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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 21
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Seidl, Arthur: Von der Dresdner Gewerbe-Ausstellung
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Berliner Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0378

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530

4 Die K u n st - p a l l e. g>-<>-

Nr. 2 s

Mäßigkeit, im Einzelnen unabhängigste Ungebundenheit, und
doch ein Zusammenstimmen, eine innere Tharaktercinheit,
ein ästhetisches Gleichgewicht — von Licht und Schatten,
Fülle und Leere, Wacht und Zierlichkeit, wie es keine, anch
noch so gewissenhaft gestaltete, rein symmetrisch-formale
(statt eben-pittoreske) Abrundung je erreicht haben würde.
Das „Getrennt marschiren — vereint schlagen!" die alte,
urdeutsche „Föderativ"-Idee, scheint hier als Prinzip einmal
in's Architektonische übersetzt zu sein, und dieser ganze Styl
mit seinem Dezentralisationsbestreben, er wird so zum freund-
lichen Sinnbild überhaupt des deutschen Wesens, eine tröst-
liche Bestätigung für die Lebensfähigkeit unseres als „par-
tikularismus" so viel geschmähten deutschen Individualismus.
Die Architekten und Bildhauer Schumichen uud Michel,
G. Schramm, Kurt Diestel, Bruuo Seitler, Gtto
Tirastein, Baurath Weidner, Flügel und Schleinitz,
R. Kammsetzer, p. Meyfarth, E. Schroth, L. Noack,
P. Kaiser, Weber, A. Mhlendick und Arn. Trainer
— ein jeder dieser Bauherren und Künstler hat auf seine
besondere Weise, mit der Autonomie eigenständige Kom-
munen ausgestattet, ein ganz absonderliches Meisterwerk für
sich aufgestellt und im Innern verständnißvoll noch aus-
gebaut; die Grundlinien dazu waren von: Stadtrath Bau-
meister Bruno Adam vorgezeichnet, die „Losung" theils
von diesem, theils vom Gesammtausschusse klar ausgegeben
worden. Auch um die charakteristischen, bodenständig-volks-
thümlichen Polzkonstruktionen alter, namentlich slavischer und
Spreewäldischer Bauernkunst in der wendischen Dorfanlage
haben sich die perren Landbauinspektor Schmidt und Archi-
tekt Grothe, poftheatermaler Rieck und Maler Giese
als die geistigen Schöpfer (nach Regierungs - Baumeister
Gruner's werthvollen Anregungen) ein hohes Verdienst
erworben, so daß man oft in Nachdenken versunken vor
all' dieser Kulissen-Pracht steht mit der trüben Frage auf
den Lippen: Soll nun wirklich alles dieses in massiver Aus-
führung für uns Menschenkinder ein für allemal unwieder-
bringlich schon verloren sein?
Berliner Chronik.
* Die städtische Deputation für Kunstzwecke hat in einer
unter Vorsitz des perrn Oberbürgermeisters Zelle stattgc-
habten Sitzung beschlossen, für die vier Ehrenpreise, welche
die Stadt Berlin für die diesjährige internationale Kunst-
ausstellung bewilligt hat, zwei Maler, einen Bildhauer
und einen Architekten in Vorschlag zu bringen. Der Ge-
sammtbetrag der Ehrenpreise beläuft sich auf t2 ooo Mk.
(vgl. unter „Persönliches"). Ferner beschloß die Deputation,
im Viktoria-Park die permen der Dichter der Freiheits-
kriege, Ernst Moritz Arndt, Theodor v. Körner, Kleist,
Uh land, v. Scheukendorf und Rückert nach einem von:
Königlichen Baurath perrn Kyllmann noch aufzustellcn-
den plane zur Ausstellung zu bringen. Die bekannte
Statuette der kleinen Wäscherin von Brnnow, welche ur-
sprünglich für den Viktoria-Park in Anssicht genommen
war, soll nach einein neuerdings gefaßten Beschlusse an der
Waisen brücke ihren Platz erhalten. Die kleine Lronze-
figur wird auf eine Säule gestellt, deren Tapitäl mit vier
wasserspeienden Lngelsköpfen geschmückt wird. Auch die
Säule wird in Bronze gegossen; nur die vier Becken, in die
sich das Wasser ergießt, werden in Sandstein ausgeführt.
Die für das Bild der heiligen Gertrud an der G ertraudten-
Brücke in Vorschlag gebrachte Inschrift ist abgelehnt wor-
den. Für die nächste Sitzung stellte Baumeister wohl-

gemuth die Details über die Ausschmückung des Lützow-
Platzes in Aussicht. Ls ist der Wunsch ausgesprochen
worden, die noch vom vorigen Jahre im Ausstellnngspark
befindliche „Amazonen-Reiterin" von Touaillon - Rom für
diesen vornehmen Platz des Westens anzukaufen.
* In der akademischen Pochschule für die bil-
denden Künste fand unlängst die alljährliche preisver-
theilung statt. Ihr ging eine Ansprache des Direktors
von Werner voran; alsdann erstattete der Direktorial-
assistent Maler I)r. Seeger den Jahresbericht, der ein Bild
der äußeren Vorgänge an der Pochschule entwarf nnd an
die großen Tage der Reichsgründung und der Menzel-Feier
erinnerte. Maler Schäfer ist zur Leitung der vorbereiten-
den Malklasse (Stilllebenklasse) und Maler Wirth zur
Unterweisung in der technischen Zubereitung der Farben be-
rufen worden. Preise erhielten: Römer in der Vorbe-
reitungsklasse von Böse, Willy Schultze in der Vor-
bereitungsklasse von pancke, Gbronsky in der von
Brausewetter. In der Antikenklasse von Friedrich
wurden prämiirt: Lange und Pagels für Kompositionen,
Jakobi für Klassenarbeiten; in der Kon er'schen Malklasse
trug Rubach den Preis davon. Peiler und Janson er-
rangen die Preise in der Malklaffe von Scheurenberg.
Vom Bracht'schen Landschafts-Atelier wurde Schinkel,
von der Meyerheim'schen Thierklasse pußmann prämiirt.
In der Malklasse von Schäfer erhielt Frost den Preis.
Aus dein Bildhauer-Aktsaal von Perter gingen Nikolaus
Friedrich, Morin und Limburg als Prämiirte hervor.
Bei Iaueusch in der Modellirklasse wurden die Preise den
Bildhauern Richard Wagner, Matzen und Leibküchler
zuerkannt. Die Preise bestehen in Geldbeträgen, pracht-
werken und Anerkennungen. Außerdem erhielten alle prä-
miirten die vom Direktor herausgegebenen Ansprachen und
Reden an die Studirendcn.
* Die Kunst bei pofe. Kaiser Wilhelm hat durch
Vermittlung eines Mitgliedes der Berner Legation jenes
hochinteressante alterthümliche Wandgetäfel aufgekauft,
das Jahrhunderte lang im Schützengarten zu Alt orf als
große Sehenswürdigkeit galt. Dasselbe soll auf seinen
Wunsch als Wandschmuck in einem Flügel des Berliner-
Schlosses Verwendung finden. — Eine silberne Schale
des Kurfürsten Johann Georg, im Garten des Kauf-
manns pahn zu Letzlingen aufgefunden, stammt, wie sich
aus dein eingravirten Wappen und der Unterschrift jetzt
hat feststellen lassen, aus dein Besitz des Kurfürsten Johann
Georg von Brandenburg P57;—V98), ist also ein kur-
brandenburgisches Geräth. Das Ligenthumsrecht ist im
Wege des ununterbrochenen Lrbganges auf den Kaiser
übergegangen. Die Schale ist daher auch an das Gber-
pofmarschallamt übersandt worden, das perrn pahn dafür
;oo Mk. Finderlohn hat auszahlen lassen.
* Königl. Institut für Glasmalerei. Das letzte
große Werk des unter Leitung von p. Bernhard stehen-
den Instituts war ein Fenster für die willib r odi - Kirche zu
Wesel. Den Lntwurf der Malerei hat Prof. Gesellfchap
geschaffen; sie stellt die Bergpredigt dar. Durch die Freund-
lichkeit der Direktion war an zwei Tagen des abgelaufenen
Monats eine Besichtigung dieses hervorragenden Erzeugnisses
Berliner Glasmalkunst gestattet.
* Internationale Knnst-Ausstellung ;896. Das
neue Gemälde von Eduard vou Gebhardt „Die Aufer-
weckung des Lazarus", welches die Düsseldorfer Korrespon-
denz in Nr. 20 der „K.-p." (Allg. Kunstchr.) bereits an-
kündigte und kurz beschrieb, ist inzwischen angelangt und
im Düsseldorfer pauxtsaal (Nr. 35) aufgcstellt worden, wir
müssen bekennen, daß die Darstellung eine edle und tiefe
wirknng ansübt, wenn auch manches, wie der im offenen
Steinsarge sitzende Lazarus, mehr konventionell als wahr
empfunden ist. Am tiefsten beseelt erscheint ohne Frage die
vor Lhristus (der mit der einen pand nach oben deutet)
knieende zarte Magdalena, die unter Thränen freudig er-
regt lächelt — eiue köstliche Gestalt! — Die Ausstellungs-
leitung beklagt mit Recht den schwachen Besuch der West-
Halle, die isolirt im park steht und äußerlich freilich wenig
Einladendes besitzt. Sie schreibt uns: „Die meisten Be-
sucher der Ausstellung wissen nicht oder denken nicht daran,
daß auch dort sehenswerthe Kunstwerke vereinigt sind. In
 
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