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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 12
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Düsseldorfer Kunstbrief
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Berliner Kunstschau
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Nr. s2

Unberufenen gepredigt wird. Sie ist nicht naturalistisch,
nicht mystisch, weder besonders stark, noch krankhaft nervös;
eine vornehme, etwas kühle, aber nicht unliebenswürdige
Ruhe und Zurückhaltung ist ihr Hauptcharakter. Ls scheint
nicht zufällig, daß die originelle Idee, eine Dame in liegen-
der Stellung zu porträtiren, zwei Mal behandelt ist. Bei
einer älteren landschaftlichen Studie zeigt sich übrigens, daß
der Sinn für starke, naturalistische Wirkungen in aus-
giebigem Maße vorhanden ist, der Künstler dieselbe aber,
wohl im richtigen Instinkte für sein innerstes Wesen, gegen
eine vorsichtig und geschmackvoll abgewogene, mit zarten,
aber darum nicht minder originellen und packenden Gegen-
sätzen arbeitende Farbenwirkung vorläufig bei Seite ge-
gelassen hat. IC ?.

Berliner Runffchau.
(K^urt Stoeving ist kein häufiger Gast in unseren Aus-
stellungen. Er ist wohl zu streng gegen sich selbst,
um oft etwas zeigen zu können, was ihm als fertig gilt.
Und nach der Unsitte der vielen Unfertiges zu zeigen, nur
um da zu fein, das scheint dieser stillen und ehrlichen
Künstlernatur nicht zu liegen. Auch die gegenwärtige
Sammelausstellung im Salon Schulte hat einen ganz
eigenen Charakter. Er will nicht beweisen, daß Geschwindig-
keit keine Hexerei ist und daß man in einem Jahre viel
Leinwand bemalen kann. Er will einen Ueberblick über
sein ganzes Schaffen geben und stellt ruhig Altes neben
Neues. Ls ist das immerhin ein wagniß. In diesem
Fall scheint es mir gelungen: ich sah auch die älteren
Bilder mit Vergnügen wieder.
Lurt Stoeving ist einer der erfreulichsten Charaktere
unter den deutschen Künstlern. Lr gehört zu keiner Rich-
tung, sondern geht seinen weg für sich. Sein „Sommer-
Sonnenglück" zählt zu den sogenannten arkadischen Szenen,
wie sie nach Maräes die deutschen Phantasten mit Vorliebe
malen. Ls fehlt dem Bilde etwas, was der Namen ver-
spricht: das Strahlende, Jauchzende, Freie. Der tiefste
Grund liegt vielleicht darin, daß es mehr plastisch, als
eigentlich malerisch gesehen ist. Aber das Nackte ist so fein
verstanden, die Bewegungen so schön empfunden, daß man
den Mangel gern vergißt. Ls ist echte Kunst in dem
Bilde. Und es gehört zu denen, die in der National-Galerre
hätten ihren Platz finden müssen. Ls wiegt ein paar
Dutzend der Erwerbungen der letzten Jahre auf. wenn
der neue Leiter der Galerie daran geht, die schlimmsten
Versäumnisse seines Vorgängers gut zu machen, dann wird
mit Klinger, Thoma, Stuck und Pietschmann auch Stoeving
hoffentlich zu seinem Rechte kommen.
Seit diesem großen Bilde hat der Künstler wesentlich
Porträts gemalt. Er hat den altmeisterlichen Ton, den er
im Bildniß des Architekten von Großheim anstrebte, zu
Gunsten des Hellen, modernen Tons aufgegeben. Und ich
finde, daß das der Wirkung feiner Arbeiten förderlich ist.
Sie sind frischer und charaktervoller geworden. Er giebt
seine Menschen immer in ruhiger Haltung, nur Max Klinger
hat er bei der Arbeit dargestellt. Im Gegensatz zu den
meisten Neueren, die eine momentane Stimmung wieder-
geben, will er den Charakter schildern. So verbindet er

treue Beobachtung des Aeußeren mit seelischer Vertiefung.
Das beste seiner Bilder ist vielleicht sein Selbstporträt. Das
hagere, knochige Gesicht mit der energischen Stirn und den
Hellen Augen deutet aus einen starken Geist. Mit dein
blonden Haar und dem Vollbart giebt dieses Gesicht einen
feinen Lhristustypus für bestimmte Situationen.
In seinen Aquarellen ist er mehr Architekturmaler,
als für die malerische Wirkung gut ist. —-
In Karl Ziegler, der in der letzten Ausstellung mit
einem schrullenhaften Bild „Andante" vertreten mar, lernen
wir einen feinen Schilderer geistig belebter Frauenköpfe
kennen. Für das, was das Beste an seinen Werken ist,
für das Weiche und Zarte im Ton, das Pikante und
Stimmungsvolle der Farbe, geben ihm diese Aufgaben die
reichste Möglichkeit. „Das Stimmungsvolle der Farbe,"
man könnte fragen, wo das im Porträt liegt. Nun, es
läßt sich nicht beweisen, daß gerade bestimmte Farbeu-
akkorde zu einem Menschen passen, es läßt sich nur empfinden,
wo aber neben der Wirkung durch den Ausdruck noch eine
Wirkung durch das Kolorit erreicht wird, da stehen wir
vor einein Höchsten der Bildnißkunst. So etwas finde ich
in dem Porträt der träumerisch dreinschauenden Brünette.
Das Roth des Aerinels mit dem Blau des Kragens und
dem Gelb des Futters giebt es.
In dem Münchener C. Steinheil lernen wir einen
Landschafter kennen, dessen Frische allerdings noch oft in
Derbheit umschlägt, der aber doch ein starkes und urwüchsiges
Talent zu sein scheint.
Die „Gesellschaft deutscher Aquarellisten" hat
ihre fünfte Ausstellung im Salon Gurlitt veranstaltet.
Lin paar der früheren Gäste sind ausgeblieben, außer Jules
Wengel und Hans von Bartels sind nur Berliner Künstler
zu finden.
Am vielseitigsten und glücklichste:: ist Ludwig Dett-
mann vertreten, der für sich die Schönheit der rothen
Dächer entdeckt hat. Nicht als Erster sicher. Keller-Reut-
lingen hat sie gemalt, und lange vor beiden, die alten
Holländer. Aber Dettmann weiß ganz besondere Wir-
kungen daraus zu ziehen, wenn hell und freundlich die
Sonne auf ihnen liegt, und er weiß das Laumgrün und
das Himmelblau schön mit ihrem Roth zu stimmen. Es
liegt etwas Liebes und Trauliches in diesen Bildern, als
könne gleich in ihnen eine Geschichte von Raabe beginnen.
Der ,.Wanderer im Walde" und die „Kirche aus der Mark"
sind auch treffliche Stimmungen. — Max Liebermann
nimmt in seinem farbenfrohen „Fleischerladen" ein altes
Motiv der Rembrandtschule auf. Die anderen Blätter
stehen früheren Arbeiten näher mit ihrem graugrünlichen
Ton. — Skarbina giebt einen schönen, weichen, weib-,
lichen Studienkoxf. — Leistikow, Hans Herrmann
Dora Hitz und Hans von Bartels sind mit guten Ar-
beiten vertreten, über die nichts Besonderes zu sagen ist.
Die Ausstellung als Ganzes zeigt eine Höhe des Durch-
schnitts, die erfreulich wirkt.
Jules Wengel weiß eine ganz eigenartige Tiefe und
Fülle des Tons zu erreichen, die ich sonst im Aquarell nur
bei den Schotten gefunden habe. Er ist wohl auch von
Brown und anderen beeinflußt. Sein ,Iloutou8 au 8oir
(stieb äu sspkembrs)" mit dem dunklen Laub gegen den
Hellen Mond erscheint nur als das schönste Blatt der Ans-
 
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