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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 18
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Dworaczek, Wilhelm; Tilgner, Viktor Oskar [Gefeierte Pers.]: Viktor Tilgner
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Stahl, Fritz: Die Internationale Kunstausstellung: Schweden und Norwegen
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276 -H Die Kunst-Halle. °

Nr. s8

den: Porträt der französischen Malerin Vigoe Lebrun,
ausgestellt und ist ein Porträt der hervorragendsten
Wiener Malerin Glga Wisinger-Florian.
Aber auch im Genre und in der Allegorie leistete
Tilgner bedeutendes. Seine Brunnengruppen ge-
hören zu dem entzückendsten, das die neuere deutsche
Plastik aufzuweisen hat. Der stark realistische Zug,
der ihm eigen war, fand seinen prägnantesten Aus-
druck im „Falstaff" und „Hanswurst" an der Fassade
des K. K. Hofburgtheaters und den urwüchsigen
derb-genrehaften Figuren am Werndl-Denkmal in Steyr.
Sein letztes Werk endlich, das Mozart-Denkmal,
das wir unseren Lesern im Bilde bringen, ist die
seiner Eigenart adäquateste Schöpfung. Schwer hatte
Tilgner gerungen, um Mozart bilden zu dürfen, die
Freude am Erfolg war ihm nicht mehr gegönnt.
Der Tod, ergrimmt, daß auch der edelste der Musen-
söhne in voller Lebensschönheit seinem dunklen Reich
entzogen worden, riß dem Künstler den Meißel aus
der Hand und warf ihn dem Meister hohnlachend
an das Herz. Aber die Gestalt Mozart's erhebt sich
in leuchtender Schöne, dem unsterblichen Tondichter
zu steinerner Wiedergeburt, seinem edlen Bildner ein
unvergängliches Grabmal. Wen die Götter lieben,
den nehmen sie plötzlich ohne lange Leiden und ohne
die Gewißheit des nahen Todes zu sich. So starb
Viktor Tilgner, das Herz erfüllt mit Hoffnungen und
stolzer Freude, ein Liebling der Götter und Menschen
— unsterblich der Kunst und ihren Schätzern, unver-
geßlich seinen Freunden, die nicht nur einen unersetz-
lichen Künstler, sondern auch einen guten, trefflichen
Menschen in ihm beklagen. Ihrer ist der tiefere An-
theil an dem allgemeinen Schmerze um den dahin-
geschiedenen Meister. In ihrer Erinnerung wer-
den die erschütternden Abschiedsworte nachklingen,
welche Nudols Weyr am Sarge Viktor Tilgner's
sprach — der letzte Abschied eines Fürsten an der
Bahre eines andern, sie mochten Manchen erinnert
haben an die Trauer Rudolf von Habsburgs am
Sarge Gttokar's. — Sie waren echt und tief — sie
galten dem Künstler und dem Menschen, vor allem
aber der Majestät des Todes, die jäh und grausam
einen Thron im Reiche der Kunst seines Fürsten be-
raubte.


Die Internationale Kunstausstellung.
Von Fritz Stahl.

Schweden und Norwegen.
mich die Erinnerung nicht täuscht, habe
ich in der Schule niemals von Schweden
o und von Norwegen sprechen hören. Wenig-
stens nicht beim geographischem Unterricht. Die selt-
sam geformte Halbinsel da oben hieß für uns:

Skandinavien, oder: Schweden und Norwegen. Und
es hat lange Zeit gedauert, bis ich sie auseinander-
kennen lernte. Vielleicht ist das nur eine persönliche
Erfahrung, die dann nicht einmal sehr ehrenvoll für
mich wäre. Aber nach dem, was ich um mich
herum sah und hörte, fürchte ich fast, daß es mehr
ist. Selbst Leute, die öffentlich etwa über die nor-
dische Litteratur und ihre Einflüsse sprechen, ge-
brauchen mit verdächtiger Vorliebe das Sammelwort:
skandinavisch, während doch in künstlerischer Beziehung
von einer Verwandtschaft zwischen den politisch ver-
bundenen Völkern gar nicht die Rede sein kann. Im
Gegentheil: gerade ihre künstlerische Bethätigung be-
weist schlagend, daß sie die äußersten Gegensätze ver-
körpern, die innerhalb der germanischen Rasse nur
irgend denkbar sind. Freilich, nie und nimmer war
noch trefflichere Gelegenheit geboten, das so un-
mittelbar in die Empfindung aufzunehmen, wie in
unserer Ausstellung. Und man hat um so mehr
Grund sich sehr eingehend mit den Werken dieser
Nordgermanen zu beschäftigen, als sie nicht nur an
sich höchst interessant sind, sondern diese frischen
Stämme in der Entwicklung der europäischen Kunst
ohne Zweifel eine bedeutende Nolle zu spielen be-
rufen sind.
Das Schicksal der beiden Völker in der Kunst
ist fast das nämliche gewesen. Einzelne ihrer Leute,
die Zufall oder Neigung nach Düsseldorf oder
München oder sonst wohin führte, waren mehr oder-
minder tüchtige Mitläufer der Schulen geworden und
meist auch im Ausland geblieben, wo das Fremd-
artige in Natur und Leben ihrer Bilder ihnen eine
gewisse Stellung gab. Da begann in Paris die
moderne Bewegung: ein raffinirter, doktrinärer
Naturalismus, entstanden aus dem Ueberdruß des
jungen Geschlechtes am Hergebrachten, mehr dem
klügelnden Verstände als der Empfindung entsprungen.
Aber ganz gleich, wie der Ursprung war, die Folge
war jedenfalls, daß man an die Natur herantrat
und für die neue Beobachtung eine neue Technik
schuf. Alle mußten umlernen. Fast allein die jungen
Skandinavier hatten nichts zu vergessen. Sie waren
Naturalisten von Haus aus, und diesem ihrem naiven
Naturalismus des kunstjungen Volkes gab der raffi-
nirte des kunstmüden die Ausdrucksmittel. Was die
anderen erst nach manchen Irrungen und vielem
Schaden lernten, daß diese Bewegung ihrem gesunden
Kern nach den Künstler an Natur und Leben der
Heimat wies, das war ihnen das von vornherein
Selbstverständliche. Sie pfropften auf den gesunden,
vollsaftigen Stamm ihrer ureigenen Anschauung ein
Reis des edlen, schönen Baumes der fremden Kunst.
Und wenn nun bei demselben Schicksal und der-
selben Gesinnung ganz verschiedene Resultate sich er-
gaben, so zeigt das eben, wie verschieden die han-
delnden Menschen, wie verschieden die Völker sein
müssen.
 
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