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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 18
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Helwich, Heinz: Dillmann'sche Glasgemälde
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Berliner Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0323

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Nr. (8

—Die Kunst-Halle. k>-°

28 s

Man denke sich drei sogenannte Ueberfangplatten, d. h.
matte, einseitig mit einem Farbton beim Brenner: über-
zogene Glasplatten, die eine mit reinem und tiefsattem
Blau, die zweite ebenso mit Roth und die dritte mit Gelb
verschmolzen, alle drei dauernd übereinander gelegt und von
jeder Platte vorher nach Bedarf Farbe fortgeätzt, um nach
den: Dreifarbensystem eine schier unbegrenzte Skala leuchten-
der Farben zu erhalten.
Je mehr Farbe fortgeätzt wird, desto Heller werden
die Töne; die sich vollfarbig deckenden Stellen erscheinen
schwarz. Auch Helle Deckfarben kann man durch sogenanntes
Mattiren erzielen.
Das Verfahren kommt gleichermaßen der Kunst und
dem Kunstgewerbe zu Gute. Die vortheile desselben sind:
eine wunderbare, namentlich in den Mischtönen die bis-
herige Glasmalerei übertreffende Leuchtkraft der Farbe,
eine unverwüstliche Dauerhaftigkeit derselben, da die Farbe
schon beim Brennen des Glases mit demselben verschmolzen
ist, die einfachere und billigere Herstellung der Glasbilder,
da nach dem Aetzen, das als negatives Malen (Fortnehmen
von Farbe) bezeichnet werden kann, kein Brennen statt-
findet, wie nach dem positiven Malen (Aufsetzen von Farbe)
bei der alten Glasmalerei. — Hieraus ergiebt sich der
weitere Vortheil, daß der Effekt gleich bei der Arbeit kon-
trollirt werden kann, während dein: Brennen der alten Glas-
bilder sich die Farben verändern und noch dazu viele Schei-
ben zerspringen. — Ferner kann das Einsetzen der Dill-
mann'schen Glasbilder im Ganzen erfolgen, ohne vorheriges
Zusammensetzen einzelner mit Bleiumfassung versehener
kleiner Theile. Diese Umfassungen, welche die oft störenden
und künstlerisch unmotivirten Konturen ergeben, fallen fort
und werden hierdurch große zusammenhängende Bilder, bis
zu 2 Pn Größe, ermöglicht. — Mill man für gewisse Zwecke
die mosaikartige, mystische Wirkung der alten Glasbilder
beibehalten, so läßt sich das in der neuen Manier täuschend
erzielen, indem man entweder auch kleine Glastheile in
Bleifassungen aneinanderreiht oder die Wirkung der letzteren
durch die schwarzen Konturen der auf allen drei Platten
stehen gebliebenen Farbe erzeugt. — will man jedoch far-
bigen Natureindrücken möglichst gerecht werden — und dies
ist ein ganz neu gegebener Faktor —, so wird im Ganzen
ohne störende Kontur gearbeitet. — Namentlich die Trans-
parenz der Luft bei Landschaften, das Flimmern des be-
leuchteten Wassers und allerlei Lichtrefiexe auf Blumen rc.
lassen sich so in einer bisher von keiner Maltechnik über-
haupt erreichten Wahrheit wiedergeben. — Die Transparenz
solcher großen Glasbilder ist es, welche das neue Verfahren
als „Freilichtglasmalerei" zu bezeichnen berechtigt. Man
sieht durch die großen, farbigen Scheiben hindurch, aber
scheinbar vor und in ihnen volles Licht und wirkliche Luft-
töne I — Auch Fleischtöne von perlmutterartigem Glanz und
seltener Feinheit lassen sich durch das neue Verfahren er-
zeugen, und hat der Pariser Maler Bettanier mehrere treff-
liche Porträts in Lebensgröße in dieser weise ausgeführt,
die im Pariser Salon und auf einer Münchener Ausstellung
Aufsehen erregten. — Selbstredend ist die Möglichkeit vor-
handen, auch gegen künstliches Licht gesehen, harmonische
Farbeneffekte zu erzeugen. — Das Vorherrschenlassen eines
Grundtons wird stets eine künstlerische, keine bunte Wir-
kung hervorbringen. —
Natürlich gehört zu der neuen Technik große Uebung
auch und sind die bisher hergestellten Bilder trotz ihres

fraxpirenden Reizes künstlerisch und technisch noch nicht ganz
einwandsfrei: Einiges ist in der Zeichnung steif und in der
Farbe durch zu wenig oder zu viel Aetzen (letzteres nicht
rexarirbar!) versehen; — aber gleichwohl ersieht man aus
dem Gebotenen das Wesen einer ganz neuen Malerei von
überraschender und bedeutendster Tragweite! — Materiell
wird die Erfindung wohl zunächst am meisten durch Her-
stellung von Mustern zu dekorativ gehaltenen Fenstern in
Läden, Restaurationen, Treppenhäusern, auch als Ober-
lichter gedacht, zur Firmenschild- und besonders Wappen-
malerei u. s. w. ausgenützt werden. — Auf dem in Weimar
ausgestellten Wappen ist eine kleine weibliche Figur in sehr
schönen Fleischtönen zu sehen. Ferner sind hier ein Blumen-
stück in sehr leuchtenden Farben, zwei nach japanischen Vor-
lagen gefertigte Malereien als Fenstervorsetzer und eine
größere „Marine" ausgestellt, endlich ein als Treppenhaus-
fenster verwendbares, in seine 2 Farbplatten zerlegbares
Muster, von dem auch je 2 Platten nur verbunden und
die blaue Platte allein für sich verwendet werden können.
S. K. Hoheit der Großherzog von Sachsen - Weimar
hat diese Sachen neuerdings besichtigt und seine Anerkennung
ausgedrückt. Kenner, wie der Direktor des Museums und
des Göthe-National-Museums, der Geheime Hofrath Ruland,
Künstler und Laien haben dieselben mit eingehendstem
Interesse und lebhafter Zustimmung gemustert. Line ein-
zige gegentheilige Stimme ist mir zu Ohren gekommen,
die eines angesehenen Künstlers, und zwar lautete dieselbe:
„Entsetzlich! Nicht in meinen Aschenkasten würd' ich's
thun!" — Ist letzterer Zusatz auch mehr scherzhaft zu ver-
stehen, so war das vorangehende Wort ernst gemeint, und
darf diese Kritik der Kuriosität halber nicht verschwiegen
werden. — Dem betreffenden Künstler ist eben „das Neue"
zuwider; er vertritt die Schule des lieblichen, pergebrachten,
wozu das „gute Neue" allerdings nach einigen Jahren
auch gehören wird! lompora mutgmtur 6t uo8 mutamnr
in i!M! —
V
Berliner Chronik.
Im alten Reichstag ist eine Ausstellung „Christus"
eröffnet. Der Münchener Kunsthändler Bierk hat eine An-
zahl deutscher Maler aufgefordert, „ein Bildniß des Herrn,
losgelöst von einer figurenreichen Komposition und befreit
aus einer mehr oder weniger sinnreich erdachten Handlung
als bloße Erscheinung einer religiösen Empfindung auszu-
führen". Die neun Künstler, die dieser Aufforderung nach-
kamen — andere erklärten sich außer Stande dazu —, haben
offenbar trotz des mangelhaften Ausdrucks verstanden, was
dem Besteller vorschwebte. Herr Bierck hatte die stille Hoff-
nung, gewissermaßen die Grundlage für eine neue Tradition
zu geben. Die hat ihn nun freilich getäuscht; hier behält
die alte Tradition ihre Macht: die einzelnen Meister weichen
im Ausdruck bis zum schärfsten Gegensatz ab, in der Grund-
lage, dem bärtigen Manne mit dem langwallenden Haar
stimmen sie unter einander, eben durch die Macht der Tra-
dition, überein. Ein Album ist ausgelegt, um eine Art von
Volksabstimmung herbeizuführen. Der zweite Beweis, daß
der Veranstalter eigentlich etwas Unerfüllbares erfüllt sehen
wollte: ein mindestens der Mehrheit gefälliges Ideal. Aber
die Stimmen zersplittern sich. In der Kunst giebt es gar
 
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