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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 9
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Stahl, Fritz: Die Ausstellung im Atelier
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Feld, Otto; Martin, Henri [Gefeierte Pers.]: Henri Martin
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0158

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-->--8 Die Kunst-Halle.

rkr. 9

Idealismus dazu gehört, eiu Künstler zu sein, wie
alle Bedürfnisse des Menschen in den Hintergrund,
treten gegen die der Arbeit.
Man würde sich für den Menschei: und durch
deu Meuscheu für die Kunst erwärmen. Zahllose
junge Talente würden ihre Mäzene finden, denn der
Geschmack des Publikums folgt zwar der Mode, aber
nur äußerlich, iu Wahrheit hat jeder Einzelne seinen
eigenen Geschmack.
Bin ich zu optimistisch? Es ist möglich, ich
rechne aber diese unmoderne Stimmung zu den
Tugenden. Ich glaube nicht einmal, vollständig die
vortheile entwickelt zu habeu. Aber ich möchte nicht
streiten. Nur dieses: ich glaube nicht, daß diese Vor-
theile von heute auf morgen in die Erscheinung
treten werden. Nur allmählich kann sich der glück-
liche Zustand entwickeln, von dem ich träume.
Eiues steht bei Allen fest. Die jetzigen Zustände
sind unerträglich. Sollte es nicht wenigstens lohnen,
meinen Vorschlag praktisch zu erprobeu? —
Vielleicht ist es übergroße Vorsicht, wenn ich
hinzufüge, daß die Ausstellung im Atelier weder die
großen Ausstellungen noch die in den Salons unserer
Kunsthändler je ersetzen oder auch nur überflüssig
macheu wird. Sie wird neben ihnen bestehen, ja,
ihnen nicht nur nicht Eintrag thun, sondern sogar
Vortheil bringen.


Henri Martin.
Von Otto Feld- Paris.

enri Martin ist für Berlin kein Unbekannter
mehr. Er hat, wie er mir vor -Kurzem er-
zählte, im letzten Frühjahr in Berlin etwa
40 Bilder ausgestellt uud ist augenscheinlich von der
Berliner Kritik sehr gut, von dem Publikum — gar
uicht behaudelt wordeu. Nicht eines seiner Bilder
hat er in Berlin verkauft und der Meister, der der-
gleichen nicht mehr gewöhnt ist — in der vor einigen
Tagen eröffneten, nicht übermäßig großen Ausstellung,
die er bei Mancini veranstaltet hat, sind am ersten
Tage für circa f6 000 Fr. Bilder gekauft wordeu —
sprach eiu weuig ärgerlich von dieser Thatsache, die
ihm wie ein Mißerfolg erschien. Ein wenig ärger-
lich, aber mehr noch — erstaunt! Er vermochte
nicht recht einzusehen, wie nach so anerkennenden
Kritiken das Berliner Publikum so gauz theilnahms-
los .bleiben konnte, nach Kritiken, von deren Ernst
und Sachkenntniß Henri Martin mit hoher An-
erkennung sprach.
Ich war ein wenig in Verlegenheit- ich konnte
dem Meister doch nicht gut erläutern, daß und warum
die erusthafte Kunstkritik in Deutschland lange ver-
geblich predigen muß, bis es ihr geliugt, dem Publi-

kum einen Einblick in eine neue eigenartige Künstler-
Individualität zu erschließen, daß und warum nur
diejeuigen Kritiker bei uus einen Erfolg sehen, die
dem Publikum immer wieder vou Neuem mit deu
alten abgedroschenen Phrasen die alten Lieblinge an-
preisen , daß es bei uns zwei Abteilungen Publikum
giebt, eine kleine, ach so winzig kleine, der die Kunst
eine Herzenssache ist, die in Ausstellungen geht um
zu genießeu, zu erleben, die mit den Augen sieht und
nicht mit den Ohren, die nicht nach neu oder alt,
uach bekanut oder unbekannt fragt, sondern freudig
uud dankbar alles Gute hinnimmt, das ihr geboten
wird, eine Gemeinde, deren Mitglieder aber — leider
meist nicht reich genug sind, um Bilder zu kaufen.
Und eine andere viel größere Gruppe, die überall
ist, wo es etwas zu seheu giebt, also auch in Kunst-
ausstellungen, der das Wort „Kunstgenuß" uur dem
Klang nach bekannt ist- deren Mitglieder mitunter
sogar Geld für Bilder übrig haben, wenn — eine
gangbare „Firma" darunter steht oder sonst ein Effekt
mit den: Bilde in dein oft geschmacklosen Salon zu
machen ist.
Das konnte ich doch nicht gut sagen; ich wollte
es nicht sagen! Ich wollte die Mißstimmung nicht
vermehren, die den Meister begreiflicher Weise gegen
unsere Kunstfreunde erfaßt hat. Denn dergleichen
Mißstimmung wirkt ansteckend; uud wein: die Welt
und Berlin auch uicht zu Grunde gehen wird, falls
Henri Martin und vielleicht auch dieser und jener
seiner Freunde so bald in Berlin nicht wieder aus-
stellen, schade wär's doch, wein: auch nur an einen:
Punkte die — Zurückhaltung unseres pt. Publikums
wieder zerstörte, was die eifrige;: Bemühuugeu derer
augebahut, die die Wichtigkeit der Iuternationalität
der Berliner Ausstellungen für das Kunstleben Ber-
lins sehr richtig erkannt Habei:.
Nun werden wahrscheinlich die Ganzgescheiten
kommen und nur mit sehr wichtiger Mieue einweuden:
„Wie darf ein Künstler so materiell denken? Muß
ihn: der Beifall der Kenner nicht wichtiger sein, als
der klingende Lohn einiger Dummköpfe." Gemach,
Ihr Herre::! Es ist noch gar nicht ausgemacht, daß
wirklich uur Dummköpfe Bilder kaufen. Es giebt
wohl noch heute wenige glückliche Menschen, die in
der erfreulichen Lage sind, nicht nur Verstaud, son-
dern auch Geld geuug zu habeu, um ein Kunstwerk,
das ihnen gefällt, für sich zu erwerben, für ein gutes
plätzcheu in ihrem Arbeitszimmer, von dem aus es
sie jeden Tag von Neuen: grüßt und ihn: jeden Tag
neue Freuden giebt, bis es mit ihnen vertraut wird,
zu ihnen spricht wie ein lieber treuer Freund. Solche
Leute giebt's schon auch noch, allen: Salon-Kunst -
gewäsch zum Trotz, in Berlin wie anderwärts; man
nennt sie in der Regel — Kunstfreunde. Und, daß
zu keinem von diesen der Künstler durch sein Werk
zu spreche:: vermochte, das ist's wohl, was ihn ein
wenig verstimmen mag.
 
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