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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 9
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Aus der Kunstlitteratur
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Berliner Kunstschau
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s58

D i o K u n st - p a l I o.


Vignette von Alexander Iren;.


San Gnofrio.
„Noch steht das Kloster von San Gnosrio da, wie es
der Dichter erblickt. Inmitten all der modernen Lauten
und Straßen, die den schlichten Bau umgeben, haben sich
Kirchlein nnd Kloster ihre eigensten Physiognomien zu be-
wahren gewußt, man fühlt, daß hier etwas lebt, was nicht
sterben kann, etwas Gewaltiges, Großes — aber auch un-
säglich Trauriges. Ist es die graue Tönung der Gebäude
und Wandelhöse des Klosters, ist es der Anblick der nicht
mehr im belebenden Grün schimmernden, kläglichen letzten
Ueberreste der Eiche aus der kleinen Anhöhe, unter der das
Becken in Trümmern liegt, ehedem bestimmt zur Aufnahme
eines munter fließenden Wasserstrahles, ist es schließlich die
Gewißheit, daß das Kloster von San Gnosrio selbst, wie
alle Baulichkeiten in der Nähe, zn einer ausgedehnten,
weitverzweigten Perberge für alle Arten menschlicher Leiden
geworden ist? — Kurz, es kann an dieser geschichtlich so
bedeutsamen Stätte Niemanden mehr ein Gefühl froher
Perzensregung überkommen, und der Geist strebt schneller
noch als der Fuß die pöhe hinaus, wo eine neue Zeit der
im heitersten Grün schimmernden Erde den Stempel ihrer
Thätigkeit ausgedriickt hat. Knd dieser schwermüthige Ein-
druck wird gewiß auch dann nicht verschwinden, wenn der
römische Magistrat die Umgebung von San Gnosrio
weniger verwahrlost lassen wird, wie es bis zum Jahre
t895 der Fall gewesen ist.
Pören wir, was die Dichter hierzu sagen und wie sie
sich widersprechen. Vittorio Alfieri sang:
Weh Nom! du wehrst ihm eine Urne, der solch
hohen Flug entfaltet,
Dieweil sein großer Name widertönt durch hehre
Pimmelslüste,
Dieweil aus deinen: größten Tempel hast gestaltet
Für feiger Bischofskönige Schaaren prächtige Grüfte?
Leopardi dagegen, dessen Melancholie die letzte Ruhe-
stätte des unglücklichen Dichters der „Aminta" und des
„Befreiten Jerusalem" sympathisch berühren mußte, schrieb
iu der That seinem Bruder unter dein tö. Februar ;82Z:
„Pente besuchte ich das Grab Tasso's uud weinte dort.
Dieser Besuch ist das erste und einzige Vergnüge:?, welches
ich in Rom empfand . . . viele beschleicht ein Gesühl der
Empörung, wenn sie die Aschenreste Tasso's sehen, bedeckt

und bekannt gemacht nur durch einen ungefähr anderthalb
Ellen breiten und langen Stein in einem winkclchen einer
kleinen Kirche. Ich aber möchte um keine:: Preis diese
Asche unter einen: Mausoleum erblicken . . . Man empfindet
einen traurigen nnd erbeben machenden Trost bei den: Ge-
danken, daß Armuth bereits genügt, um die Nachwelt zu
interessiren und zu beseelen . .
Und damit in den: kleinen, ehrwürdigen Kirchlein von
San Gnosrio mit seinen Apsisbildern des Pintnriechio
und Peruzzi, mit seiuen vielsach barocken Gedenktaseln und
Kapellen auch der Schalk nicht sehle, trifft der Suchende
wohl auch aus den Grabstein des Lastträgers Tribuntio
Sguazzetto, der „in: ersten Alter Körbe trug, dann aber in
der Krast der Finger beim Tragen schwerer Lasten Keinen:
nachstand, seitdem er in den .Grden der Lastträger' ansge-
stiegen war." Squazzetto theilt uns mit, daß er vierzig
Jahre lebte und sich dreißig Jahre schinden mußte; hätte
er länger gelebt, so hätte er sich noch länger schinden
müssen. Er bittet daher den Reisenden, stehen zu bleiben
und „dem hier in Ewigkeit ruhenden Lastträger den wein
zu reichen."
Meine Rundreise um den Gianieolo nähert sich ihren:
Ende. Die Sonne ist hinter Sanet Peter hinabgesunken,
und die sernen Linien der Berge vermischen ihre bläulichen
Schatten bereits mit den: tiefen Inkarnat des Pimmels.
Ueber der Stadt schweben graue Schleier, uud ehe noch die
goldigen Reflexe in: Westen verschwunden sind, scheint es,
als ob auch über die Raseuflächen des pügels graue, ver-
schwommene Gebilde huschen. Taffo pries die Lust des
Gianieolo wohl nur, um in der Einsamkeit zu sterben . . .
Sie hat sich allerdings um vieles bereits gebessert, schrieb
nur prosessor Pelbig, seit vor drei Jahren der unm:ttelbar
an der Aurelianischen Mauer gelegene Sumpf entfernt mor-
den ist. So recht traut inan der Sache aber doch nicht,
denn so lange ich zurückdenken kann, sind die aus den:
früheren Gelände der Villa Sciarra errichteten Landhäuser
gegeu Porta Portese hin unbewohnt geblieben. Pier öffnen
sich den: Beschauer auch die Gruben mit dem goldgelben
Kieselsande, der den: ,Ilous Kursus" den Namen gab. Er
wird heute in großen Massen in die Stadt hinunter ge-
bracht, wenn feierliche Auffahrten oder Begräbnisse zu er-
warten sind. Zur Zeit von Gamucci, der seine „HKioüitü
 
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