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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 11
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Zimmern, Helen: Bei Böcklin
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Ueber die "freie Benutzung" der Kunstwerke
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0192

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(64

H Die K u n st - H a l l e.

Nr. U

Verweilen in Zürich in Folge des dortigen naßkalten
Klimas sicherlich seinem Leiden erlegen wäre. Drei
Jahre habe sie mit ihm nahe dem Meere in Larrara
zugebracht, bevor sie nach hier übersiedelten, aus den
Nath ihrer Söhne ein Landhaus wählend; Böcklin
liebe den Aufenthalt unter Blumen und im Grünen,
und in der Villa hätten sie sich, trotzdem sie erst seit
sechs Monaten hier lebten, schon sehr gemächlich ein-
gewohnt; die zwei Söhne seien auch nach Florenz ge-
kommen, der eine als Maler (sein Vater erkenne ihm
Talent zu) und der andere als Zahnarzt. Dann
plauderte sie von der einzigen Tochter, die in Bukarest
verheirathet ist und Tarmen Sylva kennt, — Alles
im fließendsten Deutsch mit starkem schweizerischem
Accent, und doch hatte ich immer gehört, ein Haar
italienische Augen hätten einst Böcklin bezaubert. Ich
erlaubte mir daraus hiu die Frage: „Gnädige Frau,
ich habe bisher geglaubt, Sie wären Italienerin?"
— „Allerdings bin ich eine Römerin", antwortete sie,
— und der Stolz des „eivis romunus sum" leuchtete,
als sie dies sagte, aus ihreu noch in: Alter schönen
Augen. So trennten wir uns an der Gartenpforte.
Und die abendliche Landschaft mit der untergehenden
Sonne stand im Einklang mit meiner Stimmung, als
ich heimwärts schritt — Böcklin's Rosen in der Hand
und die Seele voller Erinnerungen aus dein Schönheits-
born seiner Phantasie.
L
Ueber die „freie Benutzung" der
Kunstwerke.
vom Amtsgerichtsrath Grünewald in Metz.
esthetische Darstellung ist der Zweck der bil-
denden Künste, der durch Schöpfung künstleri-
scher Form aus dein dazu benutzten Rohstoff zu


erreichen gesucht wird. Von diesem Gesichtspunkte aus
gehören hierzu das Zeichuen, die Malerei, Bild-
hauerei uud Baukunst. Durch solche Mittel schafft
der Künstler Geisteswerke, welche durch Anschaumig
auf das ästhetische Gefühl anregend zu wirken be-
stimmt sind. Dieser Zweck ist es auch, der den er-
wähnten Kunstformen den rechtlichen Anspruch auf
staatlichen Schutz ihrer Gebilde gegen unbefugte Nach-
bildung und Vervielfältigung verleiht. Mit Aus-
nahme der Baukunst, deren Urheber bezüglich der
Hläne, Zeichnungen und Risse genügend durch H 42
des allgemeinen Urhebergesetzes vom ((. Juni (870
geschützt sind, ist den übrigen bildenden Künsten jener
Schutz durch das Reichsgesetz vom 9- Januar (876
gewährt. Derselbe begiuut mit dem Zeitpuukt, iu
dem die Kunstbildwerke in den artistischen Ver-
kehr, d. h. in den Bereich allgemeiner ästhetischer

Mittheilung getreten sind, und sichert von da ab die
Ausschließlichkeit dieses Verkehrs für die Lebensdauer
des Urhebers und dreißig Jahre nach seinem Tode.
Indessen hat im Interesse ungestörter Fortent-
wicklung des Kunstlebens und eines für dasselbe un-
schädlichen Verkehrs das erwähnte Kunstgesetz in A 4
die Nachbildung und Verbreitung der Kunstwerke
insoweit gestattet, als dadurch in „freier Be-
nutzung" des Vorbildes eines Kunstwerkes ein
neues hervorgebracht wird, das sich uicht als ver-
boteue Nachbildung des ersteren darstellt.
Wohl wird es regelmäßig nur iu jedem Einzel-
falle möglich sein, die Frage genau und erschöpfend
zu beantworten, ob bei solcher Fertigung eines Kunst-
werks die gesetzliche Grenze zwischen freier Benutzung
und unerlaubter Nachbildung beobachtet wurde oder
nicht. Aber immerhin lassen sich hierfür allgemeine
Unterscheidungsmerkmale feststellen. Zunächst ist zu
bemerken, daß die Nachahmung den Gegensatz zur
freien Benutzung bildet. Unerlaubt ist diese Nach-
bilduug, wenn ihr das Original nach seiner wesent-
lichen Erscheinung entweder im Ganzen oder auch
nur in: Einzelnen derart wiedergeben ist, daß sie den
nämlichen Gesammteindruck auf den Beschauer
macht, wie das Original selbst. Ausgeschlossen da-
gegen wird der Begriff der verbotenen Nachahmung
dadurch, daß das ueue Werk mit den: Tharakter
voller Selbstständigkeit versehen an den Beschauer
herantritt, Hauptsächlich darin liegt das unter-
scheidende Merkmal zwischen Nachahmung und freier
Benützung. Eine solche liegt demnach nur vor, wenn
lediglich der bei den Werken zu Grunde liegende
künstlerische Gedanke der nämliche ist. Dieser ist
es, der die Anregung und nur diese für die Her-
vorbringung des neuen Kunstwerkes gegeben haben
darf, so daß in ihm dieselbe Idee, dieselbe Auf-
fassung des Vorgangs, in freier schöpferischer Thätig-
keit geistig neu verarbeitet, zu Tage tritt. Nur wem:
dies der Fall ist, kam: dem ueuen Werke in: Verhält-
niß zum Vorbilde die Natur geistig selbstständiger
Eigentümlichkeit und Neuheit beigemessen werden,
welche das Vorbild selbst in seinen: wesentlichen Be-
stände überhaupt nicht mehr erkennen läßt. Der Be-
griff der freien Benutzung deckt sich also lediglich mit
den Ideen, den Motiven oder den Sujets, wie es
in der Kunstsprache genannt wird. Diese sind nach
Kohler (litt, und art. Kunstwerk S. 38) „die Lebens-
erscheinung, welche den Ausgangspunkt der künst-
lerischen Darstellung bildet." Hiernach erklärt Pro-
fessor Bruno Meyer ganz richtig (Gutachten über den
Schutz des Urheberrechts iu der Photographie, S. 6
u. Z. (): „Freie Benutzung liegt vor, wenn in dem
neuen Werke ein irgend wesentlicher Faktor seiner
Wirkung oder eine irgend wesentliche Zuthat oder
Veränderung als Erzeugniß selbstständiger Erfindung
und Arbeit hervorgetreten ist."
Bei derartiger Behandlung darf also der Künstler,
 
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