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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 20
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Die Kunst in Hessen
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Paris 1900
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3^

Die Kunstvolle.

Nr. 20

liche Thatsache nicht hinwegtäuschen, daß die Kunst hier
keine Pflegestätte gefunden hat, und daß insbesondere die
Söhne des Landes, welche sich der Kunst widmen, heute
noch mehr wie früher, wohl daran thun, den Wanderstab
zu nehmen, um in der Fremde Anerkennung und Auf-
munterung zu finden.
Man muß sich fragen: hat denn unsere Bevölkerung
weniger Sinn, weniger Interesse für die Schönheiten der
Natur sowie auch der Kunst, steht sie geistig hinter unseren
Nachbarvölkern zurück, oder ist sie derartig verarmt, daß
der schwere Kamps ums Dasein sie abgestumpft hat für
alles Höhere, Edlere? — Nein, — Keines davon trifft zu,
denn wir haben eine fleißige, aufgeweckte, von Natur
heitere Bevölkerung, welche das ernste Streben des Nord-
deutschen mit dem Biedersinne des Süddeutschen verbindet.
An ihr liegt es nicht, daß die Kunst keine Heimat hier
gefunden. Seltsam aber muß es erscheinen, daß Darm-
stadt heute, trotz fast der doppelten Einwohnerzahl, weniger
Künstler beherbergt, als vor ca. 25 Jahren, hingegen muß
konstatirt werden, daß der Dilettantismus zu üppiger Blüthe
sich entfaltet hat. Man sollte denken, wo Wissenschaft,
Musik und Litteratur gepflegt, könnte auch die bildende
Kunst nicht als Aschenbrödel behandelt werden, da müßte
auch die Ueberzeugung Platz greifen, daß diese Kunst nicht
minder wie jene ein Bildungsmittel ist, das noch den Vor-
zug der Gemeinverständlichkeit besitzt, das den Menschen
herauszieht aus der Alltäglichkeit des Daseins, den Sinn
für die Schönheiten der Natur erweckt und somit sein Herz
erfreut und seinen Geist erfrischt.
Was ist nun die Ursache des Verfalles der Kunst in
unserem schönen Lande, besonders in Darmstadt?
Wenn man nun offene Augen hat, kann man wahr-
nehmen, daß gerade in jenen Kreisen, welche berufen und
in der Lage wären, die Kunst hier einzubürgern, die Be-
völkerung dafür nach und nach zu erwärmen, daß gerade
in jenen Kreisen die Kunst und noch mehr ihre Jünger
ganz Nebensache sind. Für die hiesige Bureaukratie be-
deutet in der That das kleinste Titelchen mehr, als eine
ganz bedeutende Leistung auf dem Gebiete der Kunst. Als
Beweis, wie wenig man diese und ihre ausübenden Jünger
hier beachtet, möge nur folgender kleine Beitrag Platz
finden: Als vor nicht langer Zeit der Prinzregent von
Bayern bei dem hiesigen Hofe zu Gast war, fand er noch
Zeit, den Maler Heinz Heim, dessen Name weit über seine
engere Heimath hinaus einen guten Klang hat, in dessen
Wohnung aufzusuchen. Er fand ihn aber erst nach ver-
schiedenen Umfragen und sagte dein Künstler: „Kommen
Sie wieder in meine Residenz, hier kennt Sie ja Niemand!"
Diese Ueberraschung des Prinzregenten findet man hier un-
begreiflich, da in Darmstadt der Künstler ja erst mit dem
„Professor" anfängt.
Man hört wohl hie und da die Worte: die Kunst muß
unterstützt werden, aber in einem Tone, wie man Jemand
ein Almosen reicht. Die Kunst aber nimmt keine Almosen,
sie zahlt reichlich Jedem wieder heim, der ihr Wohlwollen
und pflege angedeihen läßt, und wer die Kunst ehrt, ehrt
sich selbst. Wohl hört man auch hin und wieder sprechen
von einem berühmten, auswärts lebenden Landsmann, und
ist auf ihn, dem doch die Heimath gar nichts geboten, stolz,
obwohl jener auf eine Anerkennung aus feiner Heimat
schon lange verzichten gelernt hat. Es gehört wahrlich
nicht wenig Muth dazu, sich als bildender Künstler in seiner

hessischen Heimath niederzulassen, wo wenig Hoffnung ist,
von maßgebender Stelle mit Aufträgen betraut und auf-
gemuntert zu werden.
Unter diesen traurigen Umständen ist es gewiß mit
Freuden zu begrüßen, daß sich Männer aus dem Bürger-
und Beamtenstande zusammengefunden haben, die trotz
ihrer bisweilen sehr anstrengenden Berufsthätigkeit sich noch
ein warmes Herz und offenen Sinn für die schönen Künste
bewahrt haben, Männer, welche mit ganzem Herzen an der
engeren Heimath hängen und Alles aufzubieten bereit sind,
dem gänzlichen Schwinden des Kunstsinnes entgegenzu-
arbeiten, in der festen Ueberzeugung, daß auch bei unserer
Bevölkerung diese Anregungen auf fruchtbaren Boden fallen
werden, welche sich aber auch nicht verhehlen, was für eine
Summe von Mühe und Arbeit sie dabei übernehmen, doch
auch wieder belohnt in dem Bewußtsein, einer guten Sache
zu dienen. Ls ist dies der Verein „Kunstfreund" in
Darmstadt, welcher seither mit seinen kleinen Mitteln doch
in obigem Sinne schon viel Gutes gestiftet hat, und der
nun im kommenden Herbste in Darmstadt eine erste
größere Ausstellung und Verloosung von Gelgemälden
veranstalten wird, welche, soweit möglich, in erster Linie
von hessischen, und dann von Künstlern anderer Kunststädte
beschafft werden sollen.
Ls soll dem Publikum mit wenig Mitteln Gelegenheit
geboten werden, Kunstwerke zu erwerben, damit es nicht
mehr nöthig habe, für gutes Geld Bilder einzutauschen, die
meist von sehr zweifelhaftem Kunstwerth sind, wie sie die
Wanderlager bringen, welche von auswärts kommend, von
Zeit zu Zeit unser Land abgrasen. Wir wünschen dem
rührigen Verein von Herzen Glück zu seinem Unternehmen,
möge er dabei von Seiten unserer Bevölkerung kräftige
Unterstützung finden, und es ihm gelingen, daß Darmstadt
nicht mehr lange in Sachen der Kunst so beschämend hinter-
anderen Städten zurückstehen muß.

Paris 1900.

<ZMor einiger Zeit hatte der französische Minister des
Handels und Gewerbes einen Wettbewerb um Ent-
würfe für die beiden Kunstpaläste der künftigen Welt-
ausstellung ausgeschrieben: für eins auf dein Platz des
Valais <lo l'iuäustrik, für das andere auf dem des
Stadtxavillons der Okmups-KIyMss. Die Theilnahme an
diesem Wettbewerb war natürlich ausschließlich den fran-
zösischen Baukünstlern gestattet. Aus den Situationsplänen
ist ersichtlich, daß man die bestehenden Baumanlagen jener
Plätze unangetastet lassen will. Dagegen liegt es in der
Aufgabe der Architekten, die gärtnerische Umgebung der
projektirten Gebäude durch weitere Bepflanzungen und
Wasserkünste zu beleben und zu verschönern. Auch soll
hierbei eine Verbindung zwischen den Obumps - Ulysses und
der Esplanade der Invaliden in Rechnung gezogen werden.
Im Uebrigen wird den Bewerbern volle Freiheit ge-
lassen für die geplanten Gebäude, die, aus beständigem
Baumaterial konstruirt, nicht nur den Schein der Monumen-
talität erhalten sollen. Im Jahre tstoo wird inan den
 
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