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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 1
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Meissner, Franz Hermann: Berliner Neu-Romantik
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Stahl, Fritz; Toberentz, Robert [Gefeierte Pers.]: Robert Toberentz: ein Nachruf
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0015

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Nr. s

Die Kunst-Palle.

7

Noch ein vierter jedoch wird sich bald wohl den
obigen zugesellen, der noch nie ausgestellt hat, der
Kunstwelt völlig unbekannt ist und dessen Dutzend
abgeschlossener Gemälde bisher nur einem kleinen
Kreis von Künstlern bekannt geworden ist. Die
intensivste und disferenzirteste Tonempfindung und der
zarteste Strich, das nervöseste Formengefühl und
frauenhaft schmiegsamer Geist offenbaren sich in
merkwürdigen Gebilden, die wie Verse von Shellev
und Mssianscher Rhythmus der Tonkunst ihre zartesten
Newegungen abzulauschen scheinen. Dieser Künstler,
welcher die Nerliner Neu-Nomantik um eine neue
Stufe erweitert und die konsequente Entwickelung
aus Klingers Nrahmsphantasie scheint, heißt
M. Rechter.


Robert Toberentz.
Lin qZachruf.
von Sritz Stahl.

/^^)u früh gestorben. Das Wort wird viel ge-
braucht, wimmern es doch trauernde Eltern
auch dem mißratheneu Nuben nach, der in
der kurzen Lebensspanne schon die Zeit fand, ihren
ehrlichen Namen zu besudeln. Wie arm die Sprache
ist! Sie hat kein anderes Wort, das tragische Ge-
schick des großen Künstlers zu bezeichnen. Die tiefste
Empfindung haucht der todten Phrase kein Leben ein,
und deshalb muß ich erst sageu, wie ich es meine,
wenn ich nun auch diesen Nachruf beginne: Robert
Toberentz ist zu früh gestorben.
Ich meine es nicht so, wie es in flüchtigen
Notizen von jeden: Künstler gesagt wird, der stirbt,
ehe das Alter ihm Pirn und pand lähmte. Ich
meine es nicht so, wie es mit mehr Fug von den
Tüchtigen gesagt wird, von denen man noch manch
ebenbürtiges oder gar reiferes Werk erwarten durfte.
Ich will damit sagen, daß er gestorben ist, ehe
er sein letztes und höchstes Ziel erreichte, ein Ziel,
das zu erreichen ihm Wille und Fähigkeit gegeben
waren. Nicht sich, nicht denen, die ihn liebten, der
deutschen Kunst ist er zu früh gestorben, denn kein
geringeres Ziel hatte er sich gesetzt, als diese Kunst
zu befreien von ihrem schlimmsten Fehler, von den:
„Akademischen".

Toberentz war ein klarer Denker. Er hat sich
i:ie von Schlagworten blenden lassen, er hat
nie zu einer Partei geschworen. Den Sinn, den die
Modernen mit dein Worte „akademisch" verbinden,
verband er nicht damit. Nach seiner Auffassung
waren die Werke dieser Modernen ebenso akademisch

wie die Werke der „Altei:", auf die sie schelteud das
Wort anwandten; dein: ihre Kunst hatte ja in
Wahrheit, wenige Einzelne ausgenommen, keine
andere Grundlage erhalte::, sie unterschieden sich in
den Stoffe:: höchstens und in der Formenanschauung.
Für sie war der Gegensatz zu „akademisch" das
unklare, nichtssagende „modern" — für ihn war es das
deutliche, alles sagende „handwerklich".
Der Gelehrte Karl Wörmann hat in einen:
ganzen Nuche neulich zu sagen versucht, „was uns
die Kunstgeschichte lehrt". Er hat die Pauptsache
vergessen, die leicht und ohne viel Grübeln der
Künstler Toberentz fand. Daß nämlich die Kunst
blühte, so lange der Künstler aus den: Handwerk kau:
und das Handwerk verstand, daß sie zu Gruude
ging, als die Akadamie an die Stelle der Werkstatt,
der Professor an die Stelle des Meisters, der Schüler
an die Stelle des Lehrlings trat. Er war nicht der
Einzige, der das wußte; selbst die Kunsthistoriker, die
von der Litteratur doch meist Herkommen, haben
dieser Erkenntniß sich nicht verschlossen. Aber er
war eben Künstler, die theoretische Erkenntniß ward
bei ihm der Wegweiser für seine praktische
Thätigkeit.
Will man sich die ganze Tragweite, die eine er-
folgreiche Thätigkeit in dieser Richtung gewinnen
konnte, klar machen, so muß man den Nlick über das
Gebiet der Plastik, das ihn: zunächst lag, auf die
anderen Gebiete der Kunst und des Kunstgewerbes
schweifen lassen. Aber auch auf seinen: Gebiet hat
er jenes einzige Mal, da er öffentlich in der
„Zukunft" seine Gedanken über diese Dinge aus-
sprach, uicht alles gesagt. Er warf den Bildhauern
vor, daß sie nur noch modellirten, ohne selbst zu
wissen, was bei der Uebertragung in Stein oder bei:::
Guß aus ihren Werken würde. Aber er hat nicht
gesagt, daß an der Spitze akademischer Ateliers
Männer stehen, die nicht einmal mehr modelliren
können oder wollen, sondern höchstens noch die ersten
Skizzen selbst machen. Und auch in der Malerei und
im Kunstgewerbe zeigt sich deutlich der Fluch des
Akademischen. Werke, die für unsere Galerieen an-
gekauft werde::, der Nachwelt zu zeigen, was unsere
Kunst vermochte, zerfallen vor unsern Augen. Unsere
Kunsttischler zeichnen die schwierigsten Dinge, will
man aber ein gut gefugtes Stück Pausrat haben, so
muß man sich einen schlichten Meister suchen, der
noch aus der guten alten Zeit stammt, da man von
den hohen Schulen nichts wußte. Dies nur als
Beispiele, um zu zeigen, für wie weite Kreise
Toberentz' Weckruf galt: „Kehrt zu::: paudwerk
zurück!"
Es wäre thörichte Uebertreibung, nun etwa zu
behaupten, daß Toberentz allein so empfand oder
allein diese Empfindung in die That umsetzte. Es
ist ja Frühling in der Welt der Deutschen Kunst, und
 
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