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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 13
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Galland, Georg: Aus Berliner Kunstwerkstätten, [1]
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Mirbeau, Octave: Seelenmaler
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0229

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Nr. ^3

Die Kunst-^alle. g^-o

^97

seinen Neigungen entsprechend, zu schaffen. Einige
Zeit darauf finden wir ihn bei seinen interessanten
Versuchen mit den: Email und der Majolikamalerei
beschäftigt. Angeregt wurden diese versuche auch
durch die Vorträge, die damals der juuge I)r. Mil.
Julius Lessing über jene kunstgewerblichen Themata
hielt, der, obwohl von bsaus aus Altphilologe, doch
mit modernem Empfinden und klarem Blick den Werth
der Erneuerung der alten Kunsttechniken für den Aus-
bau uuseres handwerklicheu Schaffens nach der künst-
lerischen Seite hin früh- und rechtzeitig erfaßte.
(Schluß folgt.)
L
^eelenmaler/)
Von Gctave Mirbeau.
^^xestern traf ich meinen Freund Kariste. Ich erkannte
ihn kaum. Er hatte sich die paare schneiden lassen.
Seine Kleidung war sauber und affektirte keinen eigenartigen
Geschmack. Seine frühere Magerkeit polsterte sich mit Fett,
und schon rundete sich seine Weste bourgeoismäßig. Am
meisten nahm mich an dieser Metamorphose Wunder, daß
er seinen breitkrämpigen Filzhut durch einen prosaischen
Lylinder ersetzt hatte, dessen übrigens zweifelhafter Seiden-
filz sich überall gegen den Strich sträubte.
— wie geht es Dir eigentlich? fragte ich ihn.
— wirklich! ... Du weißt nicht? . . . Ich habe jetzt
eine ganz famose Stellung . . . Ich bin eine offizielle Per-
sönlichkeit . . . Beinahe Mitglied des Instituts . . . Wiel
Ich hatte Dir das noch nicht mitgetheilt? . . . Ich mache
Zeichnungen für Streichholzschachteln . . . Ja, mein Alter,
poche, Marceau, Murat, Klober, alle die Typen der großen
Epoche, die Du auf den Schachteln der Regie bewunderst. . .
Die sind von mir! . . .
— Mein Kompliment!
— Nun ja, dahin führt der Symbolismus, wenn man
kein Geld hat. . . Ach, es ist manchmal hart! ... Du ver-
stehst. Ich habe noch manchmal die Idee, die Pelmbüsche
der alten Soldaten mit Lilien oder Iris zu schmücken . . .
Aus alter Gewohnheit! . . . Abgesehen davon, ist mir sau-
wohl . . . Ich gehe spazieren, ich sehe mich um. . . Ich
mache mich über die anderen lustig . . . und ich versäume
keine Kunstausstellung.
Und plötzlich laut auflachend, rief er:
— past Du sie gesehen? . . . Findest Du denn die so
famos?
— was denn?
— Seit heut ist in der Bodiniere eine Ausstellung der
Seelenmaler.
*) Aus dem „Journal". Paris, 23. jebr. 1896.

— Ach was.
— Ja, mein Alter.. . Seelenmaler... Das ist
gedruckt auf den Einladungen, auf Affichen. Die Mauern
platzen vor Lachen. . . Seelenmaler.
— wer ist denn dabei?
— Immer dieselben. . . Schwabe, Söon, Gsbert, ein
Point. . . Das ist alles.
— Ein Point? . . . Armand Point, willst Du sagen.
Der die modernen Sphinxe malt? —
— Richtig . . . Sphinxe vom Montmartre oder Seelen,
das ist derselbe .. .
— Und Maurice Denis? — Ist der dabei?
— Nun, mein Alter... Er hält sich zurück, seit er
Schlafzimmer in Kurven fabrizirt. ..
— wie boshaft Du bist!
— Du hast es gesehen, sein Zimmer, wie? . . . Ich
habe es nicht erfunden, zum Teufel!
— Ghne Zweifel! . . . Aber man hat Dir sicherlich
auseinander gesetzt, wie auch mir, daß dies Zimmer nicht
ein Zimmer, sondern eine parmonie von Kurven ist. . .
— Bei Gott. . . sonst. . . Ich bin kein Dummkopf
und ich weiß, was eine Seele ist. . . Ich weiß, daß eine
Seele sich nicht in Betten schlafen legen kann, auch nicht
in Spiegel sehen, noch auf Stühlen sitzen, noch in Spuck-
näpfe spucken . . . Nun, sie macht das alles in Kurven . . .
Könntest Du mir nur sagen warum 'diese Seelen, das heißt
diese flüssigen, unwägbaren Wesen, Möbel gebrauchen, die
dreihundert Kilo wiegen? . . . wozu brauchen sie Stühle,
wozu brauchen sie Schränke, um ihre Strahlenscheine und
Wolkenschärpen aufzuheben. —
— was willst Du? . . . Das ist das Geheimniß der
Kurven.. .
— Und diese Schufte von Seelenmalern, vor welcher
Materie sie sich auch befinden, sie arrangiren alles in
Kurven! —
— Du bist nicht gerecht gegen Maurice Denis ... Er
hat ein famoses Kompositionstalent ... Er ist oft er-
finderisch ... Er ist ein Künstler . . .
— Richtig, ich bin neulich zu dem braven Tollard ge-
gangen ... Da sind Zeichnungen von Maurice Denis,
Zeichnungen ohne Prätention von Symbolismus, noch von
Kurven, noch von Winkeln, noch von Parallelogrammen . . .
Zeichnungen, die Niemanden mystifiziren wollen. . . Also!
nein. . . Lin Kind von 8 Jahren wäre nicht so unge-
schickt und könnte mehr .. . Das ist herzzerreißend!
— Die Naivität, was giebt es wohl Entzückenderes in
der Kunst?
— Aber das ist keine Naivität . . . Das ist voll-
kommene Ignoranz . . . was seine Kompositionen betrifft,
wie Du sagst . . . Ach, mein Lieber! Bei Jemandem, der
mit l? Jahren schon wußte, was man in einein Kunstwerk
weglassen muß! . . . Nun, was willst Du, ich finde das
 
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