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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 11
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Berliner Kunstschau
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Berliner Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0197

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Nr. U

Die K u n st - p a l l e.

s69

Idealismus, allerdings nicht jenem verlogenen Begriff,
der vordem wohl als Idealismus galt und nichts weiter
als formale Beschönigung war, nur die Verlegenheitssprache
einer schwachmüthigen Generation, welche die derb-prächtigen
Volksdialekte der Natur verabscheute. Der Idealismus ist
heutzutage aber nur da berechtigt, wo er die kräftigen
Naturlaute nicht beschönigend abschwächt, sondern im Gegen-
theil vertieft und verdichtet. Kein holder Blümchenkaffee,
sondern feinster Extrakt, gleichsam die Psyche, die dem
Leib entspringt, dessen geistige Schönheit sie ausschließlich
bedingt.
Ich meine, die kleine Ausstellung graphischer Erzeug-
nisse der Gegenwart bei Amsler 6c Ruth ardt bestätigt
zum Theil das Gesagte. Da sieht man u. a. die neuen
Schwarzkunstblätter von Bub. perkomer, meisterhaft in-
dividualisirte und modellirte Porträts englischer und deutscher
Zeitgenossen, frisch wirkend wie Kohlezeichnungen erster
«Dualität, und daneben einige größere Landschaften, darin
eine verkrüppelte Tanne vom Sturmwind gezaust wird.
Es geht ein Klagen und wildes Stöhnen durch diese auf-
geregte Natur, wie auf gewißen landschaftlichen Schilde-
rungen Rembrandts und Rnysdaels. Und eine andere Art
Idealismus ist es, die uns auf den farbigen Lithographien
von w. Süs, Franz Naag er und Pans Thoma be-
gegnet, eine Lmpffndungsweife, die ihren Nährboden in
den alten frommen Werken des t6. Jahrhunderts besitzt.
Max Klinger ist mit zwei farbig getönten Radirungen
vertreten: der Allegorie „Die Natur am Webstuhl" und
einen, Kunstblatt, das sür den kürzlichen literarisch-artisti-
schen Kongreß in Dresden bestimmt war, beide inhaltlich
gedankenreich, technisch in der bekannten Eigenthümlichkeit
des Meisters. Weiter finden wir farbige Blätter von
A. Lepöre und LH. poudard, neue geistvoll skizzenhaft
wirkende Radirungen, Frauen- und Kindergestalten von
P. Nellen, sodann köstliche Radirungen, Landschaften,
Straßenansichten, Volkstypen, in üblicher Strichmanier, aber
höchst virtuos ausgeführt von Seymour paden, Felix
Buchot und Lameron, interessante, geätzte Arbeiten von
G. Lührig in Dresden und Lharles Shannon's geschabte
Blätter von zarter, duftiger Wirkung. Endlich hat man
hier Gelegenheit, mehrere Blätter aus dem nachgelassenen
Skizzenbuch des unlängst in Weimar verstorbenen Thier-
malers A. Brendel zu sehen. 6. 6.
* Bei Schulte sind, außer den von uns besprochenen
Werken, noch Gemälde ausgestellt von: F. Behrendt, E. v.
Bernuth, Ad. Böhm, p. Breling, p. Büchmann, G. v. Dall'
Armi, M. Fritze, I. Gentz, F. Peilbuth, G. pofer, F. Lefler,
A. v. Lepell, I. W. Lindlar, G. Lingner, R. Lipps,
G. Max, L. Nowak, F. Possart, G. Protzen, M. Ring,
A. Schöner, N. Schrödl, T. Steinthal, p. Thoma, A. Weber,
I. Wentscher u. A.


Berliner Chronik.
* Line Petition preußischer Künstler, betreffend
Prüfung der Methode, nach welcher bei den großen Ber-
liner Kunstausstellungen über Annahme und Ab-
weisung der eingelieferten Werke entschieden wird, ist dieser
Tage dein Kultusminister überreicht worden. Zahlreiche

namhafte Berliner Künstler haben ihre Unterschrift gegeben.
In der Petition wird besonders die diskretionäre und un-
verantwortliche Machtstellung angegriffen, die das herrschende
System einigen Wenigen gegen ihre Berufsgenossen ein-
räumt. (H. ^.-2.)
* Nationaldenkmal Kaiser Wilhelms I. — Der
in den engen Spreearm hineingeschobene Unterbau des
Denkmals steht seit kurzem bereits fertig da. Er präsentirt
sich mit seiner geschweiften Front als wuchtige Rustika;
darüber wird sich die jonische Säulenhalle Palmhubers mit
ihren Pavillonabschlüssen prächtig erheben. Die kolossale
Reiterstatue des Kaisers und der das Roß führende Genius
des Friedens sind ebenfalls schon vollendet und vorläufig
auf dem Grundstück der Gießerei vorm. p. Gladenbeck 6c
Sohn in Friedrichshagen zu sehen. Auch sind zwei zum
Postament gehörige Löwen neuerdings gelungen aus dem
Guß hervorgegangen. Mit diesem Bronzepostament und dein
Steinunterbau wird das ganze Monument bis zur Spitze
der Statue 20 m messen. Als Tag der feierlichen Ent-
hüllung des Nationaldenkmals ist der 22. März t«97 definitiv
festgesetzt worden.
* Lin Siegel für den Kaiser ist von Professor
Döpler d. I. entworfen und vom Graveur Gtto in Kg,xis
lanicki ausgeführt worden. Das von der Kaiserkrone be-
deckte Kaiserliche Wappen erhält die Inschrift: II. ck. K.
— Line Gypsbüste Friedrichs des Gr. als Greis, viel-
leicht nach dessen Tode unter Benutzung der Todtenmaske
des Königs geschaffen und zwar von dem Bildhauer
Iohannes Lckstein, hat sich unlängst gefunden. Kaiser
Wilhelm läßt jetzt dieses Werk vom Jahre «786 durch den
Pofsteinmetzmeister wimmel zu einen: dekorativen Zwecke
in Sandstein kopiren.
* Nach Vollendung der Kurfürstenbrücke und der
Wiederaufstellung des Sch l üter'schen Reiterdenkmals soll
eine Neueinweihung des letzteren Monumentes am 22. März
dieses Jahres stattfinden.
* Internationale Kunstausstellung ;896. —
Der Präsident der Münchener Künstlergenossenschaft, Maler
p. Bürgel, befand sich in voriger Woche in Berlin und
bestätigte die von uns in Nr. ;o angedeutete lebhafte Theil-
nahme seiner Genossenschaft für die Ausstellung. — Auch
im Ausland mehren sich die Sympathien für unsere „Inter-
nationale". Ls liegen bereits Anmeldungen aus Schweden
und Norwegen, von Seiten der portugiesischen Künstler und
der spanischen Meister aus Rom wie aus Madrid, Sevilla
und Barcelona vor. Auch Belgien wird gut vertreten sein.
* Gewerbeausstellung t896. — Der Grientmaler
w. Kuhnert vollendete dieser Tage ein Gemälde für die
Koloniale Abtheilung (vgl. unten „Atelier-Ausstellungen").
Für die Propaganda von „Alt-Berlin" ist ein vom
Maler p. Katsch entworfenes Plakat in der graphischen
Kunstanstalt von weylandt 6c Bauchwitz soeben her-
gestellt worden.
* Märkisches Provinzial-Museum. —Der Bau
eines neuen Museums wird, nachdem der preisgekrönte Ent-
wurf von Möller als viel zu kostspielig definitiv bei Seite
gelegt wurde, nicht vor den: Jahre ^897 begonnen werden
können. Es verlautet aber noch nicht, ob im Zusammen-
hang mit der Reduzirung der vom Magistrat in den Etat
des künftigen Jahres zu fetzenden Bausumme ein neuer
Wettbewerb ausgeschrieben werden soll.
 
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