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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 2
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Aus dem Salon Gurlitt
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Berliner Kunstchronik
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Nr. 2

Die Kunst-Halle.

27

schönen, weichen Nindergesicht lagen solche Bedenken
nicht vor. Das Bildniß der kleinen Angelina Gurlitt
nimmt dadurch eineu hohen Nang im Werk des
Meisters ein.
Der ältere Realismus ist durch Wilhelm Leibl
uud Adolf Menzel glänzend vertreten. Leibl hat
ein paar Studienköpfe gesandt, an denen wieder die
Kraft des Strichs und die Schönheit und Tiefe der
Farbe entzückt. Daneben Handzeichnungen. Menzel
hat nur Handzeichnungen gegeben. Es ist interessant
zu vergleichen. Die Art dieser Studien ist bezeichnend
für die Künstler. Menzel geht von der Form aus uud
modellirt dauu kräftig; sein geringstes Blatt giebt ein
fertiges Stück Natur. Leibl giebt nur eiue Auf-
zeichnung der Lichtwerte; er hilft auch uicht durch
eiuen eiuzigeu Strich der plastischen Wirkung nach.
Von den jüngeren Realisten finden wir die Führer:
Mär Liebermann und FritzvonUhd e. Die kleinen
Bildchen Liebermann s mit holländischen Motiven be-
stärken mich in der Empfindung, daß wir von diesen:
Meister eine Ueberraschung zu erwarten haben. Immer
deutlicher macht sich die Freude am Licht uud an der
Farbe bemerkbar. Es ist kein Zweifel, daß er noch
einmal ganz Neuartiges gebeu könnte, mit so frischen
unbefangenen Augen sieht der große Könner die Natur
au. Khde's „Werbung" ist eiu Interieur im Pastell,
aber die Figuren des etwas täppischen Burschen und
der schämig schalkhaften Dirne sind doch mehr als
bloße Staffage. Sie machen das Bild zu einen: echten
rechten Genrestück in: alten Sinne: nur ist der Humor
nicht so absichtlich und die Mache feiner.
DoraHitz und Lesserbl ry vertreten die Jüngsten.
Die Malerin hat einen weiblichen Kopf von tiefen:
seelischen Ausdruck gegeben, den sie „Sehnsucht" ueunt.
Aber es ist nicht die Liebessehnsucht, die zu unzähligen
süßlichen Bildern das Motiv gegeben hat, sondern die
Sehnsucht uach einen: ernsten Lebensinhalt. Dies Bild
gehört zu den wenigen, für die das Wort „modern"
wirklich paßt, nicht weil diese Technik gerade gang
und gäbe ist, sondern weil dieser Kopf nur in unserer
Zeit denkbar ist. Es ist ein Symptom für eine neue
Stimmung, nicht für die lauten Frauenrechtlerinnen,
sondern für die wenigen Auserwählten. Lesser Kry,
der ewig Ungleiche, den man heute bewundert und
morgen belächelt, giebt wieder zu beiden Grund. Er
ist eigentlich Manierist, er hat gewisse Farben, die er
gerne bringt. Findet er sie in der Wirklichkeit, wie
in Hamburg das der Fall zu sein scheint, so wirkt er-
reich und natürlich. Findet er sie nicht, wie in: Grune-
wald, so malt er sie doch und wirkt unwahr und leer.
In den: Lübecker Hermann Linde bekommen
die Realisten eine fein sehende und gut geschulte, in
der Berlinerin Anna Tostenoble die Symbolistin,
eine recht fragwürdige Kraft.
Die „Dame in Schwarz" von den: Schotten Ian:es
Whistler ist ein entzückendes Stück Malerei. Das
Schwarz des Reitkleides, das weiß in den: Anzug des

kleiuen Mädcheus, das matte Noth des Teppichs, die
buuteu Farbeu der geblümten Vorhänge, all diese
Töne klingen zu einen: reinen Akkord zusammen.
Whistler ist später einfacher geworden, er arbeitet mit
wenigen Farben und schiebt das Gegenständliche mehr
zurück. Das Bild ist keiu „eigentlicher" Whistler.
Joseph Israels, der Holländer, giebt in seiner
„Näherin" mit schlichten Mitteln das Leben des Lichts
in einer engen Bauernstube.
v. 8t.

Berliner LunstchronM.
* Theatralik der Nadelarbeit. Frau Henriette
Mankiewicz aus Dresden, die bei uns schon einmal mit
ihren halb gemalten, halb gestickten Kolossalbildern Sensation
erregte, ist wiedergekehrt. Zwei große Schöpfungen nnd eine
kleinere Atlasdecke, sämmtlich, wie es heißt, für eine amerika-
nische Sammlung bestimmt, die sich solchen Luxus gestatten
kann, sind von der genialen Fran auf kurze Zeit zur Aus-
stellung in: hiesigen Kunstgewerbemuseum geliehen worden.
Die beiden Hauptstücke sind Pendants; eine nordische wald-
partie in Schnee und Eis gehüllt, bevölkert mit einigen lebens-
großen Schwänen und Raben, bildet auf der eineu Seiden-
fläche die Darstellung — ein Riesenbonquet ans feurigen
südlichen Pflanzen und Palmen, mit dein märchenhaften
Ansblick durch ein Alhambrathor von bizarren: Reichthum
der Formeu, ist die andere hochmalerische Zusammenstellung.
In ihrer verqnicknng von pinsel- nnd Nadelarbeit sind
die Merke der Dresdener Dame offenbar dnrch japanische
Vorbilder beeinflußt worden. Aber sie gehen doch weit
über die diskrete Behandlung der ostasiatischen Plattstich-
und Reliefstickerei hinaus und hnldigen künstlerisch einem
vollblütigen Naturalismus, der die Stickerei geradezu auf
verbotene Wege drängt, wo sie mit den Effekten des Dio-
ramas wetteifert. Bei den: Diorama ist, der frappanten
Wirkungen zn Liebe, freilich jegliches Mittel gestattet. Anch
Fran Mankiewicz schaltet mit den Stick- und Applikations-
Materialien souverän, zerfasert, kraust, dreht und büschelt
die Seidenfäden ganz nach Bedarf und gewinnt dadurch
ein Resultat, den: man als textil-koloristische Kraftleistung in
der That die höchste Bewunderung zollen muß, ohne doch
daneben zu verkennen, daß hier für minder geschmackvolle
Nachahmer ein bedenkliches Beispiel geboten ist.
* Line bekannte Firma, Hermann Gerson, konntd es
dieser Tage unternehmen, aus den reichen Beständen ihres
Lagers eine Teppich-Ausstellung zn inszeniren, die,
wenn das Unternehmen unter der Aegide eines Museums
das Licht erblickt, wohl als ein künstlerisches Ereigniß all-
gemeine Beachtung gefunden hätte. Allerdings stehen dem
Kaufhanse Räume in viel größerer Zahl zur Verfügung,
als nur irgend einem Musenm für die Zwecke von Souder-
ausstellungen. wer die vor einiger Zeit in Wien statt-
gehabte Ausstellung orientalischer Teppiche nicht gesehen,
findet auch hier eine lehrreiche Zusammenstellung jener
kunstgewerblichen Prodnkte des Grients aus älterer uud
neuerer Zeit, sarbensatte Knüpsteppiche aus Persien, den
türkischen Bezirken Kleinasiens und den: Kaukasusgebiete.
Die vielen fremdartigen Benennungen dieser kostbaren
 
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