Nr. (6
-Die Run st-Halle,
2^5
Wollte ich alle Werke aufzählen, in denen ich
die Spuren dieser Richtung auf das Große und Ein-
fache finde, so würde ich eine stattliche Anzahl nennen
müssen. Wer mit der Absicht nachzuprüfen, ob mein
subjektiver Eindruck objektiv richtig ist, die Säle
durchwandert, wird sie leicht selbst herauserkennen.
Manches Mal frappirt es selbst bei kleinen, genre-
haften Werken, die sonst gar kein Recht auf besondere
Beachtung haben, in diesem Zusammenhang aber
doch von Wichtigkeit sind, weil sie beweisen, daß nicht
nur einzelne Führende allein aus dieser Stimmung
heraus arbeiten. Ich will nur einzelne Werke als
Beispiele heranziehen.
Da ist z. B. Gari Melchers, der bekannte
Amerikaner, der in Paris lebt und in Belgien malt.
Wir haben auf der letzten Internationalen seine An-
fänge gesehen, er war ein scharfer, pedantischer
Realist, der dein Lieben keine Falte und keinen Flecken
schenkte. Heute ist er Kolorist, der den Natureindruck
nicht weniger tief aufnimmt, aber ihn nicht mehr
detailgetreu wiedergiebt, sondern ein Bild, eine eigen-
artige Farbenkomposition, herausreißt. Er ist modern,
weil die Eindrücke, die ihn inspiriren, vor ihm kein
anderer Künstler verarbeitet hat. Im Uebrigen steht
er genau auf dem Boden aller alten Kunst. Ich
mußte vor seinen Bildern, so verschieden sie sind, an
den alten Teniers denken, der aus dem Leben des-
selben Rolkes die Anregung zu seinen reizvollen Farben-
spielen geholt hat. Und nun macht man die wunder-
bare Beobachtung, die eigentlich aber nur sehr selbst-
verständlich ist, daß die Eigenschaften, die wir an
dein naturalistischen Kunstwerk rühmten, besonders
die schlichte Empfindung für das Seelische, durch die
Stilisirung nicht nur nicht verschwinden, sondern viel
konzentrirter wirken, daß mit der Einheit der farbigen
Komposition zugleich die Einheit der Stimmung sich
einstellt. Es sind die Vortheile der Synthese erreicht,
ohne daß die Stärken der Analyse geopfert sind.
Auf ähnliche Bestrebungen in der Landschafterei,
die namentlich in der schwedischen, und bei uns in
der Karlsruher Schule hervortreten, komme ich noch
zurück. Auch die erste gelungene stilisirte Landschaft
Leistikow's ist ein wichtiges Symptom.
Ich will auch erwähnen, daß hier und da
dasselbe Streben bis zur Grenze der Karrikatur führt.
Viel intensiver macht sich die ganze Richtung in
phantastischen Bildern bemerkbar. Hier kann man ohne
Vorurteil behaupten, daß einige junge deutsche Künstler
den Vortritt haben. Sie sind zwar alle, der Düssel-
dorfer Frenz, der Dresdener Pietschmann, die
Berliner L. v. Hofmann und Müller-Schönefeld
noch nicht ganz reif, aber sie erwecken Hoffnungen
auf eine entstehende ganz deutsche Traumkunst. Hier
vollzieht sich in: Ganzen die Entwickelung bei aller
Selbstständigkeit doch mehr im Anschluß an die große
Tradition. Die große Tradition: denn ebenso wie
die belgischen Bildhauer und aus ähnlichen Gründen
gehen sie bis zu dieser zurück, nicht, wie früher in
klassizistischen Epochen, nur bis zur akademischen.
Am bezeichnendsten für das Verhältniß ist L. v. Hof-
man ns „Idyll". Da ist alles Hofmannisch, will sagen:
so empfunden, wie er auch in seinen ersten Entwürfen
schon empfand; aber die tiefere Kenntniß der alten
Venezianer hat ihm gezeigt, wie er dazu kommen
kann, seine Empfindung nicht mehr nur zu lallen,
sondern auszusprechen. Ähnliches läßt sich von der
Kreuzabnahme des Münchners Louis Torinth sagen,
nur daß hier Mantegna der Helfer war.
Ich glaube, daß diese ganze Entwicklung eine
sehr glückliche und gesunde ist. Sie wird und muß
allmälich die ganze unfügliche Scheidung in moderne
und alte Kunst aufheben. Das gemeinsame Gebiet
aller Kunstfreunde wird sich erheblich ausdehnen und
das muß dem Kunstschaffen zu Gute kommen.
(weitere Artikel folgen.)
Die Rogal Neademg os Nrts.
Von B. Thomas-London.
(VPm die beiden jüngst verflossenen Ereignisse,
den Tod Lord Leighton's und die Wahl
0 Sir John Millais' zu dessen Nachfolger,
haben sich wohl viele Meinungsäußerungen, doch keiner-
lei Meinungsverschiedenheiten geknüpft. So ist sich
alle Welt darüber einig, daß die Akademie seit den
letzten siebenzehn Jahren das Ideal eines Leiters be-
sessen hat, und nicht minder einmüthig wurde den
eifrigen Bemühungen zugestimmt, Sir John Millais
trotz seiner aus Gesundheitsrücksichten erhobenen Ein-
wände zur Uebernahme des frei gewordenen Postens
zu bewegen. Es dürfte hieraus erhellen, daß
dieses soviel bekrittelte Institut sich immerhin
wesentlich irr Fühlung mit dem Kunstleben des Landes
befindet. Und wahrlich, trotzdem der Akademie noch
kürzlich von ihren hitzigsten Gegnern Niedergang und
gänzlicher Verfall prophezeit war, ist ihre Position
wohl noch nie eine stärkere gewesen, als jetzt. Um
ein richtiges Verständniß für ihre Beziehungen zur
Kunstwelt und zum Publikum zu gewinnen, ist es
nöthig, sich die Entstehung und einiges von den Ver-
hältnissen der Akademie vorzuführen.
Eine private Gesellschaft ohne staatliche Unter-
stützung und unabhängig von staatlicher Kontrolle,
dabei aber im Genuß des Ansehens, der Macht und
mancher Privilegien eines öffentlichen Instituts —
dies ist der heutige Lharakter der koyul ^.ouäsmy ok
^rts. Die im Jahre (768 gegründete Gesellschaft,
welche von Georg III. auf eine seitens einer Anzahl
von Künstlern, mit Sir Josua Reynolds an der Spitze,
-Die Run st-Halle,
2^5
Wollte ich alle Werke aufzählen, in denen ich
die Spuren dieser Richtung auf das Große und Ein-
fache finde, so würde ich eine stattliche Anzahl nennen
müssen. Wer mit der Absicht nachzuprüfen, ob mein
subjektiver Eindruck objektiv richtig ist, die Säle
durchwandert, wird sie leicht selbst herauserkennen.
Manches Mal frappirt es selbst bei kleinen, genre-
haften Werken, die sonst gar kein Recht auf besondere
Beachtung haben, in diesem Zusammenhang aber
doch von Wichtigkeit sind, weil sie beweisen, daß nicht
nur einzelne Führende allein aus dieser Stimmung
heraus arbeiten. Ich will nur einzelne Werke als
Beispiele heranziehen.
Da ist z. B. Gari Melchers, der bekannte
Amerikaner, der in Paris lebt und in Belgien malt.
Wir haben auf der letzten Internationalen seine An-
fänge gesehen, er war ein scharfer, pedantischer
Realist, der dein Lieben keine Falte und keinen Flecken
schenkte. Heute ist er Kolorist, der den Natureindruck
nicht weniger tief aufnimmt, aber ihn nicht mehr
detailgetreu wiedergiebt, sondern ein Bild, eine eigen-
artige Farbenkomposition, herausreißt. Er ist modern,
weil die Eindrücke, die ihn inspiriren, vor ihm kein
anderer Künstler verarbeitet hat. Im Uebrigen steht
er genau auf dem Boden aller alten Kunst. Ich
mußte vor seinen Bildern, so verschieden sie sind, an
den alten Teniers denken, der aus dem Leben des-
selben Rolkes die Anregung zu seinen reizvollen Farben-
spielen geholt hat. Und nun macht man die wunder-
bare Beobachtung, die eigentlich aber nur sehr selbst-
verständlich ist, daß die Eigenschaften, die wir an
dein naturalistischen Kunstwerk rühmten, besonders
die schlichte Empfindung für das Seelische, durch die
Stilisirung nicht nur nicht verschwinden, sondern viel
konzentrirter wirken, daß mit der Einheit der farbigen
Komposition zugleich die Einheit der Stimmung sich
einstellt. Es sind die Vortheile der Synthese erreicht,
ohne daß die Stärken der Analyse geopfert sind.
Auf ähnliche Bestrebungen in der Landschafterei,
die namentlich in der schwedischen, und bei uns in
der Karlsruher Schule hervortreten, komme ich noch
zurück. Auch die erste gelungene stilisirte Landschaft
Leistikow's ist ein wichtiges Symptom.
Ich will auch erwähnen, daß hier und da
dasselbe Streben bis zur Grenze der Karrikatur führt.
Viel intensiver macht sich die ganze Richtung in
phantastischen Bildern bemerkbar. Hier kann man ohne
Vorurteil behaupten, daß einige junge deutsche Künstler
den Vortritt haben. Sie sind zwar alle, der Düssel-
dorfer Frenz, der Dresdener Pietschmann, die
Berliner L. v. Hofmann und Müller-Schönefeld
noch nicht ganz reif, aber sie erwecken Hoffnungen
auf eine entstehende ganz deutsche Traumkunst. Hier
vollzieht sich in: Ganzen die Entwickelung bei aller
Selbstständigkeit doch mehr im Anschluß an die große
Tradition. Die große Tradition: denn ebenso wie
die belgischen Bildhauer und aus ähnlichen Gründen
gehen sie bis zu dieser zurück, nicht, wie früher in
klassizistischen Epochen, nur bis zur akademischen.
Am bezeichnendsten für das Verhältniß ist L. v. Hof-
man ns „Idyll". Da ist alles Hofmannisch, will sagen:
so empfunden, wie er auch in seinen ersten Entwürfen
schon empfand; aber die tiefere Kenntniß der alten
Venezianer hat ihm gezeigt, wie er dazu kommen
kann, seine Empfindung nicht mehr nur zu lallen,
sondern auszusprechen. Ähnliches läßt sich von der
Kreuzabnahme des Münchners Louis Torinth sagen,
nur daß hier Mantegna der Helfer war.
Ich glaube, daß diese ganze Entwicklung eine
sehr glückliche und gesunde ist. Sie wird und muß
allmälich die ganze unfügliche Scheidung in moderne
und alte Kunst aufheben. Das gemeinsame Gebiet
aller Kunstfreunde wird sich erheblich ausdehnen und
das muß dem Kunstschaffen zu Gute kommen.
(weitere Artikel folgen.)
Die Rogal Neademg os Nrts.
Von B. Thomas-London.
(VPm die beiden jüngst verflossenen Ereignisse,
den Tod Lord Leighton's und die Wahl
0 Sir John Millais' zu dessen Nachfolger,
haben sich wohl viele Meinungsäußerungen, doch keiner-
lei Meinungsverschiedenheiten geknüpft. So ist sich
alle Welt darüber einig, daß die Akademie seit den
letzten siebenzehn Jahren das Ideal eines Leiters be-
sessen hat, und nicht minder einmüthig wurde den
eifrigen Bemühungen zugestimmt, Sir John Millais
trotz seiner aus Gesundheitsrücksichten erhobenen Ein-
wände zur Uebernahme des frei gewordenen Postens
zu bewegen. Es dürfte hieraus erhellen, daß
dieses soviel bekrittelte Institut sich immerhin
wesentlich irr Fühlung mit dem Kunstleben des Landes
befindet. Und wahrlich, trotzdem der Akademie noch
kürzlich von ihren hitzigsten Gegnern Niedergang und
gänzlicher Verfall prophezeit war, ist ihre Position
wohl noch nie eine stärkere gewesen, als jetzt. Um
ein richtiges Verständniß für ihre Beziehungen zur
Kunstwelt und zum Publikum zu gewinnen, ist es
nöthig, sich die Entstehung und einiges von den Ver-
hältnissen der Akademie vorzuführen.
Eine private Gesellschaft ohne staatliche Unter-
stützung und unabhängig von staatlicher Kontrolle,
dabei aber im Genuß des Ansehens, der Macht und
mancher Privilegien eines öffentlichen Instituts —
dies ist der heutige Lharakter der koyul ^.ouäsmy ok
^rts. Die im Jahre (768 gegründete Gesellschaft,
welche von Georg III. auf eine seitens einer Anzahl
von Künstlern, mit Sir Josua Reynolds an der Spitze,