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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 22
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Bierbaum, Otto Julius: Die Münchener Ausstellungen: Vorbetrachtung, [1]
DOI Artikel:
Stahl, Fritz: Deutschlands Kunst und Kunstgewerbe auf der Pariser Weltausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0390

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—°-^z Die Kunst-Halle. g^-<-—

Nr. 22

täten eines Darietetheaters, sondern wo jedes an
seinen: Platze ein wirkendes Stück Leben selber ist,
dem Ganzen dienend nnd doch sich selber treu. Dann
erst hätten wir ein wirkliches Kunstleben. Denn es
ist ein Irrthum zu glauben, daß dieses schon vor-
handen sei, wenn nur Künstler vorhanden sind. Es
gehört ein Volk dazu. Auch die paar Kenner allein
genügen nicht. Diese, möchte ich sagen, halten die
Kunst nur aus; das fruchtbare Verhältniß der Ehe
wird ihr erst, wenn sich eine empfängliche Masse mit
ihr verbindet. Dani:, aber nur dann, giebt es
schöpferische Zeiten von Etil und Harmonie, und
nur in ihnen bildet sich das, was wir mit einen:
recht schlechten Ausdruck klassisch nennen.
Man wird es verwunderlich finden, daß ich
Ausstellungsbetrachtungen mit solchen Gedanken ein-
leite. Aber ich denke, es ist nicht verfehlt, anch
Werdendes .mb speois uktornitMi« zu betrachten.
Die Aufgabe der Kunstschreiberei scheint nur, wenn
sie von einigem Werthe sein soll, von zweierlei Art
sein zu können. Eie kann einmal dahin begriffen
werden, daß sie kommentiren soll, d. h. das einzelne
Kunstwerk erklären, dem Betrachter in seinem Kerne
nahe bringen. Sie kann aber auch so aufgefaßt
werden, daß es ihr Wesen sei, eine ganze Entwicke-
lnng festzustellen, um Ausblicke zu gewinnen, Ziele zu
erfassen. Die erste Art wendet sich vornehmlich an's
Publikum, die andere auch an die Künstler. Jene
wird mehr subjektiver, diese mehr objektiver Art sein.
Denn man wird ein bischen Dichter sein müssen, um
ein Kunstwerk umschreibend erklären, nämlich in
Worte suggestiv umdichten zu können; aber um ein
Ganzes zu übersehen und aus den vielfältigen Ten-
denzen einer Menge das immanente Grundziel zu er-
kennen, muß man von subjektiven Neigungen nnd
Wahlverwandtschaften abstrahiren können.
In den folgenden Betrachtungen will ich ver-
suchen, mit Hilfe beider Methoden ein Bild der dies-
jährigen Münchner Ausstellungen zu geben. Es soll
also der eine Aufsatz den Stand der Entwickelung
zeigen, wie er sich hier darstellt, und der andere soll
die Hauptwerke behandeln, gleichviel, ob sie ersprieß-
lich oder unersprießlich scheinen.



Deutschlands Kunst und Runstgewerbe
auf der Pariser Weltausstellung.
er Munsch, daß Deutschlands Kunst und Kunstgewerbe
auf der Pariser Weltausstellung MO recht imposant

vertreten sein mögen, ist wohl allgemein unter allen, die
ein warmes Herz für diese Dinge haben. Aber ebenso all-

gemein müßte eigentlich auch die Sorge seiu, ob denn unter
den gegebenen Verhältnissen auf dieses Wunsches Erfüllung
zu rechnen sei. Und es ist garnicht zu früh, sich mit dieser
Sorge zu beschäftigen: drei Jahre sind für das, was ge-
schehen müßte, durchaus keine sehr lange Zeit.
Ja, wenn wir eine staatliche oder private Instanz
hätten, von der es selbstverständlich wäre, daß sie
mit Eifer und Kenntniß die Sache führte. Niemals hat
sich der oft empfundene Mangel eines Kunstministers deut-
licher fühlbar gemacht, als bei dieser Gelegenheit. Natür-
lich dürfte es kein Mann sein, der der Kunst so kühl bis
an's Herz hinan gegenübersteht, wie die heute mit ihrer
Pflege betrauten Käthe. Schon deshalb nicht, weil er das
Vertrauen der Künstler besitzen müßte. Ls ist ohne Zweifel
in: Augenblick schlimmer als je: inan kann ungeheuer viel
gegen Iordan einzuwenden haben, er hatte doch aber wenig-
stens mit gewissen Künstlerkreisen Fühlung und empfand
wenigstens etwas für die Kunst, wie er sie verstand. Nun
ist ja ein Reichskommissar ernannt, der sehr rührig zu sein
scheint und an dessen bestem willen zu zweifeli: kein Grund
vorliegt. Aber er hat für alles zu sorgen, und die Kunst
ist für ihn nur eii: fast verschwindender Theil seiner Aus-
gabe: würde er eiuen Namen tragen, der wie etwa der
Reuleaux' besonderes persönliches Interesse verbürgte, so
könnte man trotzdem mehr erhoffen, aber das ist nicht der
Fall. Und selbst vorausgesetzt, Herr Geheimrath Richter
fühle die Wichtigkeit der Sache, kann inan irgend annehmen,
daß er die eindringende Kenntniß der Verhältnisse, Persön-
lichkeiten und Werke hat, die nothwendig ist, um frucht-
bare Anregungen zu geben, ja nur an den rechten Stellen
zu holen. Eine Organisation der Künstler, die ein Recht
hätte, hier zu rathen, giebt es ja nicht.
Ls muß wohl der erste Schritt sein, eine solche Or-
ganisation zu schaffen, denn es wäre geradezu ein Unglück,
wenn die übliche Anarchie auch bei der Beschickung dieser
wichtigen Ausstellung herrschen sollte: wer will, kommt,
wer nicht will, bleibt weg. Das Könnt« oder die Jury
würde vielmehr die Aufgabe haben, alle die Kräfte und
Werke heranzuziehen, die zu einer möglichst vollständigen
Vertretung des deutschen Kunstschaffens beitragen können.
Nichts anderes darf gelten: es kommt nicht auf die Rich-
tung an und es darf vor allein nicht auf den Namen an-
kommen, das Schwache muß ebenso erbarmungslos ausge-
schlossen sein, wie das Gute selbst unter Opfern herange-
zogen werden muß. Mai: wird einwerfen, daß diese Forde-
rungen für jede Ausstellung, selbst für lokale zu erheben
seien. Jin Prinzip gewiß. Aber diese Ausstellungen haben
neben dem Zweck, die Bewegung der Kunst aufzuzeigen,
immer noch andere sehr materielle, denen zu Liebe man von
den: strengen Prinzip abweicht. Hier handelt es sich da-
gegen nur um dies Linzige: die Stellung der deutschen
Kunst innerhalb der Kunst des neunzehnten Jahrhunderts.
 
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