kunst-Halle.
293
spektive des damals erst projektirten Denkmals mit
der landschaftlichen Szenerie jener Harzer Gegend in
schöner Erinnerung. Man bewunderte damals schon
den kühnen, wuchtigen Aufbau des Ganzen, das aus
einem halbrunden Plateau auf dem Berggipfel her-
auswuchs, aus eiuem System von Terrassen und Frei-
treppen und einem trotzig emporstrebenden romanischen
Thurm-Obelisken, mit der deutschen Kaiserkrone als
höchsten point äo vue, bestand.
Inzwischen ist der plan zur glänzendeu Wirklich-
keit geworden, den Schöpfern und uns gleichzeitig zur
dauernden Ehre. Am s8. Juni wurde dieses bis
jetzt gewaltigste Kaiser Wilhelms-Denkmal in Gegen-
wart der deutschen Fürsten und vielen herbeigeströmten
Volkes feierlichst enthüllt. Jetzt, da sich die kühnsten
Erwartungen für das Werk verwirklicht haben, ist
man sich wohl auch bei uus allgemein darüber einig,
daß derartige monumentale Aufgaben nur uuter künst-
lerischer Oberleitung eines Architekten zu löseu, nicht
wie früher dem Bildhauer allein zu überlassen sind,
der einerseits nicht über einen ausreichenden Fonds
architektonischer Kenntnisse verfügt, andererseits
was ganz in der Natur der Sache liegt — allzusehr
bestrebt sein wird, die Elastik möglichst über die Archi-
tektur herrschen zu lassen, sie dieser jedenfalls nicht
bescheiden unterzuordnen. Bei uns ist diese überaus
wichtige Erkenutniß erstaunlich spät gekommen; in
anderen Ländern, wie Italien, Frankreich, England,
hat sie längst Verbreitung gefunden. Und das ist
mit der Hauptgrund, daß dort die öffentlichen Denk-
mäler mannigfaltiger im Aufbau, geschmack- uud
phantasievoller sind, während sich zumal die neuereu
Berliner Monumente, diese Schöpfungen einseitig ge-
schulter Bildhauer, welche nur porträtsiguren mo-
delliren können, durch die Monotonie ihres Aufbaues
in: üblen Sinne des Wortes auszeichnen.
Schuld an diesen, für alle wohlmeinenden und
unbefangenen Kunstfreunde im höchsten Grade de-
primirenden Verhältnisse sind aber nicht etwa lediglich
unsere heimischen Bildhauer, die, soweit sie nicht zu
jeuer in die eigenen bescheidenen Tugenden verliebten
und verbohrten Koterie gehören, am besten wissen,
was ihnen leider noch fehlt. Schuld ist die ganze
heutige akademische Erziehung unserer jungen Bild-
nereibeflissenen; schuld ist vor allem das bei Kon-
kurrenzen und staatlichen Aufträgen herrschende durch
uud durch verzopfte System, das der künstlerischen
Phantasie, der Persönlichkeit des Schaffenden nicht
freie Bahn geben mag. Man will ja hier an der
Spree gar nichts anderes, als immer wieder klichirte
Gestalten mit erhobener Rechten, in Zivilrock bezw.
Uniform gesteckte ehrbare Würdenträger mit oder
ohne Hohenzollernmantel, die man bald auf eine Tonne,
bald auf eine profilirte Kiste, bald auf eine Art Kom-
mode stellt. Diese Monumente haben aber ihren Zweck
völlig verfehlt. Denn sie reizen den Beschauer weder
zur Andacht, noch zur Bewunderung, sondern eher
zum Angähnen oder, da der Berliner das Glossiren
dem Gähnen vorzieht, zu boshaftem Spotte.
Unternehmen, wie das Kyffhäuser-Denkmal, sind
freilich, sollen sie hervorragend gelingen, nur bei
einen: Architekten möglich, der sein Fach nicht ledig-
lich „bauwissenschaftlich" betreibt, sondern im echt
künstlerischen Geiste der großen Baumeister der italieni-
sche:: Renaissance zu gestalten versteht. Wer die Ent-
würfe jener alten Meister z. B. für ehemals geplante
Kirchenfassaden kennt, weiß, wie trefflich sie es ver-
standen, aus Plastik und Architektur etwas Harmoni-
sches, phantasievolles, Großartiges, die Seele des
Beschauers mit Freude und Respekt Erfüllendes zu
produziren. Ein Architekt, der Aehnliches unter-
nimmt, wird unbedingt über eine alle Künste zu-
sammenfassende Bildung verfügen müssen. Lin Bild-
hauer wird dagegen, wenn er in seinem Fache wirk-
lich Ausgezeichnetes zu erreichen strebt, schwerlich in
der Lage sein, sich außerdem uoch in den Besitz der
komplizirten Ausdrucksmittel der Architektur zu setze::.
Außer E. Huudrieser, der das vor der Front-
uische des Thurmes machtvoll heraustretende Neiterdenk-
mal Kaiser Wilhelms I., eine dem architektonischen Werke
durchaus kougeniale Leistung, schuf, ist auch der Ber-
liner Bildhauer N. Geiger, hier betheiligt. Sei::
Antheil besteht in der ergreifend würdigen Gestalt des
alten Barbarossa, der in der Sockelnische des Thurmes
unter der Reiterstatue als ein Sinnbild der Verheißung
halb verborgen thront, während Kaiser Wilhelm, dem
das Ganze zum Ruhme errichtet ist, als der Erfüller
des Traumes deutscher Neichseinheit in: volle:: Tages-
licht sich frei erhebt, begleitet vou einem germanischen
Necken und von dem lorbeerspendenden Genius der
Geschickte, einen: idealen Weibe, das gleich dem
Krieger am Sockel ruht. Das ganze Denkmal mißt
bis zur Spitze der Kroue 8s Meter. In: Innern des
viereckigen Thurmes steigt über einen: eingewölbten
Saale eine Treppe von 238 Stufen an einer frei-
stehenden Spindel empor zu den beiden obersten
Galerien, die mit Zinnen umkränzt sind. Von den
stattlichen Dimensionen des Denkmals giebt auch die
fast 9 Meter hohe Neiterstatue Kaiser wilhelm's, für
die 336 Tentuer Bronce erforderlich waren, einen
augenfälligen Beweis.
6. O.
ch
Thorr-Barbarossa.
z^^^er rothbärtige Gewittergott ließ es sich an:
s8. Juni nicht nehmen, bei der Einweihung
des Weißbart-Denkmals zugegen zu sein und
segnend seinen Hammer zu werfen. Er hat es nicht
verübelt, daß man ihm, dem eigentlichen „Kyff-
häuser", weder eine Einladung sandte, noch semer
Die Kunst-Halle.
293
spektive des damals erst projektirten Denkmals mit
der landschaftlichen Szenerie jener Harzer Gegend in
schöner Erinnerung. Man bewunderte damals schon
den kühnen, wuchtigen Aufbau des Ganzen, das aus
einem halbrunden Plateau auf dem Berggipfel her-
auswuchs, aus eiuem System von Terrassen und Frei-
treppen und einem trotzig emporstrebenden romanischen
Thurm-Obelisken, mit der deutschen Kaiserkrone als
höchsten point äo vue, bestand.
Inzwischen ist der plan zur glänzendeu Wirklich-
keit geworden, den Schöpfern und uns gleichzeitig zur
dauernden Ehre. Am s8. Juni wurde dieses bis
jetzt gewaltigste Kaiser Wilhelms-Denkmal in Gegen-
wart der deutschen Fürsten und vielen herbeigeströmten
Volkes feierlichst enthüllt. Jetzt, da sich die kühnsten
Erwartungen für das Werk verwirklicht haben, ist
man sich wohl auch bei uus allgemein darüber einig,
daß derartige monumentale Aufgaben nur uuter künst-
lerischer Oberleitung eines Architekten zu löseu, nicht
wie früher dem Bildhauer allein zu überlassen sind,
der einerseits nicht über einen ausreichenden Fonds
architektonischer Kenntnisse verfügt, andererseits
was ganz in der Natur der Sache liegt — allzusehr
bestrebt sein wird, die Elastik möglichst über die Archi-
tektur herrschen zu lassen, sie dieser jedenfalls nicht
bescheiden unterzuordnen. Bei uns ist diese überaus
wichtige Erkenutniß erstaunlich spät gekommen; in
anderen Ländern, wie Italien, Frankreich, England,
hat sie längst Verbreitung gefunden. Und das ist
mit der Hauptgrund, daß dort die öffentlichen Denk-
mäler mannigfaltiger im Aufbau, geschmack- uud
phantasievoller sind, während sich zumal die neuereu
Berliner Monumente, diese Schöpfungen einseitig ge-
schulter Bildhauer, welche nur porträtsiguren mo-
delliren können, durch die Monotonie ihres Aufbaues
in: üblen Sinne des Wortes auszeichnen.
Schuld an diesen, für alle wohlmeinenden und
unbefangenen Kunstfreunde im höchsten Grade de-
primirenden Verhältnisse sind aber nicht etwa lediglich
unsere heimischen Bildhauer, die, soweit sie nicht zu
jeuer in die eigenen bescheidenen Tugenden verliebten
und verbohrten Koterie gehören, am besten wissen,
was ihnen leider noch fehlt. Schuld ist die ganze
heutige akademische Erziehung unserer jungen Bild-
nereibeflissenen; schuld ist vor allem das bei Kon-
kurrenzen und staatlichen Aufträgen herrschende durch
uud durch verzopfte System, das der künstlerischen
Phantasie, der Persönlichkeit des Schaffenden nicht
freie Bahn geben mag. Man will ja hier an der
Spree gar nichts anderes, als immer wieder klichirte
Gestalten mit erhobener Rechten, in Zivilrock bezw.
Uniform gesteckte ehrbare Würdenträger mit oder
ohne Hohenzollernmantel, die man bald auf eine Tonne,
bald auf eine profilirte Kiste, bald auf eine Art Kom-
mode stellt. Diese Monumente haben aber ihren Zweck
völlig verfehlt. Denn sie reizen den Beschauer weder
zur Andacht, noch zur Bewunderung, sondern eher
zum Angähnen oder, da der Berliner das Glossiren
dem Gähnen vorzieht, zu boshaftem Spotte.
Unternehmen, wie das Kyffhäuser-Denkmal, sind
freilich, sollen sie hervorragend gelingen, nur bei
einen: Architekten möglich, der sein Fach nicht ledig-
lich „bauwissenschaftlich" betreibt, sondern im echt
künstlerischen Geiste der großen Baumeister der italieni-
sche:: Renaissance zu gestalten versteht. Wer die Ent-
würfe jener alten Meister z. B. für ehemals geplante
Kirchenfassaden kennt, weiß, wie trefflich sie es ver-
standen, aus Plastik und Architektur etwas Harmoni-
sches, phantasievolles, Großartiges, die Seele des
Beschauers mit Freude und Respekt Erfüllendes zu
produziren. Ein Architekt, der Aehnliches unter-
nimmt, wird unbedingt über eine alle Künste zu-
sammenfassende Bildung verfügen müssen. Lin Bild-
hauer wird dagegen, wenn er in seinem Fache wirk-
lich Ausgezeichnetes zu erreichen strebt, schwerlich in
der Lage sein, sich außerdem uoch in den Besitz der
komplizirten Ausdrucksmittel der Architektur zu setze::.
Außer E. Huudrieser, der das vor der Front-
uische des Thurmes machtvoll heraustretende Neiterdenk-
mal Kaiser Wilhelms I., eine dem architektonischen Werke
durchaus kougeniale Leistung, schuf, ist auch der Ber-
liner Bildhauer N. Geiger, hier betheiligt. Sei::
Antheil besteht in der ergreifend würdigen Gestalt des
alten Barbarossa, der in der Sockelnische des Thurmes
unter der Reiterstatue als ein Sinnbild der Verheißung
halb verborgen thront, während Kaiser Wilhelm, dem
das Ganze zum Ruhme errichtet ist, als der Erfüller
des Traumes deutscher Neichseinheit in: volle:: Tages-
licht sich frei erhebt, begleitet vou einem germanischen
Necken und von dem lorbeerspendenden Genius der
Geschickte, einen: idealen Weibe, das gleich dem
Krieger am Sockel ruht. Das ganze Denkmal mißt
bis zur Spitze der Kroue 8s Meter. In: Innern des
viereckigen Thurmes steigt über einen: eingewölbten
Saale eine Treppe von 238 Stufen an einer frei-
stehenden Spindel empor zu den beiden obersten
Galerien, die mit Zinnen umkränzt sind. Von den
stattlichen Dimensionen des Denkmals giebt auch die
fast 9 Meter hohe Neiterstatue Kaiser wilhelm's, für
die 336 Tentuer Bronce erforderlich waren, einen
augenfälligen Beweis.
6. O.
ch
Thorr-Barbarossa.
z^^^er rothbärtige Gewittergott ließ es sich an:
s8. Juni nicht nehmen, bei der Einweihung
des Weißbart-Denkmals zugegen zu sein und
segnend seinen Hammer zu werfen. Er hat es nicht
verübelt, daß man ihm, dem eigentlichen „Kyff-
häuser", weder eine Einladung sandte, noch semer